MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Stefan Bradl: Warum es mit Ducati nie geklappt hat

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl: Immerhin sechs Top-Ten-Ergebnisse 2016 mit der Aprilia

Stefan Bradl: Immerhin sechs Top-Ten-Ergebnisse 2016 mit der Aprilia

Stefan Bradl bereut nicht, das Avintia-Ducati-Angebot abgelehnt und sich für das Honda-Superbike-Team entschieden zu haben.

Stefan Bradl (27) hat beim WM-Finale in Valencia seine GP-Karriere nach 173 Grand Prix beendet. Der Bayer gewann 2005 im Red Bull KTM Junior-Team die IDM 125 ccm und bestritt dann für KTM die Achtelliter-WM 2006. Nach einem offenen Schien- und Wadenbeinbruch (Masbou fuhr ihn in Sepang bei einer Startübung von hinten über den Haufen) wurde er bei KTM nach drei Jahren frühzeitig aus dem Vier-Jahres-Vertrag entlassen.

Nach einer kurzen Episode in der Red Bull MotoGP Academy unterschrieb Bradl für 2007 einen Vertrag mit dem spanischen Blusens Aprilia 125-Team und gewann die internationale CEV-Moto3-Meisterschaft. Nach einem 9. Platz als Wildcard-Fahrer in Barcelona 2007 bekam Bradl bei Blusens-Aprilia nicht nur einen WM-Stammplatz für die restliche WM-Saison 2007, sondern auch einen Vertrag bei Kiefer Racing für die WM 2008. Er gewann auf der Aprilia RSA 125 in Brünn und Motegi zwei Grand Prix; bereits das erste Rennen in Doha/Katar schloss Bradl mit seinem ersten GP-Podestplatz ab. Der Bayer beendete die 125er-WM 2008 als Gesamtvierter.

2010 wechselte Bradl in die Moto2-WM, er fuhr im Viessmann-Kiefer-Racing-Team eine Suter MMX2 und gewann im Oktober den Portugal-GP.

Bradl triumphierte in der Moto2-WM 2011 auf Kalex gegen Marc Márquez und wechselte danach für fünf Jahre in die MotoGP-WM. Er fuhr die ersten drei Jahre auf LCR-Honda und beendete die WM dreimal hintereinander in den Top-Ten, was seit BMW-Werkspilot Walter Zeller (1955 bis 1957) kein Deutscher in der Königsklasse geschafft hat.

Das erste Halbjahr 2015 fuhr Bradl für Forward-Yamaha, dann eineinhalb Jahre für das Aprilia-Werksteam.

Bradl hat im GP-Sport insgesamt 19 Podestplätze und sieben Siege erreicht. In der MotoGP-Klasse hat er bei 86 Starts immerhin 47 Top-Ten-Plätze erzielt, mehr als jeder andere deutsche Teilnehmer in der Motorrad-Geschichte seit 1949.

Seit Juli 2012 verhandelte Bradl fast jedes Jahr mit Ducati, im Sommer 2012 wollte ihn der damalige Ducati-CEO Gabriele del Torchio noch als Ersatz für Valentino Rossi haben, der nach zwei Jahren bei den Roten zu Yamaha zurückkehrte.

Aber Bradl entschied sich damals für LCR-Honda, weil die RC213V deutlich das schlagkräftigere Paket war und das Abkassieren nicht im Vordergrund stand. Auch später gab es immer wieder Kontakt zu Ducati, zuerst über Bernhard Gobmeier, dann über Audi-Vorstand Wolfgang Dürheimer, über Pramac-Besitzer Paolo Campinoti und dessen Teammanager Francesco Guidotti sowie über Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti und Gigi Dall’Igna sowie über die Avintia-Ducati-Teamchefs Raul Romero, für den Bradl schon 2007 fuhr, als das Team noch Blusens hieß, und Antonio Martín.

Aber es kam mit Ducati nie ein Deal zustande. Die Umstände passten nicht.

Stefan, du warst in den letzten zwei, drei Jahren manchmal enttäuscht, weil nie ein Vertrag mit Ducati oder einem Ducati-Team zustande kam. Du wärst zum Beispiel für 2016 gerne statt Scott Redding zu Pramac gegangen. Teambesitzer Paolo Campinoti hatte Interesse.

Ja, ich bin in Assen 2015 mit Campinoti zusammengehockt, es gab einige Meetings, bei denen alle am Tisch gesessen sind, ich war nie dagegen.
Mir wurde ja manchmal vorgeworfen, warum ich nie ein Ducati-Angebot angenommen habe.
Es ist dann leider im Endeffekt nichts aus der Pramac-Geschichte geworden. Ich habe nie ein Blatt Papier mit einem Angebot vor mir gehabt. Es gab nur mündliche Gespräche...
Dazu muss ich erwähnen: Ich habe bis heute nie ein schriftliches Ducati-Angebot bekommen, nur jenes von Avintia für 2017.

