Moneytron-Chef Jean-Pierre Van Rossem verstorben
Jean-Pierre Van Rossem ist tot, einer der umstrittensten und ungewöhnlichsten Teambesitzer der Formel-1-Historie. Der Belgier, gelernter Wirtschafts-Wissenschaftler, entwickelte das so genannte Moneytron-System, mit welcher er Entwicklungen auf dem Aktienmarkt vorausberechnen konnte (behauptete er jedenfalls). Van Rossem, der sich gerne selber als Anarchist bezeichnete, war auch Kapitalist: Er häufte mit Moneytron ein Vermögen von angeblich 800 Millionen Dollar an, weil er durch seine charismatische Art und enormen Rendite-Versprechen zahlreiche Investoren fand. 1989 war er Hauptsponsor, später Mitbesitzer des Onyx-Rennstalls, das in seinen Farben antrat, das Team belegte in der Formel-1-WM 1989 den zehnten Schlussrang mit den Piloten Stefan Johansson, Bertrand Gachot und JJ Lehto. Nicht übel, wenn wir daran denken, dass damals 21 Rennställe antraten!
Kettenraucher Van Rossem schmiss in der Formel 1 mit dem Geld nur so um sich, wie ich beobachten konnte. Er liess sich schon mal mit der Stretch-Limo bis in die Boxengasse chauffieren, gegen ihn war Kai Ebel in Sachen Bekleidung ein Waisenknabe. Da konnte schon mal Smokinghose mit Rennfahrerschuhen kombiniert werden. Eines Nachts erwachte ich in meinem Hotel in Phoenix wegen eines Höllenlärms im Stockwerk weiter oben, Musik, Schreie, das ganze Programm. Ich rief an der Rezeption an. Auskunft: «Herr Van Rossem feiert eine Party und will nicht gestört werden.» Ich glaube nicht, dass meine Beschwerde weitergereicht wurde – er hatte ein ganzes Stockwerk gemietet, ich nur ein Zimmer.
Die scheinbar endlosen Gewinne von Moneytron interessierten bald die Steuerbehörden und die Gerichte. Van Rossem wurde Politiker, um sich Immunität zu sichern, 1991 schaffte er es mit der Partei ROSSEM tatsächlich ins belgische Unterhaus. Er wurde trotzdem wegen Betrugs zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Er schrieb eine Autobiographie, die zum Bestseller wurde, und ein weiteres Werk, das sich die warm Semmeln verkaufte, obschon das Thema eher ungewöhnlich war: Es war ein Bordell-Führer.
Van Rossem pflegte mit zwei Frauen zu reisen. Die eine war seine Gattin Nicole Annys, die 1989 verstarb und die Van Rossem – unbestätigten Gerüchten zufolge – einfrieren liess, um sie später zum Leben zu erwecken, wenn ihre Krankheit geheilt werden kann. Van Rossem heiratete daraufhin seine Freundin Rachida Bettar. In seinem Buch beschrieb Van Rossem sein Leben als «eher hektisch».
Onyx-Chef Mike Earle sagte über Van Rossem: «Ein unfassbarer Exzentriker, mit einem riesigen Herzen für den Rennsport. Die Extravaganz in Person, völlig unberechenbar, aber ohne jeden Zweifel blitzgescheit.»
Als Van Rossem es nicht schaffte, Porsche von einer Partnerschaft für 1990 zu überzeugen, verliess er Knall auf Fall die Formel 1. Das GP-Team verkaufte er an den Schweizer Autobauer Peter Monteverdi.
Noch im vergangenen Monat musste sich Van Rossem wegen Steuervergehen verantworten, schon schwer krank, er sollte zwei weitere Jahre absitzen. Sein Herz hörte am 13. Dezember auf zu schlagen, am 14. Dezember wurde sein Tod bestätigt.