Sardinien: Sébastien Ogier zurück an die Spitze
Halbzeit in der Rallye-WM-Saison 2018: Am kommenden Wochenende steht mit der Sardinien-Rallye Italien der siebte von 13 Läufen auf dem Programm. Titelverteidiger M-Sport Ford blickt der Schotterveranstaltung auf der zweitgrößten Mittelmeerinsel erwartungsvoll entgegen. Im Vorjahr fuhr das Team mit dem Ford Fiesta WRC, der auf dem in Köln-Niehl produzierten Kleinwagen-Erfolgsmodell basiert, zum Sieg.
Zugleich haben die amtierenden Weltmeister Sébastien Ogier und Beifahrer Julien Ingrassia die Rallye Sardinien bereits drei Mal gewonnen, kennen sich mit dem anspruchsvollen Geläuf also bestens aus. Neben den beiden Franzosen setzt M Sport Ford für den italienischen WM-Lauf auch wieder auf Elfyn Evans/Daniel Barritt und Teemu Suninen/Mikko Markkula. Die beiden Duos standen vor knapp acht Tagen gemeinsam auf dem Podest der Rallye Portugal.
Mit ihren wunderschönen Stränden und fantastischen Landschaften sowie den hohen Bergen, alten Wäldern und unberührt wirkenden Steppen des Hinterlandes bietet Sardinien der Rallye-Weltmeisterschaft alljährlich eine besonders pittoreske Kulisse. Schade nur, dass die Fahrer und ihre Copiloten für die Schönheit der Region nur selten einen Blick übrig haben: Ihre Konzentration widmen sie ganz den ebenso schnellen wie engen und anspruchsvollen Schotterpisten, die oftmals von groben Steinen gesäumt werden und in punkto Fahrzeugbeherrschung höchste Präzision verlangen. Dies gilt für den Mann am Steuer ebenso wie für die Qualität des Aufschriebs, mit dem der Beifahrer die Richtung und das Tempo vorgibt – abgesehen von den vielen Zusatzinformationen, die ein professionelles «Gebetbuch» enthält.
Mehr als ein Drittel der insgesamt 313,46 Wertungsprüfungskilometer unterscheiden sich 2018 von der Vorjahresausgabe, dies macht die Aufgabe zusätzlich delikat. Unverändert bleibt mit Alghero der Start- und Zielort, der auch den Service-Park beheimatet.
«Sardinien ist als Gastgeber für einen Rallye-WM-Lauf wie geschaffen und wartet mit Wertungsprüfungen auf, die zu den anspruchsvollsten im gesamten WM-Kalender gehören», betont M-Sport-Teamchef Malcolm Wilson. «Bereits im vergangenen Jahr konnten wir dort gewinnen, der Ford Fiesta WRC hat sein Potenzial auf diesen Prüfungen also schon unter Beweis gestellt. Natürlich wollen wir auch am kommenden Wochenende wieder ein Topresultat einfahren. Sébastien Ogier hat diese Rallye in der Vergangenheit drei Mal für sich entschieden, er weiß daher, was für einen Sieg unter den gegebenen Voraussetzungen notwendig ist - zumal er am Freitag nicht als Allererster auf die Pisten gehen muss, sondern als Zweiter. Dennoch gibt es zahlreiche Fahrer im Teilnehmerfeld, die ihm folgen und von noch besseren Streckenbedingungen profitieren werden. So wie etwa Elfyn Evans und Teemu Suninen mit ihren ebenfalls gut 380 PS starken Ford Fiesta WRC. Beide konnten in Portugal unter Beweis stellen, dass sie bereit und in der Lage sind, Spitzenergebnisse zu erzielen. Sie und das Team haben aus diesem Doppelpodium eine Menge Extramotivation für die zweite Saisonhälfte geschöpft.»
Kaum ein zweites Fahrer-Beifahrer-Gespann reist mit so viel Erfahrung zur Rallye Sardinien/Italien wie Sébastien Ogier und Julien Ingrassia: Beide blicken auf dem Mittelmeer-Eiland ihrem bereits zehnten Start entgegen, drei Mal durften sie sich dort bislang als Sieger feiern lassen. Dabei wollen sie auch eine Scharte auswetzen: Die Rallye Portugal zwei Wochen zuvor endete für die amtierenden Weltmeister nach einem für sie eher seltenen Fahrfehler vorzeitig und mit einem Null-Punkte-Resultat, das sie vorläufig auch die Führung in der WM-Tabelle kostete. Und jetzt die gute Nachricht: Dafür muss auf Sardinien ihr Titelkonkurrent Thierry Neuville auf den neun Wertungsprüfungen (WP) der ersten Etappe den Schotterbelag von der losen, Zeit kostenden Staubschicht befreien.
