Lin Jarvis (Yamaha): «Superweiche Reifen unnötig»
Yamaha-Rennchef Lin Jarvis mit Tech3-Yamaha-Chef Hervé Poncharal
Lin Jarvis ist Managing Director von Yamaha Factory Racing, er ist also für das Team mit Rossi und Lorenzo verantwortlich, aber auch für die Kundenteams Tech3 und Forward. Und er ist mit der umstrittenen Open-Class-Situation nicht begeistert.
Lin, hat das Yamaha-Werksteam auch darüber nachgedacht, mit allen Fahrern unter Open Class-Regeln anzutreten, wie es Ducati jetzt gemacht hat?
Nein. Nicht einmal eine Sekunde lang. Vielleicht hätten unsere Fahrer das gern gehabt. (Er lacht). Aber Yamaha als Werk – nein.
Es wäre doch für Yamaha ganz nett gewesen, wenn sich nur Honda in der Factory-Class abgestrampelt hätte?
Nein, wir sehen das anders. Wir wollen Honda mit gleichen Mitteln besiegen, sonst ist es unbefriedigend. Wir wollen auf demselben Spielfeld wie Honda antreten. Sonst würden unsere Siege nicht sehr schmackhaft sein. Wir müssen uns mit gleichen Bedingungen und mit identischen technischen Spezifikationen messen.
Deshalb sind wir froh, dass Ducati wieder unter das Factory-Dach zurückgeholt wurde.
Wir wissen, dass sie eine Factory-Option bekommen haben, die sehr nahe an den Open-Zugeständnissen dran ist. Aber im Grund treten alle Werke auf demselben Level an.
Es war also wichtig, dass alle Werke beisammen bleiben? Um das zu erreichen, haben die Japaner Ducati einige Zugeständnisse gemacht?
Genau. Ich glaube, das war wichtig.
Überraschen dich die Erfolge der Open-Bikes? Besonders die M1 von Aleix Espargaró?
Nicht wirklich. Denn wir haben das Projekt entwickelt, wir wussten also, dass sich dieses Motorrad nicht stark von unseren Werksmaschinen unterscheidet.
Das Motorrad ist schnell. Wenn das Set-up und das Chassis passen, kann man damit schnell sein. Und Aleix ist sehr, sehr schnell. Ich bin also nicht überrascht. Wir haben Forward geholfen, wir haben ihnen neben den Motoren auch das Chassis und die Schwinge gegeben. Wären diese Teile von einer anderen Firma erzeugt worden, wären wir mit Forward vielleicht nicht in derselben Position. Forward hat grössere Vorteile, als wir ursprünglich beabsichtigt haben. Wir haben mit Aleix einen starken Fahrer, dazu weichere Reifen, mehr Sprit. Es wird interessant, wie sich das alles im Rennen auswirkt. Können die Open-Status-Fahrer im Rennen die weicheren Reifen nehmen? Wenn das klappt, wird sich alles ändern.
Valentino Rossi meint, man wird die wahren Kräfteverhältnisse eventuell erst in der zweiten Rennhälfte zu sehen bekommen?
Ja, in einer einzigen Runde die Bestzeit zu fahren, das ist leichter als eine Renndistanz mit hohem Speed durchzustehen. Aber eine schnelle Runde ist noch keine Voraussetzung für ein starkes Rennen. Der Sonntag wird ein grosses Fragezeichen. Der Start ist um 22 Uhr Ortszeit. Gestern hatten wir um diese Zeit noch 23 Grad. Können bei solchen Temperaturen die Open-Teilnehmer die Super-Soft-Reifen auch im Rennen fahren? Es sieht nicht so aus, Aber wer weiss? Vielleicht riskiert es einer?
Der weiche Hinterreifen ist also das grosse Thema?
Ich persönlich glaube, dass dieser weiche Reifen ein Überbleibsel aus der Claiming-Rule-Zeit ist. Er wurde eingeführt, um die langsamen CRT-Bikes, die weniger PS hatten, näher an die Prototypen heranzubringen.
Die CR-Fahrer brauchten ein paar Erleichterungen. Aber eines ist klar: Ein Bike wie die Forward-Yamaha braucht diese Vorteile nicht mehr. Mir wäre es lieber, wenn der superweiche Reifen aus der Allocation entfernt würde.
Aber das ist eine persönliche Meinung.
Wenn die Open-Bikes im Rennen so stark sind wie im Training, dann wird es drunter und drüber gehen?
Ohne Zweifel. Wenn die Open-Fahrer konstant schneller sind als die Werksfahrer, dann stimmt etwas nicht. Dann müssen sich gewisse Leute das genau anschauen. Dann stimmt etwas bei den Vorschriften nicht. das muss man dann separat prüfen.