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Trauer in Deutschland: Hubert Hahne ist verstorben

Von Mathias Brunner
​Ein weiterer Grosser des deutschen Rennsports hat uns verlassen: Im Alter von 84 Jahren ist in einem Pflegeheim in Düsseldorf der frühere Tourenwagen- und Grand-Prix-Pilot Hubert Hahne verstorben.

Hubert Hahne ist tot. Sein langjähriger Wegbegleiter, mein geschätzter Kollege Rainer Braun, schreibt auf Facebook: «Am 24. April ist ist Hubert Hahne in einem Pflegeheim in Düsseldorf gestorben, kurz nach seinem 84. Geburtstag. Hubert hat eine historische Marke am Nürburgring gesetzt, als er 1966 im BMW 2000 Ti als erster Pilot der Geschichte mit 9:58,6 Minuten die 10-Minuten-Schallmauer für Tourenwagen geknackt hat. Ich hatte damals die Ehre, als junger Streckensprecher die Fabelzeit dem spontan Beifall klatschenden Publikum zu verkünden. Zu dieser Zeit war Hubert der unbestritten schnellste Tourenwagen-Pilot der Welt, keiner trieb den BMW so quer um den Ring wie er. Vorher als BMW-Werksfahrer schon Tourenwagen-Europameister, wechselte er später in die Formel 2 und wurde mit BMW Vize-Europameister.»

«Obwohl sein weiteres Leben nicht immer glanzvoll verlief, werden wir ihn als einen Tourenwagen-Giganten und einen der grössten Querfahrer mit Showmaster-Qualitäten und seinem berühmten Filmstarlächeln in Erinnerung behalten. Ruhe in Frieden, Hubert, es war schön, deine Rennen kommentiert zu haben.»

Hubert Hahne, geboren am 28. März in Moers, absolvierte nach der Schulzeit eine kaufmännische Lehre. Er arbeitete im elterlichen Tabakwagengrosshandel. Die Traberzucht seines Vaters erzeugte eine tiefe Liebe zu einem PS, aber ebenso grosse Leidenschaft entstand für mehr Pferdestärken. Hahne begann als 23-Jähriger eine Lehre als Kfz-Mechaniker, später machte er sich als BMW-Händler selbständig. Der Münchner Marke blieb er tief verbunden.

Im Alter von 25 Jahren sind heute einige Formel-1-Fahrer schon ausrangiert. Da begann Hubert Hahne erst seine Rennkarriere. Zusammen mit einem Kumpel bestritt er 1960 die Sechs Stunden auf dem Nürburgring (wir merken: es war noch nicht die Zeit der Kart-Kids). Es war eher ein Waagrechtstart: Wegen eines falschen Fahrerwechsels wurde die bis dahin gut platzierte Mannschaft aus der Wertung gekegelt.

1963 gewann Hahne den Europapokal für Tourenwagen, natürlich auf BMW. 1964 fuhr der in der DRM die Gegner in Grund und Boden – 14 Siege in 16 Rennen. 1966 war er Europameister und fuhr auf dem Nürburgring seine Fabelrunde. Mit Jacky Ickx triumphierte er bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps.

Wer so viel Talent besass, musste sich einfach im Einsitzer versuchen. Für Ken Tyrrell trat Hahne 1966 auf dem Nürburgring zum Grossen Preis von Deutschland an, in einem Formel-2-Matra. Damals wurde das Formel-1-Feld durch F2-Renner ergänzt. Ergebnis: Nur Jean-Pierre Beltoise war im F2-Auto schneller, Hahne wurde Neunter. Heute gäbe das Punkte.

1969 wurde Hahne im BMW Gesamtzweite der Formel-2-EM, hinter Johnny Servoz-Gavin. Für 1970 organisierte Hahne einen March 701 für den Grossen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring, und damit erzeugte er eine der skurrilsten Geschichten der Formel 1, wie Rainer Braun in seiner fabelhaften Reihe «Hallo Fahrerlager» beschrieben hat.

Das Wort hat ab jetzt Rainer Braun.

