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Stefan Bradl: «Es war der härteste Tag meines Lebens»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl nach einem Boxenstopp in Suzuka

Stefan Bradl nach einem Boxenstopp in Suzuka

Stefan Bradl schildert im Exklusiv-Interview interessante Details zu seiner aufregenden Premiere in der Langstrecken-WM, die ihm Platz 3 in Suzuka einbrachte. Die Strapazen forderten ihren Tribut.

Nach dem sauberen dritten Platz bei seiner Premiere in der Langstrecken-Weltmeisterschaft am Sonntag in beim 8h-WM-Lauf Suzuka/Japan flog Stefan Bradl gestern mit Finnair von Tokio über Helsinki zurück nach München. Auch wenn der von Honda angestrebte erste Sieg seit 2014 nicht geklappt hat, so lieferten Takumi Takahashi und Stefan Bradl den favorisierten Teams von Kawasaki und Yamaha einen ebenbürtigen Kampf. Bradl übergab die Honda CBR 1000 RRW SP2 nach sechs Stunden auf Platz 1 an seinen schnellen japanischen Teamkollegen. Dann fuhr Takahashi am Schluss einen Doppelstint. In dieser Phase dominierte jedoch auf teilweise nasser Fahrebahn der risikofreudige Johnny Rea, auch das Yamaha Factory-Team schob sich im Finish noch an Honda vorbei.

Stefan Brad schilderte im Interview die Hintergründe des turbulenten Rennens, bei dem Rea in der letzten Runde stürzte. Kawasaki wurde aber später trotzdem zum Sieger-Team erklärt. «Es war der intensivste und anstrengendste Tag, den ich in meinem ganzen Leben auf einem Motorrad erlebt habe», schilderte Bradl. «Man muss bedenken, dass ich im ersten Stint 64 Minuten auf dem Motorrad gesessen und am Sonntag mehr als 85 Rennrunden gefahren bin. Das sind mehr als drei MotoGP-Distanzen.»

Das Problem von Honda: Der als dritter Fahrer vorgesehene Ryuichi Kiyonari bekam Nackenprobleme, sein linker Arm wurde komplett taub. Bradl: «Kiyo hat erzählt, das seien Nachwirkungen von einem Sturz bei der Superbike-WM in Donington anfangs Juli. Die Verletzung hat ihn schon im Training behindert, aber das haben wir erst am Sonntag erfahren. Die Entscheidung, dass wir zu zweit fahren, wurde erst nach dem 40-minütigen Warm-up getroffen. Im Regen hätte er es probiert. Das wäre wichtig gewesen, weil mir da in Suzuka völlig die Erfahrung fehlt. Aber im Trockenen war er leider keine Option.»

Stefan, du bist dann in den acht Stunden drei Stints gefahren, Takahashi fünf. Aber in der letzten Stunde ist er eingebrochen. Du hast das Motorrad auf Platz 1 übergeben.

Ja, genau.

In meinem ersten Stint sind wir eher mehr auf Distanz gefahren. Da habe ich 30 Runden abgespult, im zweiten 28, im dritten 27. Diese Distanz zwischen den Stopps ist immer angepasst worden. Denn im Hintergrund sitzen einen Haufen Strategie-Rechner, die die ideale Boxenstopp-Strategie durchkalkulieren.

Mein zweiter Stint war leider nicht ganz so gut, da habe ich einen Haufen Vibrationen am Hinterreifen gehabt. Ich habe ein starkes Chattering gemerkt.

Im dritten Stint war ich dann recht schnell. Ich habe alles wieder wettmachen und in Führung gehen können, nachdem ich Yamaha überholt hatte.

Ich glaube, ich habe nach rund sechs Stunden mit ca. zehn Sekunden Vorsprung an Takahashi übergeben. Wir waren also vorn, aber Kawasaki hat dann früher auch gewechselt.

Takahashi war dann bei seinem vierten Stint. Er wurde informiert, dass es vielleicht zu regnen beginnt. Es wurde dann vereinbart, dass er in diesem Fall auch den fünften und letzten Stint fahren muss, weil mir die Erfahrung auf diese Strecke im Regen komplett gefehlt hat. Im Regen wäre er der absolute Dominator gewesen. Unsere Hoffnung war also, dass es in der letzten halben Stunde heftig regnet, dass auf Regenreifen gewechselt werden muss und Takumi dadurch das Rennen noch gewinnt, weil er die Piste im Nassen besser kannte als Rea und Haslam.

