Bridgestone: Die Suche nach sinnvollen Lösungen
Valentino Rossi: Vorderreifen ging ein, nur achter Platz in Texas
Bridgestone gerät Einheitsreifenlieferant in der MotoGP-Weltmeisterschaft immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Der zweite Drei-Jahres-Vertrag mit der Dorna läuft am Jahresende aus. Er wird um ein Jahr verlängert werden. Dann werden für 2016 auch Michelin, Pirelli und Dunlop um einen neuen MotoGP-Einheitsreifendeal wetteifern.
Realistische Chancen neben Bridgestone wird aber nur Michelin haben. denn Pirelli ist in der Superbike- und Supersport-WM bereits Lieferant, Dunlop in der Moto3 und Moto2.
SPEEDWEEK.com hat Thomas Scholz, Chief Coordinator von Bridgestone Motorsport, um ein paar Erklärungen gebeten.
Thomas, die ganzen Diskussionen über Bridgestone entstehen, weil es oft keine passenden Mischungen gibt. Die harten Hinterreifen waren zum Beispiel das ganze Jahr 2013 hindurch für die zwölf Prototypen untauglich. Dorna, IRTA, Fahrer und Werke wollen pro Weekend eine breite Auswahl. Das ist doch verständlich? In Texas ist wieder nur Márquez mir dem harten Hinterreifen gefahren.
Ja, gut, da müsste man zuerst einmal die Frage klären, wie viele Reifen wollen die Fahrer überhaupt pro Wochenende?
Jetzt gibt es bei Trockenheit neun Vorderradreifen und elf Hinterradreifen. Die können sie verwenden.
Momentan haben wir zwei verschiedene Varianten pro Weekend. Wir könnten sie auch auf drei oder vier erhöhen.
Dann muss man aber bedenken: Man muss von jeder Mischung mindestens fünf Reifen anbieten. Rechne mal hoch: Bei 23 Fahrern sind das 230 Reifen mehr pro Rennen, dazu braucht man Reserve produzieren, also 250. Bei vier statt zwei Mischungen müssten wir sogar 500 zusätzliche Reifen produzieren. Dadurch würden die Frachtkosten extrem steigen.
Ein Hinterreifen kostet ca. 600 Euro, das macht also reine Reifenkosten ca. 150.000 Euro mehr pro Rennen ohne Transport, LKW und so weiter. Das das bei 18 Rennen plus alle Tests...
Für Europa müssten wir einen zusätzlichen Lkw kaufen. Dadurch würden die Kosten völlig ausufern. Allein die Frachtkosten würden sich um ein Drittel erhöhen.
Und die Teams kriegen ja von uns alles kostenlos. Also müssten wir die Kosten selber abfangen.
Es gibt auch Kritik, weil die Reifen mit Schiffsfracht verschickt werden statt mit Luftfracht, was viel Zeit kostet?
Das geht finanziell gar nicht anders. Das machen Pirelli und Dunlop genau so.
Ausserdem: Ob sich die Situation mit drei oder vier Mischungen verbessern würde, weiss ich nicht genau. Ich habe das schon einmal erwähnt. In Indy 2013 wollten wir einen neuen Hinterreifen für Brünn bringen und haben den Teams angeboten, wir bieten dort drei Mischungen an, dann haben alle geschrien: Drei verschiedene Hinterradreifen sind uns zuviel.
Mit dem Wissen von heute würde Bridgestone einen Dual-Compound für vorne machen, mit einer härteren Mischung rechts?
Wir müssen für 2015 sicher etwas ändern, denn die Gripverhältnisse in Texas werden ungefähr gleich bleiben.
Wir haben jetzt für vorne nur soft und Medium dabei gehabt, wir hätten auch eine härtere Mischung für vorne gehabt. Aber wenn wir den genommen hätten, hätte in den schnellen S-Kurven wieder Grip gefehlt, dann wären dort Stürze übers Vorderrad passiert.
Wir müssen also entweder eine neue Vorderreifen-Mischungsgeneration bringen, die so etwas besser wegsteckt. Oder wir müssen über einen Dual-Compound nachdenken. Dafür ist es jetzt für 2015 noch etwas zu früh. Dass wir etwas verändern müssen, ist uns klar. Das haben wir beim rennen am Sonntag gesehen. Es hat uns dort mit den Vorderreifen stärker erwischt, als wir erwartet haben.
Die Medium-Mischung der 2014-Hinterradreifen-Generation wird beim Le Mans im Mai durch eine neue Variante ersetzt, die mehr Grip und ein besseres Gefühl vermitteln soll. Werden dann die Klagen weniger werden?
Wir hoffen natürlich, dass die Idee, die wir jetzt damit haben, einschlägt.
Wir projezieren einfach die Vorzüge des neuen harten, hitzebeständigen Hinterreifens. Im Vergleich zum harten Reifen von 2013 sind die Fahrer mit diesem neuen Hinterreifen deutlich mehr zufrieden, er ist vielfältiger einsetzbar. In Texas haben einige darüber nachgedacht, diesen Reifen im Rennen zu fahre. Es waren einige damit sauschnell, nicht nur Márquez.
Er hat aber auf dieser Strecke in Austin auf Distanz keinen Vorteil gebracht gegenüber dem Medium. Deshalb ist der Grossteil im Rennen bei den kühleren Temperaturen den Medium gefahren, um in der Anfangsphase mehr Grip zu haben. Es ahnte ja jeder, dass Márquez da vorne wegfährt. Die Gegner mussten sich also etwas einfallen lassen, um möglichst lange dranbleiben zu können.
Kevin Schwantz hat sich in Texas gewundert, warum Maverick Viñales in der Moto2 in der 16. von 19 Rennrunden noch die Quali-Bestzeit von Rabat fahren konnte, während in der MotoGP alle Fahrer ihre Bestzeiten in den ersten fünf Rennrunden fuhren?
Ja, so ein Unsinn, die Moto2 ist eine ganz andere Liga. Die kommen mit 270 km/h zu einer Kurve, die bohren ja im Vergleich zur MotoGP richtig in der Nase. Die MotoGP-Piloten kommen mit 350 angeflogen. Dazu haben sie mit 160 kg ein höheres Motorradgewicht, die müssen ganz anders anbremsen. Das kann man nicht vergleichen.
Dunlop hat in der Viertakt-MotoGP-Ära nie einen Reifen gebracht, der funktioniert hat.
Bridgestone hat sich also die falsche Klasse ausgesucht?
Die Moto2 wäre sicher viel einfacher. Aber wenn wir in der Königsklasse antreten, müssen wir mit dieser Kritik leben. Das ist ja auch okay. Sie muss nur sachlich richtig sein.