Hubert Hahne und der March: Krimi mit Happy-End

Freitag, 31. Juli 1970, erster Trainingstag für den Grand Prix von Deutschland. Nach dem Boykott der Nürburgring-Nordschleife ist die Formel 1 erstmals ins Hockenheimer Motodrom umgezogen. Rolf Stommelen (Brabham) als bislang einziger deutscher Starter bekommt Gesellschaft durch Landsmann Hubert Hahne (35). Für einen Kaufpreis von rund 160.000 DM hat sich der BMW-Formel-2-Pilot bei March den Traum vom eigenen Formel-1-Auto erfüllt. Der stolze Rennwagenbesitzer, seine Ehefrau Diana und der silbergrau lackierte March mit der Startnummer 26 sind begehrtes Objekt der Pressefotografen. Tags darauf ist der neue deutsche Formel-1-Zugang im Sportteil fast jeder Tageszeitung abgebildet. Allerdings bricht an diesem Samstag auch die heile Formel-1-Welt des deutschen Glamour-Paares zusammen.

Was die schönen Bilder nicht vermitteln, sagt die Zeitenliste beider Trainingstage umso deutlicher. Hahne und sein March sind nicht annähernd konkurrenzfähig, von einer Qualifikation ganz zu schweigen. Enttäuscht und wütend gibt der erfolgsverwöhnte Formel-2-Vize-Europameister vor der Presse zu Protokoll: «Statt eines vertraglich zugesicherten, startklaren Formel-1-Rennwagens hat mir March einen halben Schrotthaufen verkauft. Lenkung und Bremsen waren in so katastrophalem Zustand, dass ich auch bei erreichter Qualifikation nicht hätte starten können, zumal auch der Motor Unmengen von Öl verschlingt.» Damit ist das Kriegsbeil zwischen ihm und March ausgegraben und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Unter keinen Umständen will der Automobilkaufmann das missratene Gefährt behalten und bezichtigt den March-Rennstall noch in seiner Box in Hockenheim lauthals des Betrugs. Neben ihm bricht die Gemahlin, Schauspielerin Diana Körner, angesichts des sportlichen und finanziellen Desasters in Tränen aus. Zwischendurch verkündet sie den an der Hahne-Box herumlungernden Presseleuten trotzig: «Das lassen wir uns nicht bieten, wir sind betrogen worden.» Auf dem Rechtsweg möchte Hahne den Lieferanten zwingen, den Kauf rückgängig zu machen. «Ich will mein Geld zurück», sagt der vermeintlich Geprellte und lässt an March kaum noch ein gutes Haar.

March-Direktor Max Mosley sieht das Hahne-Kapitel freilich ganz anders. «Erstens schuldet Herr Hahne uns noch etwa 14.000 DM, und zweitens hat er die entstandene Situation durch verspätete Bezahlung des Motors selbst verursacht.» Überdies habe der Kunde, so führt Mosley weiter aus, bereits im Mai, zwei Wochen nach dem vereinbarten Liefertermin, den Kaufvertrag annullieren und die Anzahlung zurückhaben wollen. Das Ansinnen wird von den March-Kaufleuten kategorisch abgelehnt.

Schon bei der Übernahme des Streitobjekts am March-Firmensitz in Bicester montags vor dem Hockenheim-GP sieht der spätere FIA-Präsident das rein sportliche Debakel bereits voraus. «Man kann nicht acht Tage vor einem GP ein brandneues Auto abholen, einsteigen und losbrausen. Da muss vorher ordentlich getestet und das Auto abgestimmt werden. Ein Formel 1 ist nun mal kein VW, mit dem man durchstartet, ohne einen Finger zu rühren. Wir hätten ihm die Testfahrten ja abnehmen können, wenn er nur den Motor rechtzeitig bezahlt hätte.» Bis zum Eingang der 70.000 DM für das Cosworth-Triebwerk ruhten die Arbeiten am Auto nämlich. «Und am Ende wurde die Zeit knapp, was allein Herr Hahne zu verantworten hat.»

Mit dieser Argumentation will sich der so Gescholtene nicht zufriedengeben und beauftragt den Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Schill mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Der sorgt bald für einen ersten, skandalträchtigen Höhepunkt in der Streitsache Hahne gegen March, indem er einen vorübergehenden Beschlagnahme-Beschluss für den werkseigenen March-Transporter samt Inhalt erwirkt. Auf dem Rückweg vom GP Österreich zur Fähre nach England wird der Truck samt Inhalt am 19. August an der Grenze nach Belgien bei Aachen abgefangen und festgesetzt.

