Giedo van der Garde: «Sauber-Ruin wollte ich nicht»
Van der Garde hat den 2015er Sauber-Overall in Australien zum ersten und zum letzten Mal getragen
Sauber hat heute Mittwochmorgen die Fluggesellschaft «Singagpore Airlines« als offiziellen Partner verkündet – diese Partnerschaft beinhaltet Flugreisen zu den Übersee-Rennen vorwiegend im asiatischen und australischen Raum. Das ist eine gute Nachricht, so wie das tolle Rennen von Sauber in Melbourne: Felipe Nasr herausragender Fünfter, Marcus Ericsson guter Achter, 14 Punkte beim WM-Auftakt, diesen Befreiungsschlag hatte Sauber nach einem höchst turbulenten Wochenende dringend gebraucht.
Der Gerichtsfall zwischen Sauber und Giedo van der Garde war ein Leitthema am ersten Formel-1-GP-Wochenende der Saison 2015. Der Niederländer wollte sein Recht durchboxen, einen der beiden Stammplätze beim viertältesten GP-Rennstall zu erhalten. Geld interessiere ihn nicht, hat es lange aus dem Lager der Niederländer geheissen, er wolle fahren. Inzwischen scheint er seine Meinung geändert zuhaben. Die beiden Parteien sind zu einer Einigung gekommen, und hinter vorgehaltener Hand wird verraten – mit Fahren hat diese Lösung nichts zu tun, vielmehr mit Bezahlen.
Tagelang hatte van der Garde der Öffentlichkeit weismachen wollen, wie gut sein Verhältnis zum Schweizer Team sei, der Rechtsstreit könnte daran nichts ändern. Wie gut das Verhältnis wirklich ist, zeigte sich, als er in Australien im Overall von Marcus Ericsson die Sauber-Box im Albert-Park in Melbourne betrat. Einige Teammitglieder wandten sich demonstrativ ab, anderen fiel ein, dass sie gerade ganz dringend etwas ausserhalb der Garage zu erledigen haben. Die Körpersprache war überdeutlich. Zum Fahren wäre der letztjährige Testfahrer von Sauber sowieso nicht gekommen – der Formel-1-Führerschein namens Superlizenz lag nicht vor.
Van der Garde hätte sein Recht zum Malaysia-GP hin durchboxen können, ein FIA-Offizieller bestätigt mir: «Bis Sepang wäre mit seiner Lizenz alles geregelt gewesen.»
Aber der Niederländer machte einen Rückzieher: angeblich für 15 Millionen Euro verzichtet er auf sein Recht aufs Auto.
Das sagt Giedo van der Garde
Van der Garde sagt: «Wir haben mit Sauber einen Vergleich abgeschlossen, mein Abkommen als Fahrer für die Schweizer ist im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst. Als leidenschaftlicher Rennfahrer bin ich traurig und sehr enttäuscht. Ich habe seit meinem Karrierebeginn als Kartfahrer mit acht Jahren davon geträumt, ein erfolgreicher Formel-1-Pilot zu werden. Und ich hoffte, dass ich 2015 in einem respektierten Mittelfeldteam zeigen kann, wozu ich wirklich fähig bin. Dieser Traum ist nun geplatzt, und ich bin mir darüber im Klaren, dass damit meine Karriere als Grand-Prix-Fahrer wohl vorbei ist.»
«Ich hatte einen gültigen Vertrag für die komplette Saison 2015 und hätte mein Recht durchsetzen können. Ich habe bis zum letzten Samstag versucht, das Cockpit zu erhalten, das mir zusteht. Der Rechtskonflikt mit Sauber dauerte seit 2014, es war also durchaus keine Aktion in letzter Minute. Das Ganze wurde erst dann öffentlich, als ich gerichtlich erwirken wollte, dass ich fahren darf.»
«Es gab viele Spekulationen darüber, also will ich das klarstellen – meine Geldgeber haben in der ersten Hälfte des Jahres 2014 die komplette Summe für die Saison 2015 überwiesen. Das geschah in gutem Glauben und vor dem Hintergrund der finanziellen Probleme von Sauber. Um genau zu sein – meine Sponsoren haben mitgeholfen, das Team überleben zu lassen. Die Entscheidungsfindung von Sauber in diesem Fall ist bizarr und für mich ohne Sinn.»
«Ich darf dazu aus rechtlichen Gründen nichts sagen, aber Sauber muss eine stattliche Kompensation bezahlen, um zu verhindern, dass ich meinen Vertrag durchsetze. Das ist der einzige Aspekt, der für mich zufriedenstellend ist – dass mein Recht anerkannt worden ist. Der Gerechtigkeit ist damit Genüge getan.»
«Wir haben in Australien unsere rechtlichen Schritte gegen Sauber abgebrochen, weil wir das Team in die Knie gezwungen hätten. Die Autos wären beschlagnahmt worden, der erste Grand Prix wäre ruiniert gewesen, vielleicht auch die Karrieren von zwei jungen Fahrern. Vielleicht wären die Verantwortlichen sogar inhaftiert worden. Mit solchen Konsequenzen wollte ich nicht leben. Selbst wenn das Management von Sauber daran schuld ist.»
«Mir ist auch wichtig, dass mit diesem Fall das Recht von Rennfahrern gestützt wird. Es gibt zur Genüge Fahrer mit besten Absichten, deren Karrieren in der Formel 1 zerstört worden sind. Ich hoffe, mein Fall dient in Zukunft als Präzedenzfall.» «Mein Traum bleibt die Formle 1, aber wir gucken uns nun im Langstreckensport um. Auch die DTM für 2016 ist eine Möglichkeit.» ?
Wer bezahlt?
Dringlichste Frage: Woher nimmt Sauber, finanziell mit eng geschnalltem Gürtel unterwegs, dieses Geld?
Grundsätzlich handelt es sich um Geld, das van der Garde mit seinem Geldgebern, allen voran Schwiegervater Marcel Boekhoorn (Besitzer des Modelabels McGregor) schon in die Schweiz überwiesen hatte. Formel-1-üblich wären diese Beträge: Zwischen 3 und 5 Mio Euro für den Platz als Testfahrer 2014, zwischen 8 und 10 Mio für den Stammfahrerplatz 2015.
In der Branche gilt die Familie van der Garde als zahlungskräftig. Wir gehen also davon aus, dass Beträge in dieser Grössenordnung tatsächlich geflossen sind. Allerdings ist dieses Geld inzwischen auch für den laufenden Betrieb des Rennstalls verwendet worden.
Die zwei wildesten Gerüchte: Schwiegervater van der Garde habe für diesen Betrag nun Anteile am Rennstall erhalten oder Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone habe in die eigene Tasche gegriffen.
Wahrscheinlicher ist, dass beim Abschliessen der Abkommen mit Marcus Ericsson (im Rahmen des USA-GP in Austin 2014) und Felipe Nasr (im Rahmen des Brasilien-GP 2014) die Geldgeber des Schweden und des Südamerikaners über mögliche Konsequenzen des Abkommens mit van der Garde informiert waren. Die Sponsoren wussten wohl, dass van der Garde möglicherweise eine Ablöse erhalten muss, ?wenn sie ?Ericsson und Nasr im Team halten wollen.