Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Technik-Serie: Jetzt mal ganz kühl bleiben

Von Mathias Brunner
So war das mal geplant: der Brabham BT46.

So war das mal geplant: der Brabham BT46.

Es schien mir eine gute Idee zu sein: Gordon Murray fällt mit seiner Oberflächenkühlung am Brabham auf die Nase.

Gut gemeint ist leider oft das Gegenteil von gut: Die Formel 1 gilt als Schmelztigel der hellen Köpfe, aber nicht jede Entwicklung ist bahnbrechend. Viele erwecken eher den Eindruck: Der Begriff Schnapsidee beschreibt sehr schön, wie die Inspiration zustande gekommen ist …
Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle waren ihrer Zeit voraus, andere kamen hingegen etwas zu spät, wieder andere scheiterten an Umständen, die von den Technikern nicht vorhergesagt werden konnten.
In einer kleinen Serie ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir Ihnen zwölf solcher Genie- oder anderer Streiche präsentieren. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir dabei möglicherweise einen Kniff kritisieren, den ein anderer Formel-1-Anhänger wunderbar findet. Wenn wir also etwas provozieren, dann immer auch mit Augenzwinkern und ohne bösen Willen.
Aus der Serie «Es schien mir eine gute Idee zu sein», präsentieren wir Ihnen heute:

Oberflächenkühlung

Mit Superlativen werfen die heutigen Medien so um sich wie Karnevalisten die Konfetti. Jeder Talentwettbewerbs-Krächzer ist da bereits ein Star, jeder Dschungel-Camp-Langweiler ebenso, jeder Seifenoper-Darsteller obendrein, und wer eine halbwegs vernünftige Idee vorbringt, ist schnell mal ein Genie.
Bei einigen Formel-1-Technikern gebrauchen wir den verbalen Ritterschlag gerne: Bei Lotus-Gründer Colin Chapman etwa oder beim besten Formel-1-Techniker der Gegenwart, Adrian Newey von Red Bull Racing. Und dann war da noch Gordon Murray. …
Der Südafrikaner wurde 1972 vom damaligen Brabham-Rennstallbesitzer Bernie Ecclestone zum Technischen Leiter ernannt. Murrays Autos verschmolzen immer eine wunderbare Linienführung mit Ideen, welche den Begriff Innovation auch wirklich verdienen.
Was freilich nicht heisst, dass alles funktionierte …
Der Brabham BT46 (B stand für Firmengründer Jack Brabham, das T für seinen langjährigen Designer Ron Tauranac) sollte die Antwort auf den ersten Flügelwagen von Lotus (Typ 78) werden. Murray stand dabei vor mehreren Problemen: Aufgrund des sehr breiten Zwölfzylinder-Motors von Alfa Romeo liessen sich nicht nach Herzenslust umgekehrte Flügelprofile in den Seitenkästen unterbringen, wie es Colin Chapman am Lotus vorgemacht hatte. Murray wusste auch: Trendsetter Chapman würde das Konzept beim neuen Modell 79 verfeinern. (Er sollte Recht behalten: Mario Andretti wurde im Lotus 79 Weltmeister.) Zudem verbrauchte der Alfa-Motor üppig Sprit, womit Murray gezwungen war, einen grösseren Benzintank einzubauen als die Konkurrenz.
Murray konterte mit zwei ungewöhnlichen Einfällen: eine war genial und wurde verboten (der sogenannte Staubsauger, mehr dazu am 3. Januar), eine war ein Fehlschlag und musste nicht verboten werden – die Oberflächenkühlung.
Bei der Präsentation des Brabham BT46 verblüffte der Wagen ohne konventionelle Wasserkühler. Sie wissen schon: Fahrtwind streicht durch stehend oder liegend angeordnete Elemente, das Wasser darin wird gekühlt und zum Motor oder Getriebe zurückgeleitet.
Nein, stattdessen wies der Brabham Wärmetausch-Platten auf – ein Konzept aus der Aviatik (Wasserflugzeuge der 20er Jahre), von Weltrekord-Fahrer Sir Malcolm Campbell für seinen legendären «Bluebird» 1928 aufgegriffen. Es hatte jedoch schon seine Gründe gehabt, warum Haudegen Campbells nächster Weltrekordler 1929 wieder normale Kühler aufwies …
Die Oberflächenkühlung erlaubte es Murray, einen aerodynamisch überaus effizienten Wagen auf die Räder zu stellen. Leider zeigten erste Testfahrten im winterlichen England: Das Auto überhitzte masslos. Was zur Frage führte: Wenn dem Fahrzeug schon im bitterkalten Grossbritannien zu warm wird, was passiert dann erst in der Hitze von Argentinien und Brasilien?
In aller Eile musste ein herkömmlicher Kühler gebaut werden, der nicht nur Gewicht auf die Vorderachse packte, sondern auch die aerodynamische Effizienz beeinträchtigte.
Merke: Auch Ideen eines Genies sind nicht immer genial.

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