Al Pease: Ein letzter Gruss an den Langsamsten
Mit stolzen 92 Jahren ist in Servierville (Tennessee/USA) der in Grossbritannien geborene Kanadier Victor «Al» Pease verstorben. Pease war nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada ausgewandert und startete dort eine Rennkarriere. Auf nordamerikanischem Boden gewann Pease eindrucksvoll viele Rennen. Leider überzeugten ihn diese stattlichen Erfolge, beim Heim-GP von Kanada anzutreten, und damit begann die Legende des angeblich langsamsten Formel-1-Piloten.
1967 beendete Pease in Mosport zwar das Rennen, allerdings aufgrund des Rückstands von 43 Runden auf Sieger Jack Brabham nicht in der Wertung. Der Fairness halber sei erwähnt, dass dies vor allem an einer sich ständig entleerenden Batterie lag. Einmal stiefelte Pease während des Rennens an die Box zurück, holte eine andere Batterie, Fussmarsch zum gestrandeten Auto, kurzer Einbau, dann ging es weiter.
Können Sie sich so etwas heute vorstellen?
1968 betrug der Rückstand auf die Pole von Jochen Rindt in Mont-Tremblant üppige 15 Sekunden, spätestens jetzt hätte Pease dämmern müssen, dass mit seinem Eagle-Climax in der Formel 1 kein Blumentopf zu gewinnen ist. Der Climax-Triebwerk spukte, Pease spuckte – nämlich in die Hände und nahm das Triebwerk auseinander. Beim Zusammensetzen ging ihm die Zeit aus: kein Rennstart. Die Gegner waren erleichtert. Aber Pease war mit seinem Heimrennen noch nicht fertig.
Der Lokalheld trat unter dem Motto «aller schlechten Dinge sind drei» zum Mosport-GP 1969 mit einer Quali-Zeit an, die 11,1 Sekunden hinter der Pole-Runde von Jacky Ickx lag. Hauptgrund für die jämmerliche Darbietung, wir sagen es gerne nochmals, war sein Fahrzeug – ein inzwischen vier Jahre alter Eagle mit reichlich Gewicht auf den Rippen und mit asthmatischem Climax-Motor.
In der ersten Runde rumpelte Pease schon mal mit dem privat eingesetzten Brabham des Tessiners Silvio Moser zusammen, nach vier Runden wurde Al das erste Mal überrundet. Einige der etwas schnelleren Herren atmeten jeweils auf, sobald sie am 47-Jährigen vorbei waren. Denn Pease machte sein Auto jeweils ziemlich breit.
Nach 22 (von 90) Runden hatte die Rennleitung ein Einsehen und holte Pease von der Bahn. Bis heute ist er der einzige Formel-1-Fahrer, der in einem Rennen wegen zu langsamer Fahrt disqualifiziert werden musste. Als Pease in seiner 22. Runde war, lag der Leader bereits in der 45. …
Heute wäre eine Darbietung à la Pease kaum mehr möglich: Es gilt die so genannte 107-Prozent-Regel. Will heissen: Wer 7 Prozent über der Bestzeit des Pole-Mannes liegt, darf nicht am Rennen teilnehmen. Ausnahme der Regel: Wenn der Fahrer im Training genügend Speed gezeigt hat und nur aufgrund technischer Widrigkeiten die 107-Prozent-Regel verletzt hat.
Was wurde aus Victor «Al» Pease?
Der in England geborene Kanadier war gewiss kein miserabler Rennfahrer. Der Grand-Prix-Sport war eine Schuhnummer zu gross für ihn, und mit dem Eagle-Climax hätte auch ein GP-Sieger nichts gerissen.
Nach dem Formel-1-Fiasko sattelte Pease in die Formel 5000 um, bis weit über 60 nahm er an Autorennen teil, noch in den 80er Jahren klemmte er sich hinters Lenkad von Oldtimern – und fuhr weitaus jüngeren Konkurrenten nach Strich und Faden um die Ohren.