KTM-Teamchef euphorisch: Jubelarie für Lennox Lehmann
Erst drei Deutsche schafften es in der 2017 gegründeten Supersport-300-WM aufs Podest: Luca Grünwald 2018 als Sieger in Assen und Jan-Ole Jähnig 2019 auf gleicher Strecke als Dritter. Beide fuhren für das Team Freudenberg KTM.
2022 sitzt der zweifache Deutsche Meister Lennox Lehmann auf der RC390R des Teams aus Bischofswerda, östlich von Dresden. Mit dem WM-Platz wurde er nicht nur für seine bisherigen Leistungen belohnt, Carsten und Michael Freudenberg beweisen mit seinem Einsatz auch wieder einmal eine sehr gute Nase für Talent.
Der Teenager fuhr beim Saisonauftakt in Aragon in beiden Rennen von Startplatz 25 auf Rang 3! Zwei Podestplätze hat bislang kein Deutscher in dieser Klasse errungen. Von einem Startplatz außerhalb der Top-20 schaffte es noch nie ein Fahrer an einem Wochenende zweimal aufs Podium. Mit 16 Jahren, vier Monaten und zwölf Tagen ist Lennox der drittjüngste Fahrer, der es in dieser Nachwuchsserie aufs Podium schaffte. In der Weltmeisterschaft liegt der Youngster mit 32 Punkten auf dem dritten Gesamtrang, so gut platziert war seit Grünwald 2017 kein Deutscher mehr. Der Bayer wurde damals WM-Vierter.
SPEEDWEEK.com traf sich mit Teameigentümer Michael Freudenberg, um über das besondere Talent von Lennox Lehmann zu reden.
Michael, vor dem Aragon-Wochenende wurden Punkte für Lennox als Ziel ausgegeben, die Top-10 wären ein Riesenerfolg gewesen. Jetzt preschte der Junge aber zweimal aufs Podium – ist das die neue Erwartungshaltung?
Wir sind sprachlos, es ist sensationell, was in Aragon passiert ist. Auch hervorgerufen durch das schlechte Quali mit dem Sturz. Ich muss den Jungen bärig loben, wie er die Situation gemeistert hat. Natürlich hat er sich geärgert nach dem Quali, hatte sich aber ganz schnell wieder im Griff. Dann sagte er, dass wir ganz ruhig bleiben müssen, man kann auch von hinten nach vorne fahren.
Bei seinem ersten WM-Einsatz in Barcelona qualifizierte er sich als 29. und wurde im ersten Rennen 17. Da hat er gesehen, dass das geht. Jetzt geht das Motorrad besser und er fühlt sich besser, also sollte etwas machbar sein. Dass es dann bis aufs Podium geht, das hat kein Mensch gedacht oder erwartet, in keiner Weise.
Nach zwei oder drei Runden sieht Lennox, wohin es in seiner Gruppe reichen kann, dann setzt er sich ein Ziel. Sich mit 16 Jahren so einen Rennrhythmus aufzubauen, ist Wahnsinn.
Ihr habt Podestplätze mit Grünwald und Jähnig gefeiert: Wo müssen wir Lennox im Vergleich einordnen?
Mit Luca Grünwald wurden wir 2010 Deutscher Meister, er gewann bei den 125ern sofort. Das war damals mit 40 Fahrern viel wert. Der Kontakt ist danach nie abgerissen. Jan-Ole hat sich auch große Mühe gegeben, keine Frage.
Aber das mit Lennox ist noch mal eine Schippe mehr. Ich kann das gar nicht richtig ausdrücken. Er ist so aufgeräumt, das gibt es gar nicht. Er hat viel Grundwissen und befasst sich jedes Rennen mit den Datenblättern. Viele Fahrer schauen nur auf die Ergebnislisten. Aber sich damit befassen, die Analyse des Rennens, das ist wichtig.
Wenn ich zusammen mit einem Fahrer die Daten anschaue, dann sehe ich natürlich, wo ihm das Hinterrad wegrutscht. Wir müssen zusammen daran arbeiten, dass er sich wohler fühlt auf dem Bike, dass er sicherer fährt – nicht riskanter.
Zum Beispiel in Aragon erzählte mir Lennox, dass er aus einer bestimmten Kurve nicht herauskommt. Ich habe ihm dann erklärt, dass er zu schnell hineinfährt. Ich habe ihm das einmal erklärt, beim nächsten Rausfahren hat er das richtig gemacht und gewann damit sofort 0,4 sec. Ist das nicht herrlich! Es geht nicht darum, dass ich ihm das sage, sondern dass er so etwas umsetzen kann.
Traust du ihm zu, dass er dieses Jahr weitere Highlights wie Aragon abliefert?
Da antworte ich mit ja.
Wir sind sehr zufrieden, wenn er in die Top-10 fährt, wir wissen, wie eng es ist. Die Erwartung zu haben, dass er wieder Dritter wird, wäre verrückt.
Obwohl wir wenig getestet haben im Winter, war er im ersten freien Training in Aragon Fünfter. Das ist eine gute Grundlage. Anschließend haben wir alle Daten ausgewertet und geschaut, was wir machen können.
Ich muss auch KTM ein Lob mit drei Ausrufezeichen aussprechen.
Die Leistungen von Lehmann wurden bei KTM mit viel Freude aufgenommen. Das nährt die Hoffnung, dass wir nächstes Jahr mehr als eine RC390R im Startfeld sehen.
Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Glückwünsche wir vom zeitgleichen Rennen in Amerika rübergeschickt bekamen. Das hat uns riesig gefreut, wir arbeiten ja schon 18 Jahre zusammen.
Bislang war das Denken, dass man nur mit einer Kawasaki gewinnen kann, einige Teams haben zu ihnen gewechselt. Sind sie deswegen besser? Die Kawa fährt sich leichter, das mag sein. Aber kann man mit der KTM vorne fahren? Natürlich!