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Joachim Winkelhock: Meisterfeier bei Pizza und Bier

Kolumne von Friedbert Holz
Joachim Winkelhock kürte sich in Silverstone zum Britischen Tourenwagenmeister, das feierte man dann mit einer unkonventionellen Meisterfeier

Joachim Winkelhock kürte sich in Silverstone zum Britischen Tourenwagenmeister, das feierte man dann mit einer unkonventionellen Meisterfeier

Am 19. September 1993 durfte sich Joachim Winkelhock über den Gesamtsieg in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft freuen. Der Triumph des Publikumslieblings wurde auf eine ganz besondere Art und Weise gefeiert.

Als Joachim «Jockel» Winkelhock Ende 1992 die Mitteilung von BMW Motorsport bekam, er solle mit einem 318i des Teams Schnitzer im kommenden Jahr die Britische Tourenwagen-Meisterschaft fahren, hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Einerseits kannte er keine der Rennstrecken auf der Insel, auch malte er sich bereits Mahlzeiten dort aus, die seinen Vorstellungen von gutem schwäbischen Essen überhaupt nicht entsprachen. Doch er hatte keine Wahl: BMW hatte 1992 die DTM als Werk verlassen, seriennahe Zweiliter-Tourenwagen waren jetzt angesagt, weltweit.

Auf jede Menge solcher Gefährte traf Jockel schon beim ersten Rennen auf dem Grand-Prix-Kurs von Silverstone, dem «British Home of Motor Racing». Hier wurde er, hinter seinem Teamkollegen und Kenner der Szene, Steve Soper, gleich Zweiter. Und lag noch vor jener Horde Fronttriebler, die aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit 100 Kilogramm weniger zu transportieren hatten als sein BMW mit Hinterradantrieb. Zudem war ABS hier verboten, also viel Gefühl auf der Bremse nötig.

Bis auf fehlende Gaumenfreuden ließ sich die Saison für den kleinen Schwaben gut an: Er stand in Donington, Brands Hatch und Pembrey ganz oben auf dem Siegertreppchen, in Oulton Park sogar gleich zwei Mal! Und er war längst zum Publikums-Liebling avanciert, das ihm den Spitznamen «Smoking Joe» verpasst hatte. Denn Winkelhock ließ es nicht nur auf den teils holprigen und engen Strecken ordentlich qualmen, er gönnte sich auch in jeder freien Minute eine Zigarette, gab sich volksnah – das kam auf Anhieb gut an bei den Briten.

Auf der Strecke von Silverstone, wo das Schnitzer-Team während der Saison ganz in der Nähe auch Quartier bezogen hatte, sollte Jockel schließlich seinen größten Triumph im Tourenwagen feiern: Er wurde nach insgesamt 17 Läufen mit nur 13 Punkten Vorsprung vor Markenkamerad Steve Soper Britischer Tourenwagenmeister. Somit war er der erste Ausländer seit 20 Jahren, der diesen Titel erreicht hatte. Unglaublicher Jubel brach nicht nur bei ihm und im Team aus, sogar die gesamte Führungsriege der britischen BMW-Tochter aus Bracknell bei London kam an jenem Nachmittag des 19. September zum Gratulieren ins Fahrerlager.

Wer allerdings eine riesige Feier á la DTM erwartet hatte, wurde enttäuscht: Statt eines Gala-Fests durften sich die ersten Drei des Championats im Fahrerlager auf die Ladefläche eines Lkw stellen, bekamen dort ihre Pokale und einen freundlichen Händedruck des Veranstalters. Wohin aber nun mit soviel doch überschäumender Freude über den Sieg, fragte sich das Schnitzer-Team. Schließlich musste so ein Titel, noch dazu im Ausland, ordentlich gefeiert werden. Da beschloss Teammanager Charly Lamm ganz pragmatisch: «Wir feiern in der Unterkunft, unser Wirt soll was besorgen.»

Der «Wirt», ein älterer Herr, der ein großes, mit Efeu bewachsenes Herrschaftshaus samt einigen Pferdeställen besaß und das bayerische Team schon öfters beherbergt hatte, machte sich also auf Essenssuche. Mit seinem Rolls-Royce Silver Shadow, den er völlig unkapriziös als Alltagsauto nutzte, fuhr er zum nächsten Italiener, besorgte dort Pizza und Bier für das Team sowie für ein paar treue Schlachtenbummler aus Old Germany – für den Fotografen Walter Wilbert, für BMW-Marketing-Mann Max Niedermayer und für mich als Motorsport-Pressesprecher.

Schließlich saßen wir im Wohnzimmer des gewaltigen alten Hauses, aßen und tranken, ließen ab und zu den wackeren Jockel hochleben, Max sprang durch die Gegend und jubelte immer wieder «What a day – Was für ein Tag!» Es war eine fast unwirkliche Szenerie, in der Joachim Winkelhock hier seinen Meistertitel zelebrierte, aber es war absolut authentisch, für ihn und für das ganze Team. Zwar gewann Jockel später in der deutschen Super-Tourenwagen-Meisterschaft auch ein paar Rennen und stand 1999 als Sieger der 24 Stunden von Le Mans im Zenith seiner Laufbahn – aber eine so banale und doch sehr persönliche Feier wie 1993 in Silverstone hat er wohl nie mehr erlebt.

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