«Unser Ausfall in Portugal war wirklich bitter, denn wir hätten dort locker gewinnen können», so Ogier. «7Uns ist ein kleiner Fehler unterlaufen, der sich maximal ausgewirkt hat. Aber das ist Geschichte. Jetzt konzentrieren wir uns voll auf die Rallye Sardinien, dort wollen wir alles geben, was in unserer Macht liegt. Nach so vielen Starts auf dieser wundervollen Insel kann ich die herausfordernden Prüfungen richtig genießen - auch wenn sie zuweilen sehr hart sind und das Material besonders fordern. Du musst dir immer etwas Sicherheitsreserve bewahren und darfst nie die Konzentration verlieren. Genau dies haben wir uns vorgenommen. Wir gehen zu Beginn zwar nicht als Erste auf die Strecke, dennoch folgen uns viele andere Fahrer, die eine sauberere und schnellerere Linie vorfinden werden als wir. Dennoch bin ich mir sicher, dass wir um ein Spitzenergebnis kämpfen können. Wenn wir am Freitag nicht zu viel Boden verlieren, dann haben wir eine faire Chance.»
Mit Rang zwei bei der Rallye Portugal haben Elfyn Evans und Daniell Barritt nach einem schwierigen Saisonauftakt ein deutliches Zeichen gesetzt - den Schwung, der ihnen dieses Podiumsresultat verliehen hat, wollen die beiden Briten auf Sardinien nutzen. Dies gilt im Speziellen für Evans: Der Waliser feierte 2013 bei der Rallye Italien sein Debüt am Steuer eines World Rally Cars und schrammte zwei Jahre später mit Platz vier nur knapp am Podest vorbei. Startposition sieben für die Freitagsetappe könnte für ihn ein willkommenes Sprungbrett für ein weiteres Topergebnis sein.
«Sardinien bleibt für mich ein besonderer Ort», unterstreicht Evans, «auch wenn die rauen Prüfungen alles andere als einfach sind - vielleicht gefallen sie mir aus genau diesem Grund aber auch so gut. Die Veranstaltung ist eine große Herausforderung, du musst so viele Dinge beachten und berücksichtigen. Wenn du nicht aufpasst, ist sie für dich zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat. Hinzu kommt die enorme Sommerhitze mit bis zu 30 Grad Celsius im Schatten und mehr. Das belastet die Mechanik, aber auch uns. In den Cockpits können die Temperaturen auf über 50 Grad in die Höhe schnellen. Wir haben im Vorfeld einen erfolgreichen Zweitages Test absolviert und am Freitag spielt uns unsere Startposition in die Karten. Ich sehe keinen Grund, warum wir an das tolle Ergebnis von Portugal nicht anknüpfen sollten.»
Dass er zu den ganz großen Nachwuchshoffnungen im Rallye-Sport gehört, hat Teemu Suninen in Portugal mit einer cleveren Fahrt auf Rang drei endgültig bewiesen. Auf Sardinien will der 24-Jährige daran anknüpfen - zumal er bei seinen zwei bisherigen Starts beim italienischen WM-Lauf jeweils einen Sieg feiern durfte: 2015 gewann der Finne gemeinsam mit seinem routinierten Beifahrer Mikko Markkula die WRC 3-Wertung, ein Jahr später die WRC 2-Kategorie. Deswegen gleich mit dem nächsten Erfolg bei den «großen Jungs» zu rechnen, so weit würde der bodenständige und bescheidene Suninen niemals gehen. Ein weiteres Spitzenresultat traut er sich dennoch zu.
«Ich hoffe, dass sich unsere Erfahrungen mit dem WRC2-Fahrzeug aus 2016 etwas auszahlen», so der 24-Jährige. «Aber in der Topklasse der World Rally Cars ist jede Rallye schwierig, jedes kleine Details wirkt sich auf das Endergebnis aus - und ich denke, dies wird auf Sardinien ebenso sein. Wir konnten uns mit einem 1,5-tägigen Test sehr sinnvoll auf die Veranstaltung vorbereiten. Die Strecke, die M-Sport ausgewählt hatte, war eher eng und langsam. Genau unter diesen Bedingungen müssen wir uns weiter verbessern und lernen, jeden Zentimeter der Straßen zu unserem Vorteil auszunutzen. Zugleich ist es wichtig, jeden großen Stein genau im Aufschrieb zu vermerken, um Beschädigungen des Ford Fiesta WRC zu vermeiden. Und was mir noch aufgefallen ist: die große Hitze. Für gewöhnlich trinke ich bei einem WM-Lauf gut drei Liter pro Tag. Auf Sardinien werden es wohl mehr als fünf Liter sein.»