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Jochen Rindt: Ein Mann wie eine Naturgewalt

Von Gerhard Kuntschik
​Österreichs Motorsport-Idol und erster Formel-1-Star Jochen Rindt wäre an diesem 18. April 2024 82 Jahre alt geworden, wenn am 5. September 1970 in Monza nicht das Schicksal zugeschlagen hätte.

Alles war ihm in die Wege gelegt worden für eine große Karriere: Unfassbare Reflexe, Geradlinigkeit, Willenskraft, inneres Feuer, eine gute Nase für die Ideallinie auf der Rennstrecke und im Geschäftsleben, Selbstsicherheit, die oberflächlich als Arroganz missverstanden werden konnte, doch bei Freunden zeigte sich dieser bemerkenswerte Mann auch von seiner verletzlichen Seite, sich immer hinterfragend.

Jochen Rindt gehörte zu jener seltenen Spezies Rennfahrer, die ein mittelmäßiges Auto zum Sieg fahren konnten. Ein Mann wie eine Naturgewalt.

Viele Fans von Jochen Rindt fragen sich immer wieder, was wäre aus dem Jochen geworden? Wir versuchen in Gesprächen mit Zeitzeugen Aufschlüsse zu finden.

Der fast einhellige Tenor: Rindt und Bernie Ecclestone, diese Verbindung wäre über das gemeinsame Formel-2-Team weit ausgebaut worden.

Wir fragen Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko: «Jochen wäre sicher nach 1970 im Motorsport geblieben. Und irgendwann hätte er wohl mit Bernie die Formel 1 gemanagt.»

Racing-Urgestein Dieter Quester glaubt, dass Rindt «noch zehn Jahre weitergefahren wäre und sich als Weltmeister gut vermarktet hätte». Quester hatte Rindt in den frühen 1960er-Jahren quasi als «Nachbarn» im 19. Bezirk. Doch vor allem meint der Wiener: «Ich kann mir Jochen als 80-Jährigen überhaupt nicht vorstellen. Er war doch immer der junge Wilde. So lebt er in meiner Erinnerung weiter. Daher ist schwer zu sagen, was er im fortgeschrittenen Alter gemacht hätte.»

Erich Glavitza, Jahrgangskollege und Wegbegleiter von Rindt, ist sich sicher: «Jochen hätte mit dem WM-Titel 1970 aufgehört. Das war klar, seit er beim Sieg in Zandvoort um seinen Freund Piers Courage trauerte und weinte. Da war der Entschluss gefasst.»

«In Clermont-Ferrand kam er vor dem Rennen in die Lotus-Box und bemerkte, wie Mechaniker die filigrane Lenkstange im Lotus 72 schweißten. Er war fuchsteufelswild und drohte Teamchef Colin Chapman. Da hätte Ähnliches passieren können wie 1994 bei Senna. In Österreich brach am Wagen von John Miles, seinem Teamkollegen bei Lotus, die Halbwelle, was Jochen in Monza zum Verhängnis wurde. Er hatte genug von Lotus.»

Der Kapfenberger («für den Grazer Rindt war ich ein Provinzler») meint, Jochen hätte seine Auto-Show noch eine Zeitlang weitergeführt und sich dann mit Ecclestone und March-Mitbegründer Max Mosley in der Führung der Konstrukteurs-Vereinigung FOCA zusammengetan.

Heinz Prüller und Helmut Zwickl, die medialen Wegbegleiter von Rindt seit den frühen Tagen, sind sich einig, dass Jochen und Bernie ein geschäftliches Erfolgsduo geworden wären. «Jochen hätte mit Bernie ein paar Deals gemacht. Wahrscheinlich hätten sie die Formel 1 gemeinsam geführt», sagt Zwickl.

Prüller bestätigt die These mit Ecclestone, meint aber, dass es mit Mosley eher nicht geklappt hätte: «So gut verstanden sich die Drei nun auch wieder nicht.»

Wie Dieter Quester ist sich auch Prüller sicher, «dass Jochen noch weitergefahren wäre. Sein Entschluss stand dazu fest. Er hätte noch eine glänzende Karriere mit weiteren WM-Titeln gehabt. Aber ohne Seitensprünge wie Indianapolis oder dergleichen.»

Bernie Ecclestone sagte mir in einem Interview über Rindt: «Jochen war ein sehr guter Freund und ein supernetter Typ. Jochen hätte so viele Weltmeisterschaften wie Michael Schumacher gewinnen können.»

In der gemeinsamen Arbeit hatten die beiden laut Ecclestone «ein Superverhältnis ohne irgendwelche Probleme». Das würde die Annahme stärken, dass Rindt mit Ecclestone nach seiner aktiven Laufbahn gemeinsame Sache gemacht hätte.
Zum Abschluss noch eine Bemerkung von Erich Glavitza: «In Graz haben sie eine Straßenbahn Jochen gewidmet. Dabei hat er Straßenbahnen gehasst. ‚Die halten einen nur auf‘, hat er in Wien jeweils geschimpft, wenn er durch die Stadt fegte …»

1970 mit Lotus: Triumph und Tragödie
Vor 54 Jahren stand die Formel 1 ganz im Zeichen des Draufgängers Jochen Rindt. Zeitzeugen erinnern sich an fabelhafte Siegesfahrten des Österreichers und an den schwarzen Tag von Monza.

