Valentino Rossi: Ist er zu alt für MotoGP?
Valentino Rossi
Seit seiner Rückkehr zu Yamaha nach zwei Jahren Durcheinander bei Ducati hat sich Valentino Rossi durch so viele bedeutende Momente seiner Karriere geschlagen, dass er bald darin ertrinken müsste. Innerhalb von nur sechs Rennen durchlebte der grosse Star der vergangenen Zeiten Höhen sowie Tiefen – letzteres mehr als nur einmal.
Das letzte Tief hatte er zu Hause in Italien. Während er in Mugello am ersten Tag schnell fuhr, warf es ihn beim Qualifying am Samstag zurück in die dritte Startreihe und nach nur drei Kurven im Rennen in den Kies.
Der Unfall war die Schuld Alvaro Bautistas, laut Rossi. Oder Rossis Schuld, wenn man dem Spanier glaubt. In den Augen der Funktionäre in ihrem Elfenbein-Kontrollturm trägt gar niemand die Schuld, man nennt es beschönigenderweise einen «Rennunfall».
In den Augen der meisten Zuschauer machte der Unfall die verbleibenden 23 Runden des Rennens in Mugello unbedeutend, wenn nicht sogar ungültig. Die Zuschauer verliessen die Rennstrecken nicht alleine oder zu zweit. Ein Kollege, der zu spät kam, sah ganze Busse voll, die die Strecke frühzeitig verliessen.
Die meisten Fans blieben und nahmen ani der üblichen Strecken-Invasion für die Siegerehrung teil, bei der Lorenzo, Pedrosa und Crutchlow standen, nass vom Schweiss und vom Champagner. Die Masse von gelben Hüten und T-Shirts unterhalb sang ihr ihre übliche Parole, «Rossi, Rossi, Rossi», in der Hoffnung, dass dieser auftauchen würde, wie er es letztes Jahr getan hatte, obwohl er nur Fünfter geworden war. Und Rossi erschien – wie gewünscht,
Rossi: Das Alter macht ihm zu schaffen
Rossi hat dieses Jahr noch zwölf Rennen Zeit, um zu zeigen, was er drauf hat, aber es wird immer schwieriger. Die schnellen jungen Typen sind einfach zu... naja, schnell und jung. Die Schwierigkeiten des 34-jährigen Rossi haben nichts mit Talent oder Hingabe zum Rennsport zu tun, sondern mit dem Alter.
Die neuen 1000-ccm-MotoGP-Maschinen und besonders die neuen Einheitsreifen benötigen unterschiedliche Fahrtechniken als in der Vergangenheit, hat Rossi inzwischen mehrmals erklärt. «Die Art, das Motorrad zu fahren, hat sich sehr verändert. Heutzutage musst du Tricks mit dem Motorrad anstellen, die für einen alten Fahrer wie mich sehr schwer zu erlernen sind», stellte er fest.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.
Es ist etwas traurig zu beobachten für diejenigen, für die die Rossi-Ära ein reines Vergnügen war. Also für die meisten von uns, wie ich mir vorstellen kann. Es muss auch für Valentino ziemlich hart sein. Aber er hat die Freude am Rennfahren offenbar noch nicht verloren. Er ist keineswegs bereit aufzuhören.
Ob er bereit ist, künftig gegen die kleineren Lichter weiterzukämpfen, während der 20-jährige Marquez auf die vorderen Plätze fährt, ist ein anderes Thema.
Rossi hat zwei Optionen
Es bleiben nur zwei Optionen. Rossi könnte Autorennfahrer werden. Oder dem Beispiel seines gehassten früheren Rivalen Max Biaggi in die Superbike-WM zu folgen. Dort könnte er auch mit 35 Jahren die gleichen Erfolge erzielen wie er ihn in den ersten zehn der dreizehn Jahre in der Königsklasse.
Rossi in in der Superbike-WM, das wäre ein neues Kapitel in der Geschichte. Er würde die Loyalität seiner hartgesottenen Fans auf die Probe stellen, auf die man sich normalerweise verlassen kann. Die Horden, die sonst die Plätze bei den Grand-Prix-Rennen bevölkern, würden stattdessen in Monza und Misano auftauchen.
Der gleiche Effekt würde ohne Zweifel auch in anderen Ländern erzielt werden – vielleicht in einem kleineren Ausmass, aber immer noch in bedeutender Art und Weise. MotoGP würde überall an Attraktivität verlieren, ausser in Spanien. Die Superbikes würden die Wichtigkeit erlangen, welche sich die Organisatoren seit langem wünschen.
Es gibt einen vergleichbaren Fall in Grossbritannien. In den Jahren, in denen Carl Fogarty der Rossi der Superbikes und Doohans MotoGP-Regentschaft in vollem Schwung war, war die SBK-Serie die führende in Foggys Heimatland. Der Britische Grand Prix lockte nur jämmerliche 20.000 Zuschauer an, während zwei Superbike-Rennen im Jahr in England locker viermal so viele Fans vorweisen konnten, was zu Staus und Chaos führte, wie es sonst nur die Grands Prix verursachen.
Die Organisatoren? Seit letztem Jahr sind es keine verschiedenen Manager mehr. Die SBK gehört zur Dorna, die auch als MotoGP-Promoter agiert.
Was für eine süsse Ironie wäre es, wenn ihre Übernahme der kriselnden Superbike-Serie ein riesiger Erfolg werden würde – zu Lasten der älteren MotoGP-Serie.
Man sagt, kein Mensch sei grösser als der Sport.
Auf längere Sicht ist dies womöglich wahr. Wie auch immer, im Moment ist vielerorts das Gegenteil der Fall. Rossi ist für viele Hunderttausend die Definition des Motorradrennsports; ein Rennen ohne ihn ist wertlos. Gewinnen oder verlieren, solange er bei Rennen in Italien auftritt, hat er den Motorradrennsport fest in der Hand.