MotoGP: Ein bittersüßer Moment für VR46

MotoGP-Rangordnung: Werksfahrer-Dominanz ist vorbei

Von Thomas Kuttruf
Bis vor kurzem galt in der MotoGP: Nur Werksfahrer haben eine Chance auf den Sieg. Ein Blick auf den Tabellenstand offenbart, wie sehr sich die Lage im Paddock geändert hat. Wer siegen will, braucht ein Bike aus Europa.

Die MotoGP-Saison 2022 zeichnete sich zuletzt durch ein formell ausgeglichenes Startfeld aus. Vertreten waren sechs Hersteller. Ducati, Aprilia, Honda, Yamaha, KTM – und Suzuki. Jeder Hersteller hatte zwei offizielle Werksfahrer nominiert. Die andere Hälfte des Grids setzte sich aus einem Dutzend «Privatfahrer» unabhängiger Teams zusammen. Nach der letzten Glocke des Jahres, dem traditionellen Jahresabschluss in Valencia, hatten die Werke ihre Stärke eindeutig und Beweis gestellt.

Unter den ersten sieben Piloten der Endabrechnung tauchten sechs Werksfahrer auf. Lediglich Enea Bastianini war es gelungen, als Dritter der WM auf der Gresini-Ducati die Hersteller-Elite zu torpedieren. Die starke Leistung ermöglichte dem Italiener den Sprung in Werksteam. Jack Miller, damals neben Pecco Bagnaia offiziell im Dienst der Roten, musste als WM-Fünfter gehen.

Seit dem schnellen Suzuki-Ausstieg zur Saison 2023 gibt es nur noch 22 Aktive – zehn Werksfahrer und 12 Piloten unabhängiger Teams, die auch eine eigene Wertung ausfahren.
Mit der neuen Ordnung wurden auch die Ergebnislisten durcheinander gerüttelt. Mit Jorge Martin führt der Pilot eines Werksmotorrads, aber eines unabhängigen Teams die Tabelle an. Dahinter mit Pecco Baganaia ein Werks/Werksfahrer. Es folgt Marc Márquez als reiner Privatfahrer auf einer Vorjahres-Ducati. Hinter Ducati-Lenovo-Racer Bastianini liegt Pedro Acosta. Der Rookie hat einen Vertrag mit dem Werk, sitzt auf einem Werksrenner, der aber von einem unabhängigen Team betreut wird. Auf Platz sechs, Maverick Vinales als reiner Werksfahrer.

Das Spiel lässt sich beliebig fortsetzen. Denn die WM-Tabelle ist komplett durchgemixt zwischen rein offiziellen, halb-offizellen und rein-privaten MotoGP-Piloten. Fast bizarr geht es ganz am Ende zu, denn mit Luca Marini liegt ein Werksfahrer auf der Werks-RC213V und dem damit statistisch erfolgreichsten MotoGP-Bike überhaupt mit null Punkten abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Während es noch vor wenigen Jahren vor allem darum ging, in einem reinen Werksteam unterzukommen, spielt heute in erster Instanz der Hersteller eine Rolle. Die heute offen ausgesprochene Devise «lieber ein Privatfahrer auf einer Ducati oder Aprilia als ein Werksfahrer für Honda oder Yamaha» hätte früher als Fahrerlager-Gag gedient. Wobei mit früher hier nicht die schwarz-weiß-Ära des Rennsports gemeint ist.

Zwischen 2014 und 2020 waren die Top-5 der WM-Tabelle eine Art zugemauerter Bereich, in den Privatfahrer keinen Zutritt hatten. Interessanterweise war es Franky Morbidelli, der als erster die Türe eintrat und sich 2020 den Vize-Titel auf der privaten Yamaha des Petronas-Teams holte. Ausgerechnet ein japanischer Hersteller hatte vor gerade einmal vier Jahren bewiesen, dass es bei dem noch immer gültigen Reglement keinen Werksfahrer-Status für Erfolge braucht.

Während es die Japaner dann in nur zwei Jahren geschafft haben, ihren über Jahrzehnte gehaltenen Vorsprung zu verspielen, gelang es den Europa-Marken, insbesondere Ducati, die hart erarbeitete Führerschaft auch noch in der Breite zu verteilen. Verbunden mit dem Risiko, dass, wie erstmals in der Geschichte der MotoGP 2023 passiert, eine unabhängige Mannschaft (Pramac) die Team-WM einfährt.

Mit der gegenwärtigen Situation hat sich auch ein im Zeichen des Profi-Sports entscheidender Faktor verschoben. Die Gehälter der Piloten stehen in keinem Verhältnis zum Tabellenstand. Während in der alten Rangordnung, die an die Werke gebundenen Piloten mit der höchsten Gage in aller Regel vorne waren, ist die Ordnung 2024 eine andere.

Realität ist: Fabio Di Giannantonio verdient mit geschätzt 300.000 Euro etwa 10 Prozent eines Alex Rins und fünf Prozent von Fabio Quartararo, obwohl der Ducati-Privatfahrer als Neunter der WM weit vor den beiden Yamaha-Werksfahrern rangiert. Aus sportlicher Sicht gilt es ein Motorrad aus Europa zu bewegen. Steht die Wirtschaftlichkeit ganz vorne, bleibt ein Vertrag als Werksfahrer oberstes Ziel.

Und – auch in der außergewöhnlichen Situation heute, hat kein Werksfahrer seinen Vertrag geschenkt bekommen.

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