Flop bei Aprilia: Neue Startvorrichtung nützt nichts
Andrea Iannone auf der Werks-Aprilia
Ducati Corse hat schon in der Saison 2018 bei etlichen Rennen an der Desmosedici mit einem «holeshot device» operiert, und zwar in erster Linie an der Pramac-Ducati von Jack Miller. Das Aprilia Racing Team Gresini verwendete so eine Startvorrichtung erstmals in Brünn bei Aleix Espargaró, allerdings wird bei Aprilia nicht das Federbein blockiert, sondern die Vordergabel. Genau so ein Konzept hat Honda schon 2012 verworfen. Es wurde damals eine Zeit lang vom Gresini-Honda-Team mit Álvaro Bautista und auch in der Britischen Superbike-Meisterschaft von Honda ausprobiert.
Mike Leitner, Teammanager von KTM und elf Jahre lang bis Ende 2014 Crew-Chief von Dani Pedrosa bei Honda, kennt die Schwachstelle des ursprünglichen Systems. «Der Clou bei diesen Startvorrichtungen, die ich kenne: Sie machen ein Motorrad schwerfälliger. Beim Motocross stehen und starten alle auf einer Linie. Es geht nur darum, wer aus dem Startgatter besser herausschießt. Wenn die Gabel aber bei einem GP-Start durch einen mechanisch betätigten Hebel abgesenkt wird, wird das Manövrieren der Rennmaschine schwerfällig. Wenn du zum Beispiel in der vierten Reihe losfährst und unmittelbar nach dem Start einem Vordermann ausweichen musst, musst du mit so einer Startvorrichtung klare Nachteile in Kauf nehmen.»
Das hat natürlich Gigi Dall’Igna, der schlaue Fuchs, auch mitbekommen. Deshalb hat er das alte Honda-System nicht nachgeahmt – und sein «launch device» statt mit der Gabel mit dem Federbein hinten verknüpft. Bei Jack Miller war das System schon 2018 mehrmals zu sehen, aber damals hat sich niemand so richtig darum gekümmert. Beim Sepang-Test 2019 und dann beim Saisonstart in Doha war es auch beim Werksteam an den GP19-Maschinen von Dovizioso und Petrucci in Betrieb. Und Ducati lag nach dem Start auf den ersten Plätzen.
Auch nach dem achten Startplatz in Österreich blieb Miller deshalb gelassen. «Wir kommen ja beim Start immer sehr gut weg…»
Manche Medien wurden erst im Frühjahr 2019 auf das Ducati-System aufmerksam, es wurden wüste Spekulationen angestellt. Italienische Journalisten schrieben sogar, mit dieser Vorrichtung werde das Seamless-Getriebe angesteuert. Sie solle helfen, beim Start den Leerlauf einlegen zu können. Unsinn: Schon im Motocross und in der Superbike-Szene wurde die Startvorrichtung nie in Zusammenhang mit einem Seamless-Getriebe aktiviert, weil dort gar keine Getriebe ohne Zugunterbrechung existieren.
«Bei den Motocross-Motorrädern ist es üblich, dass man vorne für den Start die Gabel zusammendrückt, um den Schwerpunkt runterzukriegen, das geht bei den Motocross-Bikes mechanisch. Da musst du wirklich einen Haken einhaken», bestätigt Ing. Sebastian Risse, der Head of Factory Road Racing bei KTM. «Das geht bei einer MotoGP-Startprozedur nicht. Ducati hat sich irgendetwas ausgedacht, was das den Fahrer machen lässt. Denn laut Reglement darf nur der Fahrer mechanisch in das Fahrwerk eingreifen. Ich habe mir das System letztes Jahr von außen einmal angeschaut, als Jack Miller damit gefahren ist. Ich würde mir wie Mike Leitner auch vorstellen, dass eine MotoGP-Maschine schwerfälliger wird, wenn du die Gabel runterdrückst. Es kommt darauf an, wie das System ausgelöst wird. Irgendwo muss man es ja nach dem Start auch wieder deaktivieren.»
Das Ducati-System funktioniert so, dass die Startvorrichtung deaktiviert wird, sobald der Fahrer erstmals die Vorderbremse betätigt.
Eine elektronische Deaktivierung ist in der GP-Szene verboten, es würde sich dann um eine elektronische Suspension handeln.
Fazit: Aprilia-Technicial-Director Romano Albesiano hat mit seiner Mannschaft eine Innovation an die Strecke gebracht, die Honda schon 2012 wegen Unbrauchbarkeit in die Tonne geworfen hat.
Aprilia braucht also andere Innovationen. Aleix Espargaró landete in Spielberg mit 34,7 Sekunden Rückstand auf Platz 14, Iannone wurde überrundet.