M-Sport Ford für die Herausforderung in Chile bereit
Die FIA Rallye-Weltmeisterschaft betritt Neuland. Erstmals überhaupt gastiert die Königsklasse des Rallye-Sports in der kommenden Woche in Chile. Mittendrin: das Team von M-Sport Ford. Die Mannschaft schickt zwei Fiesta WRC ins Rennen. Die beiden rund 380 PS starken Allradler werden pilotiert von Elfyn Evans und Beifahrer Scott Martin sowie Teemu Suninen/Marko Salminen.
Im Anschluss an die WM-Rallye Argentinien vor einer Woche blieben die von EcoBoost-Vierzylindern befeuerten Ford Fiesta WRC gleich vor Ort in Südamerika. Die Crew nutzte die Zeit, um die Boliden für die bevorstehende Rallye Chile vorzubereiten. Neben den üblichen Service- und Wartungsarbeiten stand unter anderem der Einbau neuer Fahrwerks- und Antriebskomponenten auf dem Programm. Beim Auto von Elfyn Evans - das in der argentinischen Pampa bei einem Unfall beschädigt wurde - mussten die Mechaniker zudem die komplette Rohkarosse reparieren.
Am Mittwochabend gingen die beiden Ford Fiesta WRC, die auf dem in Köln-Niehl vom Band laufenden Kleinwagen basieren, dann per Lkw auf die Reise nach Chile. Dabei führte die Route den Truck-Konvoi von M-Sport unter anderem durch die Anden. Unterdessen nutzten die übrigen Team-Mitglieder die Gelegenheit für eine zweitägige Auszeit der besonderen Art: Die Truppe wechselte von vier auf zwei Räder und fuhr mit Mountainbikes über «El Condor» - eine der ikonischsten Wertungsprüfungen (WP) der Rallye-WM.
«Dass wir zwischen zwei WM-Läufen innerhalb von 14 Tagen mal zwei Tage frei haben, kommt selten vor. Hier mit unserer kleinen Südamerika-Tournee ließ sich das jedoch einrichten und wir haben etwas unternommen, das alle begeistert hat: eine Mountainbike-Tour über die berühmte WP 'El Condor'», berichtet Teamchef Richard Millener. «Viele Team-Mitglieder waren noch nie draußen auf der Prüfung. Dass sie diese legendäre Strecke und die grandiose argentinische Berglandschaft erleben durften, war ein Highlight für unsere Jungs. Trotz einiger Ausrutscher gab es keine nennenswerten Verletzungen. Wir sind bereit für die Rallye Chile», so der Teamchef weiterr.»
«Ich glaube, jeder blickt dieser Rallye sehr gespannt entgegen. Die Crews müssen komplett neue Gebetbücher erstellen. Elfyn Evans und Scott Martin haben diese Aufgabe zuletzt auf Korsika exzellent gelöst. Dass hier niemand einen Erfahrungsvorsprung besitzt, kann auch Teemu Suninen und Marko Salminen in die Karten spielen», schätzt Millener. «Die Vorbereitung der Autos verlief problemlos und beide Fiesta WRC sind jetzt auf dem Weg nach Chile. Bei der Reparatur von Elfyns Unfallwagen haben unsere Mechaniker fantastische Arbeit geleistet, obwohl sie auf eine normale Werkstatt verzichten mussten. Die Ingenieure sehen sich die Wertungsprüfungen ab Sonntag an, um ein Gefühl für die Strecken und die besten Set-ups zu bekommen. Im Shakedown wissen wir dann erstmals, wo wir ungefähr stehen. Diese Trainings-WP scheint den Charakter der Rallye gut auf den Punkt zu bringen, deshalb wollen wir dort so viel wie möglich lernen, bevor es am Freitag dann richtig losgeht. Wir können diese neue Herausforderung kaum erwarten und wollen neue Fans für den Rallyesport begeistern.»
