Formel 1: Abschied in der Unterhose

Wilder Chaosritt durch die Nacht: Neuauflage 2019?

Von Andreas Reiners
Gibt es 2019 wieder Nachtrennen?

Gibt es 2019 wieder Nachtrennen?

In Misano fanden die ersten beiden Nachtrennen der DTM-Geschichte statt, dank des Wetters sorgten sie für beste Unterhaltung. Es ist allerdings noch offen, ob es 2019 eine Neuauflage geben wird.

Die Bilder waren beeindruckend. Die DTM an der italienischen Adriaküste, unter Flutlicht. Die Rennen chaotisch, unterhaltsam, spannend, teilweise eine Lotterie. Was natürlich am Regen lag, an den widrigen und wechselnden Bedingungen.

Oder den ungewohnten Lichtverhältnissen. Und auch daran, dass es keine Track Limits gab. Auf die hatte die DTM verzichtet, weshalb die Fahrer teilweise wilde und weite Linien fuhren.

Das trifft nicht jedermanns Geschmack, einige Fahrer störte das nachdrücklich, andere gar nicht. Fakt ist: Die Formel 3 warf im Rahmenprogramm mit Verwarnungen und Strafen nur so um sich, da standen Startaufstellungen und Ergebnisse erst mitten in der Nacht fest. Im Grunde haben die fehlenden Track Limits das Salz in der Suppe gebracht. Unkonventionell, anders, hier und da vielleicht auch grenzwertig. Aber eben auch für alle gleich.

Unter dem Strich waren die Fahrer begeistert vom Ausflug in die Nacht von Misano, vom ersten Lauf auf nasser, aber abtrocknender Strecke. Und durchaus fasziniert auch vom zweiten Rennen, das im Regen komplett in einem wilden Chaos endete.

«Überhaupt das Licht an?»

«Im ersten Rennen habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt das Licht angeschaltet habe. Es war brutal dunkel», sagte Meister René Rast SPEEDWEEK.com: «Der Asphalt ist dunkel, wenn es geregnet hat. Und wenn dann vor dir alles blinkt mit den Regenlichtern und den Scheinwerfern: Das war schon nicht einfach. Als die Strecke abtrocknete, musstest du raten, wo die trockenen Stellen waren. Damit muss man umgehen, aber es war sicher nicht ohne Risiko.» Nach dem Chaosrennen am Sonntag sagte Rast, es sei das «verrückteste und emotionalste DTM-Rennen, das ich je bestritten habe».

Lucas Auer fand es «sehr cool und aufregend. Es ist das Coolste für den Kalender und die Fahrer. Du gehst nur nach Gefühl, nicht mehr nach Auge. Das war sehr hart.» Timo Glock meinte: «Die eine oder andere Ecke ist dunkler. Speziell auch am Start das Einschätzen der Abstände war schwierig. Es macht schon Spaß, aber die schnellen Ecken, wenn du zu zweit in die Kurven einbiegst, ist nicht ohne, aber vertretbar», so der BMW-Pilot. Ebenfalls knifflig: «Man sieht den Lichtkegel, aber ist das Auto hinter dir drei oder zehn Meter weg? Und man weiß nicht, wer genau hinter dir ist.»

Fahrer und Teams nahmen für die Rennpremiere unter Flutlicht auch den ungewohnten Zeitplan in Kauf. Sessions, die statt am Morgen erst am Nachmittag begannen, die Rennen liefen schließlich erst ab 22.30 Uhr. «Es ist eine Herausforderung. Es ist, also ob man in einer anderen Zeitzone ist. Das ist es auf jeden Fall wert. Einmal im Jahr kann man das schon machen», sagte Audi-Motorsportchef Dieter Gass, der wie sein BMW-Kollege Jens Marquardt anmerkte, dass man die Startzeit möglicherweise um eine Stunde vorziehen könnte, also um 21.30 Uhr beginnt.

Gibt es 2019 also eine Neuauflage? Kommen die Nachtrennen wieder in den Kalender? In Misano? Oder womöglich woanders? «Es war so, wie Rennsport sein muss. Die Nachtrennen waren spektakulär gut. Es würde gut reinpassen. Aber es ist total offen«, sagte DTM-Chef Gerhard Berger SPEEDWEEK.com.

Denn es kommen dann doch ein paar Probleme zusammen. Am Samstag dürften es höchstens rund 5000 Zuschauer gewesen sein, die sich das erste Rennen anschauten, daneben auch das Konzert der italienischen Rockröhre Gianna Nannini. Das unerwartet schlechte Wetter am Sonntag hat dann viele Besucher abgehalten, dafür allerdings auch erst die Action möglich gemacht. Dafür flog die DTM am Abend aus dem Sat.1-Programm, der Wechsel zu kabel eins stand lange fest, schmeckt Berger aber natürlich nicht wirklich.

Für den Besuch getrommelt

Die DTM hatte im Vorfeld vor Ort für den Besuch getrommelt, Gaststarter Alex Zanardi war sowohl Lokalmatador als auch Zugpferd. Am Freitagabend setzte sich dann noch ein Korso mit den DTM-Fahrzeugen von Audi, BMW und Mercedes in Richtung Riccione in Bewegung. In dem Urlaubsort machte die DTM nochmal Werbung für ihr Gastspiel. Trotzdem zu wenig? Immerhin: Man konnte nicht wie früher in Italien jeden Zuschauer einzeln mit Handschlag begrüßen. Doch es war klar, dass es kein Selbstläufer werden würde. Die Fanbasis muss man erst zurückgewinnen oder ganz neu aufbauen. Ein italienischer Hersteller würde da enorm helfen, doch um Maserati wurde es zuletzt sehr ruhig, nachdem Berger die Marke als Gesprächspartner nannte.

Berger weiß, dass Besucherzahlen um rund 10.000 bei weitem nicht das sind, was man sich vorstellt. Keine Zahlen sind, mit denen man prahlen kann. Aber: «Wenn man neu in ein Land kommt und so lange nicht da war, muss man es noch mehr bewerben. Und ein, zwei Jahre Geduld haben, bis es sich etabliert. Dann glaube ich schon, dass es der richtige Platz sein kann. Und wenn man so Rennen produziert, wird sich das rumsprechen.»

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