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Die MotoGP zwischen Reißverschluss und «track limits»

Von Mat Oxley
War die nachträgliche Bestrafung von MotoGP-WM-Leader Fabio Quartararo, dessen Lederkombi rundenlang offenstand, gerechtfertigt? Wahrscheinlich. Aber wird die Motorrad-WM von den Regeln zunichte gemacht?

Mehr als je zuvor leben wir in einer Welt, die von Regeln bestimmt wird: Tu dies, tu das und wenn du es nicht tust, haben wir ein Beweisbild und du wirst morgen Post bekommen. Oder Punkte auf deinem WM-Konto verlieren.

Was dazu führt? Der Wunsch nach Kontrolle und mehr Sicherheit. Das geht nicht nur von Regierungen, Behörden und Unternehmen aus, es hängt auch mit der Notwendigkeit zusammen, Unfälle und Zwischenfälle und die damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu verhindern, die Millionen kosten würden.

Dieser Prozesse findet zwangsläufig auch in der MotoGP statt: Die Dorna will das Rennfahren sicherer machen, für die Fahrer und zu ihrem eigenen Wohl.

Fabio Quartararo mit unfreiwilligen Einblicken

Am Sonntag wurde WM-Leader Fabio Quartararo mit einem Drei-Sekunden-Penalty bestraft, der ihm drei Punkte kostete, weil der Reißverschluss seiner Lederkombi in den letzten Rennrunden augenscheinlich offenstand. Ohne Brustschutz stellte der 22-jährige Franzose – sehr zur Freude einiger Fans – seine Brustmuskulatur zur Schau.

Dass die Rennleitung Quartararo nicht umgehend mit der schwarzen Flagge stoppte, war ein schwerwiegender Fehler von Leuten, die das Regelwerk besser kennen sollten. Nach einer ersten drei-Sekunden-Strafe (Abkürzung in der Schikane nach Start-Ziel) wurde der Yamaha-Werksfahrer als Vierter gewertet und hätte diese Position und die 13 WM-Punkte wohl auch behalten, wenn nicht gegnerische Hersteller eingeschritten wären und von den Regelhütern Antworten gefordert hätten. Darauf folgte ein Drei-Sekunden-Penalty, was den WM-Führenden auf P6 zurückwarf.

Ich persönlich glaube, dass es falsch war, Quartararo nach dem Rennen zu bestrafen. Wenn die Regelhüter einen Fehler begehen, sollten sie diesen Fehler schlucken.

Falls Quartararo den WM-Titel 2021 am Ende wegen der drei Punkte oder weniger verlieren sollte, würde ihn dieses Rennen für den Rest seines Lebens verfolgen. Er wäre nicht der Erste, dem so etwas passieren würde. 1981 verlor Suzuki-Pilot Randy Mamola die 500-ccm-WM, weil das Visier seines Nava-Helms bei zwei Rennen, die vom Regen beeinträchtigt wurden, beschlug und ihm die Sicht nahm. Das schmerzt den Amerikaner noch immer.

Ich trug ungefähr zur selben Zeit ebenfalls einen Nava und hatte dasselbe Problem. Ich habe versucht, es zu umgehen, indem ich meinen Atem zwischen den Kurven anhielt, um dann auszuatmen, während ich die Geraden lang fuhr und hoffe, dass mein Visier wieder klar sein würde, bis ich in die nächste Kurve kommen würde. Alles andere als ideal.

Die logische Schlussfolgerung dieser auf Regeln basierten Philosophie wäre natürlich, das zu verbieten, was das Motorradrennfahren gefährlich macht: das Stürzen. Die zu bestrafen, die die Kontrolle über das Motorrad verlieren, würde Unfälle vermindern und die Sicherheit der Fahrer, Streckenposten usw. erhöhen, oder nicht? Das ist kaum abzustreiten. Hoffentlich habe ich der Dorna damit keine Ideen gegeben.

Was uns zur nächsten philosophischen Frage bringt: Kann die MotoGP jemals zu sicher sein?

Der zweifache Weltmeister Casey Stoner fand schon. «Dieser Sport wird so erbärmlich, es gibt keine Gefahr mehr», sagte er 2010 zu mir, als die asphaltierten Auslaufzonen ein großes Thema wurden.

Ich bin einerseits einverstanden, andrerseits nicht. Natürlich will ich, dass das Rennfahren sicher ist, aber wenn jemand das Motorradrennfahren so sicher machen könnte wie Tennis, würde ich mir wohl eine andere Beschäftigung suchen.

Stoner hasste die asphaltierten Auslaufzonen, mit denen die Sicherheit erhöhte werden sollte. Das taten sie auch. Der Australier war aber der Meinung, sie würden es den Fahrern zu einfach machen und verrückte Überholmanöver fördern. Denn wenn ein Manöver nicht erfolgreich ist und der Angreifer von der Strecke abkommt, kann er anschließend trotzdem einfach weiterfahren, ohne wirklich dafür zu bezahlen. Es sei denn, er kollidiert mit dem Opfer.

Hier kamen die «track limits» ins Spiel. Wenn du den Fahrern mehr Asphalt gibst, werden einige von ihnen diesen Extra-Asphalt nutzen, um einen unfairen Vorteil herauszuschlagen. Also wurden neue Regeln eingeführt, um dem vorzubeugen.

Das Problem mit dem Grün

Weil das MotoGP-Racing – in allen drei Klassen – heutzutage so eng ist und Bruchteile einer Sekunde über die Platzierungen entscheiden, werden diese «track limits»-Regeln nun auf de Millimeter kontrolliert.

Vor zwei Wochen sahen wir in Mugello, wie Moto2-Pilot Joe Roberts den Podestplatz verlor, weil er auf der letzten Runde minimal weit war. Es erschien nicht fair, aber er hatte gegen die Regeln verstoßen. Egal ob man mit diesen Regeln einverstanden ist oder nicht.

Rund eine Stunde später brach nach dem MotoGP-Rennen im Parc Fermé das Chaos aus, als Miguel Oliveira mitgeteilt wurde, dass er auf der letzten Runde das Grün berührt hatte – womit er Platz 2 an Joan Mir verloren hätte, der ursprünglich Dritter war. Danach wurde aber kommuniziert, dass Mir ebenfalls die Streckenbegrenzung überschritten hatte. Also blieben ihre ursprünglichen Positionen doch wieder unverändert. Das ist wahrlich kein guter Weg, um die Feierlichkeiten im Parc Fermé abzuhalten.

Ursprünglich wachten Marshalls und Kameras über die grünen Flächen, seit dieser Saison sind es Drucksensoren an der Außenseite der Kerbs. In Mugello aber erkannte der Sensor Mirs Regelbruch nicht. Die Idee war, der Technologie anstatt dem menschlichen Ermessen die Entscheidung zu überlassen, aber was, wenn die Technologie nicht verlässlich ist?

Was sollte man tun? Das «Green» loswerden? Es mit spitzen Nägeln versehen? Die grünen Flächen neu platzieren oder gleich die Kurven neu designen?

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