Lewis Hamilton & Nico Rosberg: Falscher Friede
Im WM-Duell sind alle Tricks erlaubt
In Monte Carlo hat sich Lewis Hamilton zwei Tage lang wie die beleidigte Leberwurst verhalten: Die Körpersprache und gewisse Andeutungen machten klar, dass Hamilton fand, Rosberg hätte ihm die Chance auf eine letzte schnelle Pole-Runde verdorben. Und nach dem Rennen war Hamilton stinkig, weil er mit der Strategie von Mercedes nicht einverstanden war. Und dass er das Rennen verloren hatte. Und die WM-Führung obendrein. Worauf Hamilton gegenüber der britischen SKY festhielt: «Wir sind keine Freunde, wir sind Kollegen.»
Tage später – wie freiwillig das wohl passiert ist? – kam von Lewis Entwarnung über das soziale Netzwerk Twitter: «Wir sind schon eine ganze Weile lang Freunde, und als Freunde haben wir unsere Hochs und Tiefs. Wir haben heute miteinander gesprochen und alles ist gut zwischen uns, wir sind noch immer Freude, kein Problem.»
Die Aussprache kommt mir vor wie ein Pflaster gegen eine Blase am Fuss: es hilft kurzfristig, aber dann fällt es ziemlich bald ab, und in der Regel tut das Scheuern dann noch mehr weh.
Es ist völlig naiv zu glauben, dass eine Aussprache und eine Twitter-Nachricht alles in Butter getaucht haben. Denn am Grundproblem hat sich nichts geändert: zwei Rennfahrer wittern die Chance auf den Titel. Sie sitzen überdies im gleichen Auto. Da ist es nur logisch, dass sie früher oder später erneut das gleiche Stück Asphalt für sich beanspruchen.
Mercedes bleibt bei der Auffassung: Abgesehen von der Aufforderung, sich bitteschön nicht in die Kiste zu fahren, sollen die beiden das unter sich ausmachen. Das ist lobenswert, denn mit einer Stallorder wäre aus dieser WM endgültig die Luft draussen. Nur die optimistischsten Fans glauben noch daran, dass sich Red Bull Racing oder Ferrari gegen Mercedes durchsetzen werden.
Aber Niki Lauda (Aufsichtsrat des Mercedes-Rennstalls) und Teamchef Toto Wolff können den Piloten so viel ins Gewissen reden, wie sie wollen: Was auf der Piste passiert, entscheiden alleine Hamilton und Rosberg. Wenn die beiden Österreicher glauben, sie hätten die Situation unter Kontrolle, dann werden sie vielleicht einige Überraschungen erleben.
Veränderte Motoreneinstellungen (Rosberg in Bahrain, Hamilton in Spanien) und Rosbergs Rutscher im Abschlusstraining von Monaco haben das gegenseitige Vertrauen zwischen den beiden Mercedes-Fahrern erschüttert. Die beiden Racer sind zu ehrgeizig, um das so schnell zu vergessen.
In Kanada will Montreal-König Hamilton (drei Pole-Positions, drei Siege) zurückschlagen und die WM-Führung zurückerobern. Auf viel Nächstenliebe sollte er nicht warten: Nico Rosberg ist nicht mehr der nette Junge, der (wie in Malaysia 2013) auf die Stallorder des Mercedes-Kommandostands hört. Und der Deutsche hat bewiesen, dass er in Sachen psychologischer Kriegsführung und Nervengerüst eher besser aufgestellt ist als Lewis Hamilton.