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10 Erkenntnisse vor dem Saisonstart in Melbourne

Von Mathias Brunner
Nach zwölf Wintertesttagen in Jerez und Bahrain stellen sich viele Fragen: Was haben wir gelernt? Wird uns die neue Formel 1 viel Freude machen oder schalten die Fans den Fernseher ab?

Sauber-Fahrer Adrian Sutil bezeichnet den Australien-GP als weisses Blatt Papier, Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel vergleicht das Rennen in Melbourne vom 16. März mit einem Fragezeichen. Die Herren Rennfahrer halten es, mehr als vor jeder anderen GP-Saison, mit Sokrates: «Ich weiss, dass ich nicht weiss.» Womit, wichtiger Unterschied, nicht etwa gemeint ist, dass die Rennfahrer und ihre Arbeitskollegen aus den elf Formel-1-Teams nichts wissen. Vielmehr muss hinterfragt werden, was man zu wissen meint.

Hier die wichtigsten 10 Erkenntnisse nach Bahrain und vor Melbourne, Sokrates hin oder her.

1. Mercedes hat die Nase vorn

Es muss ein gutes Gefühl sein: Mercedes hat für den Australien-GP gewissermassen vier Eisen im Feuer – den in Sachen Speed und Standfestigkeit eindrucksvollen Williams; den soliden Force India (beim zweiten Bahrain-Test mit Pérez zwei Mal Tagesbester, auch mit Hülkenberg reichlich Runden); den unterschätzten McLaren (noch nicht mit allen Evo-Teilen am Wagen); und natürlich den Silberpfeil von Rosberg und Hamilton. Der Trend der Wintertests ist nicht falsch im Hinblick auf Melbourne: Alles andere als ein Sieg eines Renners mit Mercedes-Motor wäre eine Überraschung.

2. Vettels Auto ist eine Wundertüte

Beobacher entlang der Bahrain-Strecke beteuern: kein Auto liegt in den Kurven so gut wie der Red Bull Racing. Das Problem ist nur, dass wir das viel zu selten zu sehen bekommen haben. Immer wieder wurden Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo von Defekten genervt. Wir vertrauen Sebastian Vettel, wenn er sagt: «Natürlich wären wir gerne mehr gefahren, aber ich weiss, was dieses Team kann. Und eine Formel-1-Saison ist sehr lang. Wir haben genügend Zeit, um unsere Probleme zu lösen.»

3. Rückkehr der Unwägbarkeit und Powerslides

Einige Teams tun sich mit der Standfestigkeit sehr schwer. Das ist bedauerlich für das betreffende Team, jedoch fabelhaft für die Fans: Denn mangelnde Zuverlässigkeit bringt jenes Element der Unwägbarkeit in den Sport zurück, das die Formel 1 für spannende Rennen dringend braucht.

Wegen des gesunkenen Abtriebs und des gewaltigen Turbo-Bumms haben wir in Bahrain reihenweise querstehende Autos gesehen. Fabelhaft! Die Fans werden das lieben. Wir haben auch Dutzende verrauchender Reifen gesehen, weil sich die Fahrer mit dem Bremsen noch schwertun. Auch das bedeutet: mehr Spektakel – prima!

4. Reifen bleiben ein heisses Thema

Beim Thema Reifen sind sich die Piloten so einig wie Hund und Katz. Die einen stellen nüchtern fest, die Pirelli seien halt etwas härter und halten daher auch länger. Sie schätzen, dass wir tendenziell eher weniger Boxenstopps erleben. Andere sind überzeugt, dass der Reifenverschleiss so dramatisch sein wird wie vor einem Jahr. Nur haben wir das aufgrund der insgesamt mangelnden Erkenntnisse aus Jerez und Bahrain noch nicht erkannt. Hier gilt ebenfalls: Je weniger die Fahrer über ihre Reifen lernen konnten, desto besser für den TV-Zuschauer. Denn auch Rätselraten im Umgang mit den Reifen verleiht den Grands Prix Pfeffer.

5. Formel 1 wie GP2? Von wegen ...

Schwarzmaler hatten vorhergesagt, dass die Renner der neuen Turbo-Generation etwas Formel-1-unwürdig im GP2-Tempo um die Strecken krebsen würden. Das wird nicht passieren. Die neuen Rennwagen werden schon im Spätsommer zurück auf dem Speed der 2013er Sauger sein. Ganz zu Beginn dieser neuen Fahrzeugfamilie lockt noch reichlich Raum für Entwicklung. Auch das Schreckgespenst vom halben Feld, das im Australien-GP – wegen grösser Spritprobleme – nur noch herumschleiche oder gar stehenbleibe, können wir nach dem Bahrain-Test im Keller wegsperren. Ja, auf einigen Strecken wird der Verbrauch eine grosse Rolle spielen. Aber die Formel 1 war schon 2013 vom Speed her eingeschränkt, damals vorwiegend von den Reifen. Gute Rennen haben wir trotzdem erlebt.