Rallye Chile stellt völlig neue Herausforderung dar
Die schmale, langgestreckte Republik an Südamerikas Westküste ist das 32. Land, das einen Lauf zur FIA Rallye-Weltmeisterschaft ausrichtet. In Chile treffen sowohl die Einsatzteams als auch die Crews im Cockpit auf ganz neue Herausforderungen. Dabei besitzen einige wenige Streckenabschnitte sogar so etwas wie eine WM-Tradition, denn sie waren Bestandteil der Codasur Rallye 1980. Einen eigenen WM-Lauf besaß Chile bislang nie.
Das bedeutet: Erstmals seit der Rallye Bulgarien 2010 starten die Crews mit einem weißen Blatt Papier - sie müssen einen komplett neuen Aufschrieb erstellen. Die Wertungsprüfungen in Chile werden gern mit denen in Wales, Portugal, Finnland und Neuseeland verglichen. Letztlich erhalten die Fahrzeugbesatzungen aber erst während der Besichtigung beim Erstellen der «Gebetsbücher» vor dem Beginn der Rallye ein klares Bild von der Streckencharakteristik.
Der 30-jährige Elfyn Evans dürfte sich auf den Wertungsprüfungen in Chile fast wie zu Hause fühlen, denn ihre Charakteristik ähnelt denen seiner Heim-Rallye in Großbritannien. Zudem gilt das Erstellen eines akkuraten Aufschriebs als eine der besonderen Stärken des Walisers. Auf Korsika beispielsweise, wo den WRC-Crews mehr als die Hälfte der Streckenführung zuvor unbekannt war, gehörte Evans mit Copilot Scott Martin zu den Schnellsten. Diese Fähigkeit könnte dem Duo auch in Südamerika zugute kommen.
«Wir alle betreten in Chile Neuland», unterstreicht Elfyn Evans. «Es kommt selten vor, dass wir völlig neue ,Pace Notes' erstellen müssen, aber ich freue mich auf diese Herausforderung. Das Team steht gleichzeitig vor einer immensen logistischen Aufgabe. Das gilt umso mehr, da jemand, dessen Name mir gerade nicht einfällt, das Auto beim vorigen WM-Lauf beschädigt hat ... Nein im Ernst: Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Mechanikern für ihren tollen Job beim Neuaufbau meines Autos. Ich hoffe, ich kann ihnen durch ein gutes Resultat in Chile etwas zurückgeben. Nach dem Videostudium sieht es tatsächlich so aus, als ob uns ähnliche Strecken wie in Wales erwarten - mittelschnell, breit, flüssig und technisch anspruchsvoll. Sie wirken richtig schön, aber wirklich beurteilen können wir das natürlich erst nach der Besichtigung. Bevor es losgeht, werden wir noch etwas Zeit mit unserem WRC2-Teamkollegen Pedro Heller in Santiago de Chile verbringen. Wir wandern in den Anden und fahren Mountainbike. Ich mag diese wunderschöne Landschaft und freue mich darauf, mehr über Land und Leute zu erfahren. Und hoffentlich kann uns Pedro als Lokalmatador auch ein paar Tipps zur Rallye geben.»
Alles auf Null
Dass alle WRC-Piloten in einer Woche bei Null starten, könnte sich für Teemu Suninen auszahlen: Gemeinsam mit seinem Beifahrer Marko Salminen bringt der 25-jährige Finne genügend natürlichen Speed mit, um für die eine oder andere Überraschung zu sorgen.
«Auf den Videos des Veranstalters sehen die Prüfungen der Rallye Chile ziemlich eben aus. Details der Strecken erkennen wir erst bei unserem Abfahren. Aber der Event sieht auf jeden Fall sehr interessant aus. Ich glaube, die Rallye wird mir gefallen, aber warten wir erst mal ab. Ich schätze, dass die Top-Drei der WM Wertung hier um die Spitze kämpfen werden, doch hinter ihnen kann viel passieren. Korsika hat gezeigt, wie schnell sich die Lage ändert, wenn alle dieselbe Ausgangsposition haben. Ich freue mich sehr auf das kommende Wochenende und möchte wieder mein Potenzial unter Beweis stellen.»