Zeitsprung ins Jahr 1970: Der deutsche Staatsbürger Karl Jochen Rindt (28), in Graz aufgewachsen und mit österreichischer Lizenz unterwegs, dominiert die Formel 1. In Monaco hetzt er den dreifachen Champion Jack Brabham so lange, bis der Australier in der Schlussrunde in der Rascasse Nerven und Auto wegschmeißt. Rindt feiert den letzten Sieg des inzwischen leicht betagten Lotus 49.

Dann folgen vier Triumphe im revolutionären Lotus 72: Zandvoort mit Tränen für den tödlich verunglückten Freund Piers Courage, Clermont-Ferrand, Brands Hatch, Hockenheim mit dem Zentimeterduell gegen Jacky Ickx. Und dann der Ausfall ausgerechnet beim ersten Formel-1-WM-Lauf auf dem Österreichring.

Danach und vor Monza: Zwei weitere Auftritte in der Heimat, beim Stainzer Bergrennen (nein, wirklich!) wird er im Lotus 69 Zweiter, auf dem Salzburgring gewinnt er nach Ausfall im ersten den zweiten Formel-2-Lauf – der letzte Sieg am 30. August.

Man stelle sich das heute vor: Lewis Hamilton bestreitet zum Spaß im ganzen Formel-1-Programm das Bergrennen von Harewood!

Heute erscheint es aberwitzig, dass der WM-Führende der Formel 1 in unteren Klassen Rennen bestreitet, was schon vertraglich unmöglich wäre. Rindt soll in Stainz 70.000 Schilling Startgeld kassiert haben, in Salzburg waren es 200.000, wie ÖASC-Präsident Willy Löwinger Jahre später zugab. Einen Formel-1-Topstar für (nach heutigem Wert) 71.000 Euro bekommen? Unmöglich.

Eine gebrochene Bremswelle am Lotus und das nicht völlig geschlossene Gurtsystem – Rindt befürchtete, bei einem damals so häufigen Feuerunfall nicht rechtzeitig aus dem Wagen zu kommen – besiegelten am 5. September um 15.25 Uhr in der Leitplanke vor der Parabolica von Monza sein Schicksal.

Wenn Niki Lauda (1949–2019) über Rindt sprach, kamen Erinnerungen in Top-Speed hoch.

Dass Lauda 1971 Kandidat um die Rindt-Nachfolge sein würde, hatte er damals noch nicht geahnt. Lauda fuhr am Monza-Wochenende Formel 3 in Zolder. Er erzählte, was damals passierte: «Am Samstag kam plötzlich ein Typ vorbei, den ich nicht kannte, und sagte: ‚Der Rindt ist tot.‘ Ich glaubte es nicht, hielt ihn für einen, der sich wichtigmachen wollte. Es ließ mir aber keine Ruhe, ich versuchte bei der Fahrt ins Hotel einen Radiosender zu finden, der Nachrichten brachte. Dann musste ich es glauben.»

Gegen Jochen Rindt fuhr Lauda nie Rennen, aber er hatte Erlebnisse mit ihm. «1968, da war ich 19, fuhr ich meine ersten Bergrennen im Mini, als unbekannter Anfänger. Im Herbst machte Jochen in Wien-Aspern eine Präsentation für seine kommende Rindt-Show. Ich stand hinter dem Zaun unter Journalisten, als er auf mich zukam und mich ansprach. Dabei kannten wir einander bis dahin gar nicht. Aber er wusste über mich Bescheid. Das hat mich schwer beeindruckt.»

Als Rindt in Brands Hatch den britischen Grand Prix gewann, fuhr Lauda dort das Formel-3-Rennen. «Ich schaute beim Formel-1-Training in einer Kurve zu, es regnete. Da kam einer im Regen mit unheimlichem Speed völlig quer daher. Ich dachte mir nur: ‚Wer ist dieser Irre?‘ Es war Rindt. Ich sehe die Szene vor mir, als wäre sie gestern gewesen.»

Jochen Rindt in der Formel 1

60 Grands Prix (von Österreich 1964–1970)
1964 mit Rob Walker Racing (Brabham)
1965 mit Cooper (4 Punkte, WM-13.)
1966 mit Cooper (22 Punkte, WM-3.)
1967 mit Cooper (6 Punkte, WM-13.)
1968 mit Brabham (8 Punkte, WM-12.)
1969 mit Lotus (22 Punkte, WM-4.)
1970 mit Lotus (45 Punkte, Weltmeister)

109 WM-Punkte

2521 Rennrunden

388 Führungsrunden

10 Pole-Positions
(Frankreich und Kanada 1968, Spanien, Niederlande, Großbritannien, Italien und USA 1969, Niederlande, Großbritannien und Österreich 1970)

6 Siege
(USA 1969, Monaco, Niederlande, Frankreich, Großbritannien und Deutschland 1970)

13 Podestplatzierungen
(Abgesehen von den Siegen oben zweite Plätze in Belgien und USA 1966 sowie Italien 1969; dazu dritte Ränge in Deutschland 1966, Südafrika und Deutschland 1968 sowie Kanada 1969)

3 beste Rennrunden
(Spanien und USA 1969, Monaco 1970)


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