Formel 1-Sommerpause: Ist die FIA vielleicht naiv?
Ruhige Tage bei Red Bull Racing in Milton Keynes
In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Hanspeter Zeller aus Mägenwil wissen: «Wir haben doch offiziell Formel-1-Sommerpause, und ich glaube, die Rennställe dürfen in dieser Zeit nicht an den Autos arbeiten. Wie genau ist definiert, was die Teams machen dürfen und was eben nicht? Und wer überprüft das eigentlich? Ist die FIA da nicht vielleicht ein wenig naiv?»
Das haben wir im Verlaufe des Ungarn-GP-Wochenendes ein paar Mal gehört: Die Formel 1 gehe nun in die wohlverdiente Sommerpause. Das klingt nach Füsse ausstrecken am Strand, fröhlich kreischenden Kindern und einem guten Glas Rotwein bei einem leckeren Abendessen, im Hintergrund versinkt die Sonne im Meer. Wer nun jedoch glaubt, dass nur noch die Hausmeister des Nachts durch die Formel-1-Werke streifen, der irrt sich gewaltig.
Wieso wurden eigentlich vierzehn Tage Pause im Reglement verankert? Viele Mitarbeiter der Rennställe haben Familie, alle arbeiten während einer GP-Saison bei 20 Rennen an der Belastungsgrenze – zwei Wochen Ferien sind dringend notwendig. Vor Jahren hat die damalige FOTA (Formula One Team Association) eine Selbstbeschränkung eingeführt, die Werke machten so gut wie dicht, 2014 wurde die Sommerpause erstmals im Sportreglement der Formel 1 verankert.
Was also ist in diesen zwei Wochen zwischen Ungarn Ende Juli und Belgien Ende August erlaubt, was nicht? Vereinfacht formuliert: Alles, was mit dem Einsatz eines Rennwagens oder dessen Leistungsfähigkeit zu tun hat, ist untersagt.
Es werden keine Teile hergestellt, auch nicht bei Drittfirmen. Es dürfen keine Autos aufgebaut werden. Es gibt keine Windkanalarbeiten für diesjährige oder künftige Rennautos, die Computer für Flussberechnungen haben aufgehört zu surren. Das Management darf keine Arbeiten vornehmen, was den Einsatz des Teams am Rennort betrifft, wie etwa Flug- oder Hotelbuchungen.
Und was ist erlaubt? Fremdaufträge von Kunden im eigenen Windkanal sind gestattet. An der Infrastruktur darf ebenfalls gearbeitet werden – an Gebäuden oder im Bereich IT, auch am Windkanal.
Gemäss Reglement ist also ziemlich klar, was getan werden darf und was nicht. Die logische Folgefrage muss nun sein: Wer kontrolliert das eigentlich? Wir haben bei der FIA nachgehakt. Ein ranghoher Funkionär sagt: «Niemand. Es gibt keine Stichproben, es gibt keine Einsicht ins Werk. Wir müssen darauf vertrauen, dass sich die Teamchefs als Verantwortliche ans Reglement halten.»
Wir haben uns auch bei den Teams umgehört. Der Tenor: Eine Kontrolle ist ein Ding der Unmöglichkeit. Und: Es ist fraglich, ob sich alle wirklich daran halten. Es ist auffällig, dass im Laufe der vergangenen Jahre das eine oder andere Team nicht eben schwächer aus der Sommerpause zurückgekommen ist. Das nährt bei den Gegnern den Verdacht – stand dort die Arbeit wirklich still?
Ein langjähriger Formel-1-Insider warnt: «Natürlich habe auch ich meine Zweifel, dass sich alle an die Sommerpause halten. Selbst wenn es Stichproben im Werk gäbe – wer will denn kontrollieren, was Mitarbeiter zuhause machen? Aber hier zu tricksen, birgt grosse Risiken, so dass man sich das wirklich gut überlegen sollte. Die grösste Gefahr, erwischt zu werden, sind für mich die so genannten Whistleblower: Zwischen den Rennställen kommt es jeweils zu zahlreichen Wechseln beim Personal, und da kann es leicht mal einen Mitarbeiter geben, der die Firma im Groll verlässt und sein früheres Team verpfeifen könnte. Oder es könnte ein Leck bei Drittfirmen entstehen, bei Unternehmen also, die für verschiedene Rennställe arbeiten. Erwischt zu werden, wäre für die ganze Formel 1 und ganz besonders fürs betreffende Team überaus peinlich. Potenzielle Whistleblower sind für die FIA die beste Versicherung, dass sich die Rennställe an die Vorschriften halten.»