Du hast von Pramac nie eine Begründung gehört, warum der Deal für 2016 und 2017 nicht zustande gekommen ist?

Nein, warum das der Fall war, ist schwer zu sagen. Sie haben sich schließlich immer für andere Fahrer entschieden.

Das Interesse von Ducati an dir für 2016 ist ziemlich gleichzeitig mit deinem Vertrag bei Aprilia im Sommer 2015 erloschen... Anderseits war zu hören, Gigi Dall’Igna habe Redding dir gegenüber den Vorzug gegeben.

Ja, aber eine offizielle Begründung habe ich nie gehört. Auf jeden Fall hätte mich Ducati für 2017 gern bei Avintia gesehen. Gigi Dall’Igna und Paolo Ciabatti haben mir das bei zwei Meetings klargemacht. Ich hätte eine 2016-Ducati bekommen, aber die Technik-Crew von Loris Baz erschien mir nicht sehr vielversprechend.
Diese Möglichkeit bei Avintia war für meinen Geschmack nicht das Richtige. Ich sagte mir: Bevor ich dieses Angebot annehme, gehe ich lieber in die Superbike-WM. Denn da habe ich bessere Aussichten auf Erfolg, da habe ich auch finanziell eine bessere Situation. Ich bin Profi-Rennfahrer und muss auch schauen, dass die Einnahmen stimmen.
Ich hätte bei Avintia eine drittklassige Ducati bekommen. Klar, Barbera hat bei Avintia 2016 verdammt gute Leistungen gezeigt. Aber er ist Spanier, das ganze Team ist Spanisch, er ist dort groß geworden, ich wäre als Nobody hingekommen, im ganzen Team spricht niemand brauchbar Englisch, sie verstehen vielleicht 20 Prozent, oder 50 Prozent, wenn’s hoch kommt.
Das ganze Team wäre nicht auf dem Niveau gewesen, das ich aus der MotoGP kenne. Es bestand keine Aussicht auf irgendein Teammitglied, das ich aus der Vergangenheit gekannt hätte.
Nach drei Wochen konnte mir noch niemand sagen, wie meine Technik-Crew aussehen und wer in der Box für mich arbeiten würde. Man hat auch durchblicken lassen, dass ich das B-Team von Baz kriegen würde.
Als ich gesehen habe, dass Avintia meine einzige Möglichkeit für die MotoGP-WM 2017 sein würde, habe ich gesagt: Ich lehne das Angebot ab.
Ich habe in den eineinhalb Jahren bei Aprilia gemerkt, welche Möglichkeiten ein Werksteam bieten kann. Klar, es gibt ein paar reizvolle Plätze bei Top-Kundenteams in der MotoGP, aber die waren im Juni schon alle besetzt.
Ich habe Anfang Juni frühzeitig gesehen, dass mein Platz bei Aprilia wackelt und deshalb gleich überlegt, mich in der Superbike-WM neu zu orientieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits ein Angebot von Honda für die Superbike-WM vorliegen. Die Verhandlungen mit Honda verliefen um einiges professioneller als mit Avintia. Die Erfolgsaussichten bei Honda haben für mich den Ausschlag gegeben. Das Konzept mit dem neuen SP2-Motorrad hat mich interessiert und überzeugt. Ich habe die Entscheidung für Honda keine Sekunde bereut. Ich bin froh über die Entscheidung, die ich getroffen habe.

2017 treten in der MotoGP-WM sechs Werksteams an, dazu kriegt Petrucci eine 2017-Werks-Ducati, es gibt Crutchlow und Miller, zwei Tech-3-Yamaha, mit der Avintia-Ducati wären WM-Punkte 2017 eventuell Mangelware geworden?

Es ist schwer zu sagen, wie sich die Kräfteverhältnisse entwickeln. Die privaten Ducati hatten schon in der zweiten Saisonhälfte 2016 einen schweren Stand...
Die 2017-Ducati werden sicher besser sein als die 2016-Maschinen. Aber das ist alles Spekulation.

Ducati hat dir für 2017 auch einen Platz in der Superbike-WM angeboten?

Ja, aber zu konkreten Verhandlungen kam es nicht, nur zu einer Anfrage. Honda hat sich ernsthafter bemüht. Wir sind uns recht rasch einig geworden.

(Wird fortgesetzt)

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