March-Mitinhaber Alan Rees bleibt zunächst nichts Anderes übrig, als die im Arrestbeschluss angesetzte Sicherheitsleistung von 132.500 DM zu beschaffen und beim Gerichtsvollzieher in Aachen zu hinterlegen, damit er seinen Transporter samt Rennwagen und Motoren erst mal wieder freibekommt. «Der Hahne ist im Rennsport erledigt», tobt derweil Max Mosley in England, ausser sich vor Zorn.

Es dauert nicht lange und der gewiefte March-Direktor macht nun seinem ungeliebten Kunden Hahne die Gegenrechnung auf. Der britische Rennstall fordert finanziellen Ersatz für den durch die Beschlagnahme erzwungenen Startverzicht beim Formel-1-Rennen Oulton Park, und zwar entgangenes Antritts- und Preisgeld. Dazu meldet March-Werkspilot Chris Amon ebenfalls Ansprüche an, weil er nicht starten und folglich nichts verdienen konnte. Ausserdem wird finanzieller Ausgleich für nutzlos verstrichene Tage im Hinblick auf die Vorbereitungen für den GP Italien in Monza geltend gemacht. In einem weiteren, abgetrennten Verfahren klagt March gegen «die abfälligen Äußerungen des Herrn Hahne über unsere Firma in der Tagespresse, was wir als schwere Geschäftsschädigung betrachten», wie Mosley ausführt.

Nachdem vor allem die rheinische Boulevardpresse den Streit immer wieder genüsslich aufgreift und fast täglich neue Details und Statements beider Seiten ausbreitet, ziehen die Anwälte die Notbremse und verpassen ihren Klienten jeweils einen Maulkorb. Etwa ab September 1970 wird es um die anhängigen Klagen verdächtig ruhig, weder Mosley noch Hahne äussern sich zum Stand der Dinge. In aller Stille findet der Fall dann doch noch zu einem für beide Seiten akzeptablen und unspektakulären Ende. Basis dafür ist ein Güte-Vorschlag von Mosley, das Streitobjekt von Ronnie Peterson in Silverstone auf Wettbewerbstauglichkeit testen zu lassen. Erreicht das Auto unter dem Top-Piloten Zeiten, die dem guten Durchschnitt des aktuellen Formel-1-Niveaus entsprechen, gilt das Auto nicht als Krücke und beide Seiten ziehen ihre Klagen zurück.

Es dauert nur wenige Runden und Peterson legt eine Serie sehr schneller Zeiten hin. Der ehemalige March-Chef erinnert sich auch heute noch sehr gut an den Testtag und teilt dazu auf Anfrage in einem Fax mit: «Als unser Kunde Hubert Hahne mit eigenen Augen sah, wie Ronnie die alte Woodcote-Kurve absolut voll fuhr, ist ihm wohl klar geworden, wo das Problem wirklich lag.» Nun ist der Fall endgültig aus den Schlagzeilen. Hahne selbst startet allerdings nicht mehr mit dem Formel-1-Renner, verleiht den silbergrauen March aber 1971 noch mindestens zweimal an den Franzosen Jarier, der damit im Oulton Park und beim GP von Italien in Monza ohne greifbaren Erfolg startet.

Den weiteren Weg des Hahne-March 701 kann Erwin Derichs aus Mayen, ehemaliger Chefmechaniker des Eifelland-F1-Teams, fast lückenlos nachzeichnen. Der heute 66-jährige Spezialist für Aufbau und Restauration historischer Rennautos war nämlich bis vor kurzem noch stolzer Besitzer des Ex-Hahne-March und hat damit jahrelang sehr erfolgreich historische Formel-1-Rennen bestritten. «Mit neuer Lackierung, weiss mit roten und blauen Streifen, wurde der March 701 zu einem der erfolgreichsten und zuverlässigsten Rennwagen im historischen Formel-1-Sport. Bei insgesamt 35 Starts bin ich 34 Mal ins Ziel gekommen und habe 1999 und 2000 jeweils den FIA-WM-Titel in der historischen Formel-1-Klasse A gewonnen.»

Soweit die Schilderung von Erwin Derichs, der sich 2007 von dem geschichtsträchtigen Ex-Hahne-March endgültig verabschiedet und ihn «mit gutem Gewinn» nach Österreich verkauft hat. Hubert Hahne hat seine Profi-Karriere Ende 1970 beendet und lebte lange in Italien. Sein ehemaliger Prozessgegner Max Mosley wurde 1991 zum Präsidenten des Weltverbands FIA gewählt und blieb 18 Jahre lang der mächtigste Motorsport-Funktionär.

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