Es war seltsam. Takahashi kam nämlich nach seinem vierten Stint zum Boxenstopp, ich stand bereit, komplett angezogen mit dem Helm auf dem Kopf. Aber er ist auf dem Motorrad sitzen geblieben. Es hat dann geheißen, dass er das Rennen zu Ende fährt und auch den letzten Stint absolviert.

Ich kann völlig verstehen, dass er danach die Pace nicht durchhalten konnte. Er hat auch Rückenprobleme bekommen, er war mit den Kräften am Ende. Das kann ich nachvollziehen, denn mir wäre es an seiner Stelle genauso gegangen. Man darf nicht vergessen, es hatte 37 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Da gehst du komplett kaputt. Am Nachmittag fühlte es sich an wie 45 Grad Außentemperatur...

Und bei zwei Fahrern fällt ja die Erholungszeit ziemlich weg?

Bis du dich nach einem Stint ausgezogen hast, hast du noch 30 Minuten Zeit bis zum nächsten Einsatz. Du hast 38 oder 39 Grad Körpertemperatur und springst dann für zehn Minuten in den Pool, damit du wieder abkühlst.

Danach ist keine Zeit für eine Massage. Du kannst nur viel trinken, trinken, trinken, ein Gel schlucken, ein Stück Banane oder einen Powerriegel verzehren, aber viel Essen bringst du nicht hinunter.

Dann kannst du dich gleich wieder anziehen und bereit machen. Dann geht die Partie von vorne los.

Gab es eine Phase, in der Red Bull Honda hoffte, einen Stopp einsparen und deshalb gewinnen zu können?

Nein. Wir haben gewusst, wir müssen genauso sieben Mal stoppen wie alle andern. Etwas anderes geht sich gar nicht aus. Wir sind vielleicht im ersten Stint vier Runden länger gefahren. Aber deshalb kann man keinen Stopp einsparen.

Bei Takumi Takahashi war bei Einbruch der Dunkelheit ein dunkles Visier zu sehen? Hat ihn das behindert?

Nein, denn das war nur ein dunkles Abrissvisier. Takahashi war perfekt vorbereitet. Der ist ja dieses Rennen wahrscheinlich zum zehnten Mal gefahren. Dreimal hat er es schon gewonnen…

Hast du den dritten Platz nach der zeitweiligen Führung mit einem weinenden oder lachenden Auge zur Kenntnis genommen?

Ob man bei diesem Event dann Zweiter oder Dritter wird, ist egal. Es war hat am Schluss kurios, denn wir sind nach der Zieldurchfahrt davon ausgegangen, dass wir auf Platz 3 gelandet sind. Kurz vor dem Podium haben sie uns gesagt: «Yamaha hat gewonnen.»

Die Yamaha-Mannschaft hat also zu feiern begonnen. Nachher folgte die Podiumszeremonie, das war ein schönes Erlebnis, muss ich sagen, denn es herrschte eine tolle Stimmung, die Zuschauer waren begeistert.

Nachher wollten wir zur Pressekonferenz gehen, aber die hat sich ewig verzögert, weil in dieser Zeit Kawasaki den Protest eingelegt hat, völlig verständlich, wie ich meine. Dann ist das Ergebnis revidiert und Kawasaki zum Sieger erklärt worden. Wir sind von Platz 2 auf Platz 3 zurückgerutscht, Yamaha von Platz 1 auf Platz 2.
Für mich hat das keinen großen Unterschied gemacht, denn Kawasaki hat verdient gewonnen.

Ich habe während der letzten zwei Stunden extrem mitgefiebert. Als ich das Motorrad übergeben habe, habe ich gedacht: Takahashi wird es schon richten.

Wenn jemand verstehen kann, was er in den letzten zwei Stunden auf der Piste mitgemacht hat, dann bin es ich. Ich weiß, welche körperlichen Konsequenzen es hat, wenn man bei dieser Hitze im Finish einen Doppelstint fahren muss. Takumi hat mir gesagt, er habe einfach keine Energie mehr gehabt. Das muss man verstehen, denn das war eine Knochenarbeit. Noch dazu ist die Honda etwas schwieriger zu fahren als die Kawasaki.

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