Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Technik-Serie: Der Holzweg namens Gasturbine

Von Mathias Brunner
Ein seltenes Bild: So sah die Gasturbine im Lotus 56B aus

Ein seltenes Bild: So sah die Gasturbine im Lotus 56B aus

Es schien mir eine gute Idee zu sein: Wieso der Gasturbinen-Lotus fast einen Grand Prix gewonnen hätte.

Gut gemeint ist leider oft das Gegenteil von gut: Die Formel 1 gilt als Schmelztigel der hellen Köpfe, aber nicht jede Entwicklung ist bahnbrechend. Viele erwecken eher den Eindruck: Der Begriff Schnapsidee beschreibt sehr schön, wie die Inspiration zustande gekommen ist …
Das Leben ist nicht immer fair: Einige Einfälle waren ihrer Zeit voraus, andere kamen hingegen etwas zu spät, wieder andere scheiterten an Umständen, die von den Technikern nicht vorhergesagt werden konnten.
In einer kleinen Serie ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchten wir Ihnen zwölf solcher Genie- oder anderer Streiche präsentieren. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir dabei möglicherweise einen Kniff kritisieren, den ein anderer Formel-1-Anhänger wunderbar findet. Wenn wir also etwas provozieren, dann immer auch mit Augenzwinkern und ohne bösen Willen.
Aus der Serie «Es schien mir eine gute Idee zu sein», präsentieren wir Ihnen heute:

Gasturbinen

Nicht immer ist die Formel 1 der Trendsetter: Eine Gasturbine in einem Rennwagen, das gab es schon 1955. Allerdings bestritt dieses Fahrzeug nie ein Rennen – es handelte sich um eine Fingerübung von Ingenieuren der US Air Force, die eine Boeing-Turbine in ein Chassis zimmerten, das ihnen von der Reifenfirma Firestone zur Verfügung gestellt worden war.
Der erste ernstzunehmende Turbinen-Renner entsprang einer Zusammenarbeit zwischen Rover und dem Formel-1-Team BRM. Das Ergebnis war ein Sportwagen, der unter Graham Hill und Richie Ginther am 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1963 teilnahm. Hätte man ihn unter den Benzinern gewertet, wäre der Renner immerhin Achter geworden. 1965 wurde eine weiterentwickelte Version Gesamt-Zehnter.
Nach dem Zwischenspiel Howmet (US-Sportwagen) und dem legendären Turbinen-Renner STP-Paxton ST6 beim Indy 500 (Parnelli Jones haushoch überlegen in Führung, aber kurz vor Schluss ausgefallen) kommen wir zu Innovator Colin Chapman (wem sonst?).
Der Lotus-Gründer hatte für Andy Granatellis STP-Team den 1968er Indy-Keil namens Typ 56 gebaut, doch auch dieses Mal ging die Turbine leer aus: Unfall von Graham Hill, technische Defekte von Art Pollard und Joe Leonard. Leonard hatte geführt …
Nun wollte Chapman die Pratt & Whitney-Turbine in der Formel 1 ausprobieren.
Das Modell 56B wurde 1971 von drei Fahrern in drei verschiedenen WM-Läufen ausgeführt – von Dave Walker in Holland, von Reine Wisell in England, von Emerson Fittipaldi in Italien.
Die beiden grössten Probleme des Fahrzeugs: Es war zu schwer, denn es war auch mit Allrad-Antrieb ausgerüstet, und die Turbine sprach zu wenig spontan an.
In Zandvoort hätte der Australier Walker Rennhistorie schreiben können: Auf nasser Bahn überholte er dank des Allrad-Antriebs in den ersten fünf Runden zwölf Gegner, dann rutschte er leider von der Bahn.
Emerson Fittipaldi brachte in Monza den Wagen als Einziger ins Ziel, auf Rang 8.
Heute ist eine Gasturbine vom Reglement her nicht mehr als F1-Antriebsquelle erlaubt.

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