MotoGP-Finale: Verschiebung, Verlegung, Absage?

Melbourne: Vettel (Ferrari) beunruhigt Mercedes-Duo

Von Mathias Brunner
​Drittes freies Training zum Australien-GP im Albert-Park von Melbourne: Hamilton vor Rosberg und Vettel, Crash von Romain Grosjean (Haas) und Rio Haryanto (Manor) in der Boxengasse.

Nach dem verpatzten Freitagtraining (immer wieder Regen) standen die Formel-1-Teams mit dem Rücken zur Wand: Kein Rennstall hatte sein übliches Freitagprogramm abhaken können, von Einsätzen mit weichen Reifen ganz zu schweigen.

Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton blieb gleichmütig: «Ich bin jetzt schon eine ganze Weile Rennfahrer. Wenn ich mich nicht auf veränderte Bedingungen oder andere Walzen einstellen kann, dann hätte ich im Albert-Park nichts verloren.»

Nach weiteren Regenfällen am Samstagmorgen in Australien (tiefe Nacht in Europa) klarte das Wetter zum Glück endlich auf. Es ist aber frisch geblieben – keine 20 Grad Lufttemperatur, die Piste knapp 30 Grad warm. Nicht unbedingt, was der Formel-1-Tross erwartet hatte.

Bob Fernley, der stellvertretende Teamchef von Force India: «Die Menschen in Melbourne sagen immer, in dieser Stadt sei es möglich, an einem Tag alle vier Jahreszeiten kennenzulernen. Ich dachte immer, das sei ein Scherz! Jetzt weiss ich, dass dies wirklich stimmt.»

Erster Crash des Tages: in der Boxengasse!

Als Manor-Fahrer Rio Haryanto aus der Box fahren fuhr, kam der Haas-Renner von Romain Grosjean herangerollt. Vorfahrt hatte eigentlich der Genfer. Die FIA-Regelhüter schauen sich derzeit an, ob Manor bestraft gehört – weil man Haryanto die Fahrt nicht hätte freigeben dürfen.

Und die Piloten sind hier auf die Mechaniker angewiesen: Der Indonesier konnte den Haas-Fahrer in dieser Situation schlicht nicht sehen. Zumal der seitliche Cockpitschutz für die Saison 2016 noch höher geworden ist.

Die Schäden waren zum Glück gering, aber weil die Ersatzteilsituation bei Manor und Haas angespannt ist, war der Zwischenfall umso ärgerlicher. Am Wagen von Romain Grosjean wurde sicherheitshalber der Boden gewechselt.

Daniil Kvyat setzte mit dem Red Bull Racing-Renner auf superweichen Reifen eine erste Duftmarke: 1:28,510 min.
Fernando Alonso (McLaren-Honda) leistete sich in der zweitletzten Kurve einen harmlosen Dreher und konnte weiterfahren.

Daniel Ricciardo fuhr nach zehn Minuten auf den superweichen Walzen fast drei Zehntelsekunden schneller als Kvyat, zum Entzücken der Fans, aber die Freude war kurz: Der junge Russe steigerte sich – elf Tausendstel schneller als der Australier. Das liess Ricciardo nicht auf sich sitzen: neue Bestzeit, eine halbe Sekunde vor Kvyat!

Auf der Piste herrschte Gedränge – dunkle Wolken rollten heran, die Wetterfrösche wollten neuen Regen nicht ausschliessen. Die Pistentemperatur fiel Grad um Grad. Daher wollten die RBR-Fahrer früh Versuche mit der weichsten Reifenmischung fahren.

Nico Rosberg verrauchte beim ersten Einsatz mit den superweichen Walzen den linken Vorderreifen, irritiert von Kevin Magnussens Renault, beide schlitterten geradeaus in einen Notausgang. Immerhin konnte Rosberg verhindern, dass noch mehr Teile am Mercedes zerknirschten – ein Unfall pro Wochenende reicht.

Sebastian Vettel war auf weichen Reifen schneller unterwegs als Red Bull Racing mit den superweichen, dann stolperte er über den Williams von Valtteri Bottas, damit war die Runde ruiniert. Der Finne hatte ein Rad blockiert und befand sich auf dem Weg zurück an die Box.

Felipe Massa (Williams) schimpfte: «Die superweichen Reifen halten nicht, vor allem die Vorderreifen sind ziemlich bald am Ende.»

Kimi Räikkönen fuhr nach gut einer halben Stunde Bestzeit, dann ein neuer Anlauf des vierfachen Formel-1-Champions Sebastian Vettel: 1:26,911 min, drei Zehntel besser als sein finnischer Kumpel. Ricciardo konterte auf superweichem Gummi: 1:26,768 min.

Der Vergleich zwischen Ferrari und Red Bull Racing: Wenn wir von den Pirelli-Angaben ausgehen, dass der Unterschied zwischen weich (gelb markierte Reifen) und superweich (rot) zwischen 0,5 und 0,6 Sekunden beträgt, dann ist der Ferrari an rohem Speed gut drei bis vier Zehntel schneller als der RBR.

Und dann kam Nico Rosberg: Nach 35 Minuten und mit weichen Reifen erzielte der Mercedes-Star 1:26,149 min, mehr als sieben Zehntel besser als Vettel mit identischen Reifen. Das war eine Ansage. Die Fragen waren: Wie viel Sprit gluckerte in den Tanks von Nico und Sebastian? Wie frei waren die Runden? Hatten die Piloten das Gaspedal voll durchgedrückt?

Aber: Vettel erzielte seine beste Zeit nicht in der ersten fliegenden Runde (wenn die Walzen am haftfähigsten sind), der Vergleich hinkte also noch immer.

Wo war Lewis Hamilton?

Der Brite erreichte nur eine 1:26,477 min, also mehr als drei Zehntelsekunden hinter Nico Rosberg. Sein Auto wirkte nach einer Änderung an der Aufhängung unruhiger als der Silberpfeil von Nico.

Nun zogen auch die Ferrari die weichsten Reifen auf: 1:26,435 min (hinter Rosberg auf der härteren Mischung), bevor Sebastian Vettel 1:25,852 min zeigte, Bestzeit mit den superweichen Walzen. Und dies trotz eines Verbremsers in der zweitletzten Kurve.

Das letzte Wort hatte Mercedes.

Zuerst fuhr Rosberg mit superweichen Reifen neue Bestzeit, dann aber konterte Lewis Hamilton – 1:25,624 min, damit ist der dreifache Weltmeister in allen bisherigen drei Trainings in Australien Bestzeit gefahren.

Ob Rosberg nochmals hätte zulegen können, haben wir leider nicht erfahren: Nico brach seine letzte Runde auf superweichen Reifen ab – zu viele Fahrzeuge vor sich.

Damit zeigt sich auch: Wenn das alles aussagekräftig sein sollte, dann ist Ferrari (vor allem mit Sebastian Vettel) näher an Mercedes-Benz dran, aber nicht nahe genug, um aus eigener Kraft vorne zu sein. Jedenfalls nicht im rohen Quali-Speed.

Andere Eindrücke: Toro Rosso mischt munter mit im Duell zwischen Red Bull Racing und Williams und kann in dieser Form sogar Kimi Räikkönen im Ferrari lästig werden.

McLaren-Honda ist in der Lage, eine Top-10-Position zu erkämpfen. Force India ist gemessen an den tollen Leistungen in den Wintertests eine Enttäuschung. Das hintere Mittelfeld besteht aus Renault, Sauber und Haas. Manor ist Schlusslicht.

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