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Lewis Hamilton, Stirling Moss: Flirten mit Ferrari

Von Mathias Brunner
​Am 12. April 2020 trauerte die Motorsportgemeinde um Stirling Moss. Fünf Jahre danach wird sein Landsmann Lewis Hamilton als Ferrari-Werksfahrer am Start stehen. Wieso hat das mit Moss nie geklappt?

Der unvergessene Ayrton Senna hat einmal gesagt: «Ich bin nicht der Ansicht, dass meine Formel-1-Karriere unerfüllt ist, wenn ich nicht für Ferrari gefahren bin.»

Aber er vertraute seinem innersten Zirkel auch an: «Ich will mit Williams Weltmeister werden – und dann meine Karriere bei Ferrari beenden.»

Viele Stars der Vollgasbranche sind für Ferrari angetreten. Aber einige der herausragendsten Piloten ihrer Epoche waren nie in einem Formel-1-Ferrari zu sehen: Jim Clark, Jackie Stewart, Ayrton Senna – und Stirling Moss, der heute vor vier Jahren verstorben ist, am 12. April 2020.

Nach der trauigen Nachricht aus England hat Piero Ferrari, Sohn des Firmengründers Enzo Ferrari, Moss so gewürdigt: «Stirling Moss symbolisierte Motorsport. Er war eine wahre Persönlichkeit, der in der Rennhistorie einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hat. Seine Vielseitigkeit bedeutete, dass er in ganz vielen verschiedenen Rennklassen siegfähig war, von der Formel 1 zum Sportwagen zu Langstreckenrennen. Er hat auch bei Straßenrennen wie der Mille Miglia unfassbare Leistungen gezeigt und Bestmarken für die Ewigkeit gesetzt.»

«Obschon Moss nie die Formel-1-Weltmeisterschaft gewonnen hat, ist er eine Legende, ein formidabler und furchterregender Gegner von Ferrari. Unsere Wege hätten sich vereinen sollen, aber leider kam sein schwerer Unfall von Goodwood 1962 dazwischen. Zu dieser Zeit fuhr er einen von uns vorbereiteten 250GT SWB bei Sportwagenrennen, in British Racing Green, und er hatte einen Vertrag mit uns. Das Schicksal wollte es anders. Mein Vater hat immer gesagt, Moss erinnere ihn an Tazio Nuvolari, weil man bei diesen Racern einfach gespürt habe, welch tiefe Liebe für den Motorsport sie antreibt, egal in welchem Wagen.»

Auch wenn der Vertrag zwischen Ferrari und Stirling Moss damals unterzeichnet war: Wieso fuhr der Engländer nicht schon viel früher für den berühmtesten Rennstall der Welt?

Moss wurde von Enzo Ferrari 1951 nach Bari eingeladen, da war Stirling 20 Jahre jung. Später hat Moss darüber in seinen zahlreichen Büchern geschrieben: «Wenn du erst zwanzig bist und von Ferrari gerufen wirst, dann ist das eine große Sache. Ich sollte für sie in Süditalien den neuen Vierzylinder fahren, der für die Formel 2 gebaut worden war.»

Dann passierte etwas Merkwürdiges, das entscheidend sein sollte für das Verhältnis zwischen Ferrari und Moss.

Moss weiter: «Ich fand den Wagen in der Box und schlüpfte hinein. Ein Techniker kam herüber und meinte: ‘Was machen Sie da?’ Ich antwortete: «Nun, ich bin Stirling Moss, und ich fahre dieses Auto.’ – ‘Nein, tun sie nicht, Piero Taruffi tut das.’»

«Das hat mich stinksauer gemacht. Nichts gegen Taruffi, ein netter Kerl und ein überaus kompetenter Rennfahrer. Enzo Ferrari hatte wohl einfach seine Meinung geändert, mir aber leider nichts davon gesagt. An diesem Punkt habe ich mir geschworen, dass ich nie für seinen Werksrennstall fahren würde.»

Typisch Moss, dass er sich mit einer bewundernswerten Konsequenz daran gehalten hat. Wie viele GP-Siege er wohl für Ferrari eingefahren hätte? Im Laufe der folgenden Dekade gewannen Ferrari-Fahrer fünf Mal den WM-Titel – Alberto Ascari 1952 und 1953, Juan Manuel Fangio 1956, Mike Hawthorn 1958, Phil Hill 1961.

Dennoch fanden wir Moss fallweise in einem Ferrari. «Ich bin insgesamt 13 Rennen für Ferrari gefahren», erzählte Moss weiter. «In Sebring wurde ich wegen unerlaubter Hilfe aus der Wertung genommen, in Le Mans verlor ich einen Lüfterflügel. Aber bei allen anderen Einsätzen im Ferrari habe ich gewonnen, also war meine Rennkarriere mit Ferrari-Fahrzeugen recht erfolgreich.»

1961 brachte Ferrari den grandiosen Sharknose auf die Bahn, den Ferrari 156 mit dieser markanten Schnauze.

Nur acht WM-Läufe wurden in jener Saison gefahren, fünf Mal gewann Ferrari, auf den schwierigsten beiden Strecken aber triumphierte Stirling Moss im Lotus 18, in Monaco und auf dem Nürburgring, und dies, obschon der Engländer mit 30 PS weniger unterwegs war!

Enzo Ferrari, im Herunterschlucken seines Stolzes nicht übermäßig begabt, wusste: Wenn der neue V8-Motor von Climax kommt, ist es vorbei mit der PS-Überlegenheit. Er bot Moss einen Vertrag an, ab 1962 im Werks-Ferrari zu sitzen.

Moss weiter: «Ende 1961 fuhr ich nach Modena, und Enzo Ferrari eröffnete mir: ‘Sag mir, welches Auto wir für dich bauen sollen, und wir machen es.’ Ich antwortete: ‚Ich will einen Ferrari 250 GTO für die British Racing Partnership, lackiert in deren Farben. Und ich will einen Ferrari 156, der in Farben von Teambesitzer Rob Walker lackiert wird. Dann fahre ich für Sie.’ Ferrari war einverstanden und hat die beiden Autos bauen lassen.»

Wir haben dieses Bild leider nie zu sehen bekommen: Ein Sharknose-Ferrari im Tiefblau von Rob Walker mit dem berühmten weißen Streifen auf der Nase. Der schwere Unfall in Goodwood 1962 hat alles vereitelt.

Moss lag drei Wochen lang im Koma, brauchte ein Jahr, um sich zu erholen, aber als er 1963 testete, merkte er – die natürlichen Reflexe waren weg. Er trat vom Rennsport zurück.

Enzo Ferrari und Stirling Moss haben es immer bedauert, dass sie nie zusammengearbeitet haben. Ferrari gab zu, dass seinem Rennstall ohne Moss viele Rennsiege entgangen sind.

Und Stirling meinte, im Gegensatz zu Ayrton Senna: «Wenn ich etwas bereue in meiner Karriere, dann die Tatsache, dass ich nie Ferrari-Werkspilot war.»

Bei Lewis Hamilton verläuft das anders: Er wird ab 1. Januar 2025 Ferrari-Werksfahrer sein.

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