Max Mosley und die Schnapsidee der Rillenreifen
In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Luca Scherrer aus Olten wissen: «Die FIA führt zur Saison 2017 wieder breitere Reifen ein – sehr zur Erleichterung vieler Fans, darunter meine Wenigkeit. Wir haben vor kurzem über die Formel-1-Reifen diskutiert, und es kam die Frage auf: Was war vor Jahren der Hintergrund, nicht mehr mit profillosen Walzen, also Slicks zu fahren, sondern mit diesen merkwürdigen Rillenreifen?»
Dazu zunächst ein kleiner Rückblick: Die ersten Rennreifen waren gar keine – gerannt wurde meist mit Serienprodukten, also mit profilierten Reifen. Später gingen Reifenfirmen dazu über, besonderes Rennreifen zu bauen. Die ersten profillosen Reifen wurden an Weltrekord-Fahrzeugen verwendet, in den 50er Jahren verblüffte die Firma M&H mit profillosen Reifen für den Dragster-Sport.
Der Hintergrund war logisch: Mehr Gummi auf dem Asphalt bedeutet mehr Kontaktfläche, also auch eine nachhaltigere Verzahnung mit der Pistenoberfläche.
In der Formel 1 machte Firestone 1971 die profillosen Walzen salonfähig. Die Reifen wurden immer fetter, die Haftung erreichte kritische Werte. Also begann der Automobil-Verband zu reagieren.
Und genau dies war auch der Grund, wieso 1998 in der Formel 1 eingeführt wurde, was Traditionalisten für die folgenden Jahre ein Dorn im Auge sein sollte: Trockenwetter-Reifen mit Längsrillen und fragwürdiger Ästhetik.
Der damalige FIA-Chef Max Mosley fand, die Kurvengeschwindigkeiten seien zu hoch geworden. Das einfachste Mittel: Rillen in den Reifen schnitzen.
Leider stiegen die Rundenzeiten nicht an wie beabsichtigt. Denn Rillenreifen produzieren weniger Rollwiderstand, und die Autos – mit schmaleren Chassis, um dem neuen Reglement Genüge zu tun – waren überdies windschlüpfiger geworden.
Mosley setzte für 1999 eine zusätzliche Rille durch …
Die Ära der Rillenreifen dauerte bis Ende 2008. Die Kurvengeschwindigkeiten sanken wirklich, leider stieg aber auch die Topspeed. Ob das unterm Strich der Sicherheit wirklich zuträglich war?
In Wahrheit zwangen die Rillenreifen die Techniker vor allem, sich noch mehr auf die Aerodynamik zu verlassen. Die Rückkehr zu Slicks anfangs 2009 sollte daher die Balance weg vom aerodynamischen wieder zu mehr mechanischem Grip verschieben, um den Fahrern das Angreifen eines Gegners zu erleichtern.
Erleichtert waren auch die Fans: Die ungeliebten Rillen waren endlich wieder weg.
Das gleiche Argument wird nun verbreitet, wenn es um die Einführung breiterer Walzen für 2017 geht – mehr mechanischer Grip, zudem sollen die Autos aggressiver aussehen.
Die Mailänder Vorderreifen verbreitern sich von 245 auf 305 Millimeter, die Hinterreifen werden von 325 auf 405 Millimeter aufgestockt. Die neuen Grössen der Slicks betragen somit 305/670 13 für die Vorderreifen und 405/670 13 für die Hinterreifen. Der Gesamtdurchmesser erhöht sich von aktuell 660mm auf 670mm. Der Felgendurchmesser der Reifen bleibt jedoch auf Wunsch der Teams unverändert bei 13 Zoll.
Die neuen Vorderreifen sind somit mehr als sechs Zentimeter breiter als die aktuellen Slicks, bei den Hinterreifen beträgt der Zuwachs mehr als acht Zentimeter. Das bedeutet, die Reifen der Saison 2017 sind 25 Prozent breiter als die derzeit eingesetzten Walzen. Das gilt für die Slicks, die Intermediates und die Regenreifen gleichermassen – die gewohnten Reifenmischungen werden mit den gleichen Farben wie gewohnt gekennzeichnet. Also violett für die ultraweiche Mischung, rot für die superweiche, gelb für die weiche, weiss für die mittelharte und orange für die harte Mischung, dazu grün für die Intermediate-Reifen für Mischverhältnisse und blau für Regenreifen.