Im MotoGP-Sprint in Jerez krachte es ständig

KTM RC16: Brutale Power-Entwicklung

Von Thomas Kuttruf
KTM-Ingenieur Sebastian Risse stand uns vor dem ersten Trainingstag zum «Gran Prémio de Portugal» für ein Gespräch zur Verfügung. Das Thema: Power. Der Deutsche erzählt vom Herz der aktuell schnellsten MotoGP-Rakete.

Nicht erst seit dem Sommer 2023 als Brad Binder mit 366,1 km/h den MotoGP-Speed-Weltrekord nach Österreich holte, gibt es keine Zweifel mehr an der Motor-Kompetenz der KTM RC16. Werksfahrer Binder wurde beim Saisonaftakt auf der Strecke in Losail von niemandem überholt. Vor der zweiten Runde in Portugal haben wir den technischen Manager auf die Power-Entwicklung angesprochen. Hier seine Antworten.

Sebastian, du bist seit Projektstart mit an Bord. Wie würdest du die Entwicklung der KTM RC16 in Bezug auf den Antrieb zusammenfassen?

Sebastian Risse, Technical Manager: «Ohne Frage, die Entwicklung der Leistung war absolut brutal. Ein bedeutender Punkt ist dabei der Einfluss der aerodynamischen Entwicklung. Das hat sehr viel verändert. Die Ankunft von Aero-Paketen hat den Anstieg der Leistung angetrieben. Dabei es geht vor allem um die Streckenleistung. Denn um den Benefits der Aerodynamik überhaupt nutzbar zu machen, brauchst du mehr Leistung. Wenn man es schafft etwas mehr Downforce zu erzeugen, dann braucht man auch mehr Power das in Speed umzusetzen. Das ist ja auch eine Spezialität der Klasse. In der Moto3 funktioniert das anders. Dort es nur darum, alle Luftwiderstände zu minimieren».

Können wir etwas über die Leistungswerte der aktuellen RC16 erfahren?

Sebastian Risse: «Was die Eckdaten des Motor angeht, liegen wir in der von Größenordnung von 300 PS. In Hinblick auf Drehmoment hat sich weniger getan. Hier wird es auch insgesamt weniger Unterschiede. Das liegt vor allem am Zylinder-Mitteldruck der sich erzeugen lässt. Die Frage ist, bei welcher Drehzahl liegt die Leistung und wie weit kann man ein Leistungsplateau ausdehnen. Den Fahrern zwischen den Schaltpunkten ein maximales Leistungsangebot zu machen, das ist die Aufgabe. Ein Spitzenwert alleine bringt nichts».

Wie würdest du die Charakteristik der RC16 beschreiben?

«Was ich sagen kann, wir haben im Vergleich zur Vergangenheit das Drehmoment im unteren Bereich eher zurückgenommen ».

Von welchen Drehzahlen reden wir in der Fahrpraxis?

Sebastian Risse: «Es ist schon ein großes Band. Unten kommt es in ganz langsamen Ecken schon vor, dass die Drehzahl auf 7000/min abfällt. Der Schaltpunkt in der Klasse liegt aktuell so zwischen 18.000 und 20.000/min. Das ist natürlich auch eine Frage der Philosophie. Höchste Drehzahlen bringen zwar Leistung, aber auch mehr Reibungsverluste und die Effizienz leidet, vor allem beim Spritverbrauch».

Der Spritverbrauch ist ja ein großes Thema. Er steht in direktem Zusammenhang mit der Leistung…

Sebastian Risse: «Man muss das im Detail anschauen. Grundsätzlich ja, aber es macht einen sehr großen Unterschied, in welcher Situation man sich befindet. Im Training kann man schon vor Ort eine Abstimmung entwickeln, die einem dann im Quali hilft. Es kann aber sein, dass man diese Variante dann im Rennen nicht einsetzen kann. Der größte Faktor beim Spritverbrauch im Rennen ist der Windschatten. Hier kann man sehr viel sparen oder verlieren. Und da entscheidet dann die Situation über die Leistung».

Bei diesen gewaltigen Leistungen, wie stellt ihr die Zuverlässigkeit sicher?

Sebastian Risse: «Natürlich ein sehr wichtiger Punkt. Dadurch das sämtliche Teile exakt dafür ausgelegt sind, ist die Haltbarkeit erstmal viel besser etwa als in der Serienentwicklung. Wir müssen aber dennoch sehr viel Überprüfungsarbeit leisten. Dies geschieht bei Dauerläufen und permanenten Tests auf den Motorprüfständen».

Welchen Stellenwert hat neben der Leistung die Laufkultur bei einem Renntriebwerk?

Sebastian Risse: «Wir schauen uns das durchaus intensiv an. Wir versuchen den Piloten ja ein gutes Gefühl zu verschaffen, sie sollen sich wohlfühlen. Das ist Teil einer guten Fahrbarkeit und eines unserer Ziele. Man muss aber auch sagen, dass die Fahrer da oft sehr unterschiedlich mit umgehen. Dani Pedrosa ist ein gutes Beispiel. Er ist extrem sensibel und setzt immer alles daran, dass das Bike mit ihm arbeitet. Mika (Kallio) ist da komplett anders. Dem kannst du jeglichen Charakter unterschieben. Ihn ein Bike für Dani entwickeln zu lassen, das wäre keine gute Idee».

Wie sehr variiert ihr die Leistung an einem Rennwochenende? Gibt es für ein Triebwerk auch Ruhephasen?

Sebastian Risse: «Natürlich haben wir Möglichkeiten, die Leistung zu verändern und machen das auch. Aber, ganz ehrlich, die Wahrheit ist, bei einem GP-Wochenende muss immer und in jeder Sitzung alles passen. Wir brauchen immer sehr viel Leistung. Massive Power-Unterschiede gibt es daher nicht».

Wie beurteilst du Portimão als Power-Strecke?

«Letztes Jahr war es hier hart für uns, dank Alex Márquez, der auf der Geraden extrem stark war, stärker auch als alle anderen Ducati-Fahrer (Anm. Binder wurde gegen Ende des GP von Platz vier auf sechs zurückgereicht). Grundsätzlich ist das hier aber keine Strecke, auf der der Motor über alles entscheidet. Es ist durchaus vergleichbar mit Katar, aber etwas langsamer. Das wir einen starken Motor haben, das wissen und ich gehe davon aus, dass wir dabei sein können».

Eine akademische Frage zum Schluss. Eine RC16 mit 300 PS aber ohne Aero-Teile. Würde das gut gehen auf einer Geraden?

Sebastian Risse: «Das ist keine akademische Frage. Das haben wir probiert. Vor einiger Zeit in Sepang. Es ist fahrbar im Sinne der Fahrstabilität, aber deutlich langsamer auch auf den Geraden. Weil die Leistung ohne Aero-Hilfen nicht zum Zug kommt».

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