6. Keine Sorge wegen des Sound

Eine andere Befürchtung der Fans: Die Autos würden nicht nur zu langsam, sie würden auch grauenvoll klingen. «Wie ein Moped», spotteten die einen, «nicht besser als ein Supersportwagen auf der Autobahn» die anderen. Die meisten dieser selbsternannten Experten haben keinen Formel-1-Renner live zu Ohren bekommen. Wir schon. Die Autos klingen nach Speed und Racing, kerniger als die ersten Formel-1-Turbos in den 80er Jahren. Wir schätzen: Die Fans werden sich bald an die Turbos gewöhnt haben.

7. Die FIA zeigt eine lange Nase

So wie der Sound ist auch die Optik Geschmackssache, und darüber lässt sich bekanntlich nicht streiten. Nein, wir finden Auswüchse, die an Nasenbären erinnern, auch nicht hübsch. Aber wir werden uns daran gewöhnen, so wie wir die Kröten Rillenreifen, schmale Heck- und breite Frontflügel geschluckt haben. Die Regelverfasser des Autoverbands FIA kündigen für 2015 an, die Vorgaben so zu ändern, dass wir keine Vergleiche mit der Tierwelt mehr bemühen müssen. Ja, gerne.

8. Probleme bis zum Europastart

Einige Rennställe, wie beispielsweise Lotus, sind nach dem Wintertestprogramm so im Rückstand, dass durchaus anzunehmen ist – markant besser wird das erst nach den ersten Überseerennen (Australien, Malaysia, Bahrain und China), also beim Europa-Auftakt in Barcelona. Dass jedoch Red Bull Racing an einer B-Version seines Autos baue, ist nur ein Gerücht. Dass RBR-Technikchef Adrian Newey ein überaus enges Kleid für seinen Rennwagen geschneidert hat, hingegen nicht. Das wiederum bedeutet: der Test unter warmen, aber nicht heissen Bedingungen in Bahrain hat erst angedeutet, ob die verschiedenen Teams in Sachen Thermik ihre Hausaufgaben gemacht haben. Wenn es in Australien und Malaysia richtig heiss wird, dann kommen auf die Rennställe ganz neue Probleme zu.

9. Die Formel 1 kränkelt

Williams wird bald Martini als neuen Hauptsponsor verkünden. Das ist ein ganz wichtiges Signal für den Grand-Prix-Sport. McLaren beispielsweise hat bis heute den angeblich neuen Hauptsponsor Sony nicht verkündet. Das kann drei Gründe haben: Entweder die Sony-Story war eine Ente. Oder Sony steigt erst ein, wenn McLaren zu Honda-Triebwerken wechselt, also 2015. Oder die Honda-Beteiligung ist so enorm, dass sie darauf bestehen, als einzige Firma gross auf den McLaren zu prangen. So oder so entdecken wir auf den Rennwagen viel zu viele sponsorfreie Stellen. Die Formel 1 braucht mehr mutige Firmen wie Martini.

10. Der Sport braucht mehr Transparenz

Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe. Wenn Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone (Formula One Management, FOM) doppelte WM-Punkte beim Finale von Abu Dhabi einführt, um Spannung möglichst bis zum letzten Grand Prix der Saison zu konservieren, und wenn FIA-Präsident Jean Todt darin keinen Aufreger vermutet, so irren die zwei mächtigsten Männer im Motorsport. Ein so künstlicher Eingriff ist ein Armutszeugnis für die Formel 1, im Schnitt finden 90 Prozent der Fans die Idee Quatsch, und alle davon sprechen mir aus dem Herzen. Hiess es bei der FIA nicht einmal, man wolle mehr auf die Fans hören?

Falls dem so wäre, hätte man die fabelhaften FanVision (Hand-TV- und Daten-Info-Geräte für die Fans, vor Ort zu mieten) nie verbieten dürfen. Falls dem so wäre, würden bei einigen Rennen nicht Preise verlangt, die an Piraterie erinnern. Falls dem so wäre, würde man den Teams auf die Finger klopfen und sie zwingen, den Sport transparenter zu machen. Wir haben eine faszinierende neue Technik in unserer Formel 1, aber die meisten Rennställe tun ihr Bestes, um sie uns vorzuenthalten. FIA und FOM schauen nur untätig zu. Da braucht sich Ecclestone nicht zu wundern, wenn die TV-Einschaltquoten sinken.

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