Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

413,205 km/h: Das ist der schnellste Formel-1-Wagen

Von Mathias Brunner
​Immer wieder wird am Stammtisch diskutiert: Wie schnell könnte ein Formel-1-Renner wirklich fahren? Das wollten vor dreizehn Jahren auch die Techniker eines englischen Grand-Prix-Rennstalls herausfinden.

Es klang wie Werbesprüche, was sich die Macher des ersten Strassen-GP von Baku (Aserbaidschan) 2016 einfallen liessen: Das Motto des neuen Rennens? The speed is higher in the land of fire ...

Aber auf Worte folgten Taten: Williams erreichte mit dem Auto von Valtteri Bottas im freien Training einen neuen Speed-Rekord für die Formel 1 – Valtteri Bottas zischte mit 378 km/h durch Baku!

Wo lag das gemessen an den bisherigen Speed-Rekorden?

2004 erreichte der Williams-BMW von Antonio Pizzonia im Monza-GP 2004 369,9 km/h. 2005 verbesserte Kimi Räikkönen diesen Wert beim Traditionsrennen im Parco di Monza – 370,1 km/h im McLaren-Mercedes. Noch schneller ging es bei den Monza-Tests mit McLaren-Fahrer Juan-Pablo Montoya: 372,6 km/h, doch dies basierte auf einer Team-Messung. Welcher Wert nun zählt, war danach unter den Formel-1-Fans Anlass zu hitzigen Diskussionen und bleibt letztlich Ansichtssache.

Die Wahrheit ist: Der schnellste Formel-1-Renner von allen ist nie auf einer GP-Rennstrecke angetreten!

Die Techniker von BAR-Honda waren vor dreizehn Jahren neugierig, ob sich mit einem mehr oder weniger normalen Formel-1-Renner die 400-km/h-Marke knacken lässt.

Es handelte sich um ein Chassis des Typs 007, mit dem Jenson Button und Takuma Sato in der GP-Saison 2005 gefahren waren. Button wurde damit in Deutschland und Belgien jeweils Dritter.

Der damalige BAR-Testfahrer Alan van der Merwe, seit vielen Jahren Fahrer des Medica-Cars in der Formel 1: «Als die Marketing-Abteilung vom Projekt 400 sprach, war unsere erste Reaktion – das ist nicht möglich. Sie meinten: „Wir brauchen nur mehr Motorleistung.“ Aber so einfach ist das nicht.»

«Die regulären Speed-Fahrer haben uns ausgelacht, als wir in den USA angekommen sind. Sie sind es gewohnt, mit schweren Autos und reichlich Power anzutreten, und da kamen wir mit diesem vergleichsweise filigranen Fahrzeug. Zunächst kamen wir nicht mal über den ersten Gang hinaus! Die Räder drehten auf dem Salz zu stark durch, und die elektronische Steuereinheit riegelte ab.»

«Wir haben den Wagen dann umgebaut und auch mit einer Finne versehen, für mehr Stabilität bei Highspeed. Wir haben auf dem Luftwaffenstützpunkt von Lyneham in England einen Test gefahren. Mein Techniker meinte, ich solle ungefähr 280 Sachen fahren. Ich beschleunigte auf gefühlte 280, kam zurück, und meine Leute meinten, ich sei 360 gefahren! Das lag an der komplett anderen Getriebeübersetzung und am fehlenden Abtrieb.»

«Die Erfahrung in Bonneville war merkwürdig. Du bist auf dieser riesigen weissen Fläche und hast keine Anhaltspunkte. Ich meine, die Rekordbahn ist 200 Meter breit und gute 17 Kilometer lang. Du weisst nur, dass du schnell bist, weil dein Helm herumgeworfen wird und der Motor auf Hochtouren brüllt. Wir brauchten fünf Meilen, nur um auf Speed zu kommen. Um offiziell beglaubigt zu werden, verlangt die FIA zwei Läufe auf der gleichen Strecke – einmal hin, einmal zurück. Dies, um Vorteile wegen Rückenwinds auszugleichen. Wir erreichten zwar einmal 400,454 km/h, konnten das aber auf dem Rückweg nicht wiederholen, so dass wir auf einen Schnitt von 397,36 kamen. Ziel verpasst.»

Bei Tests in der Mojawe-Wüste erreichte van der Merwe 413,205 km/h, aber dort wurde nicht in zwei Richtungen gefahren.

Letztlich steht der Formel-1-Rekord also offiziell bei 397,36 km/h.

Van der Merwe: «Wir waren bis zu 60 Leute, die zwei Jahre an diesem Projekt gearbeitet haben. Die meisten Salzspezialisten arbeiten mit einer Handvoll Kumpels. Das war ein einmaliges Projekt, das meinen Respekt für die Rekordfahrer von Bonneville vervielfacht hat. Die meisten von uns verstehen diese Bastler nicht, die im Hinterhof 2000-PS-Autos zusammenzimmern. Ich habe erlebt, mit welcher Hingabe sie arbeiten, und ich kann verstehen, dass du rekordsüchtig wirst.»

Mit neuen Formel-1-Rekorden ist so bald nicht zu rechnen: Seit 2017 haben wir eine neue Formel 1 mit höherem Abtrieb und fetteren Reifen. Das hat den Luftwiderstand erhöht und die Spitzentempi gesenkt. Höchste Top-Speed in der Saison 2017: Sebastian Vettel in Mexiko, mit 362,4 km/h.

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