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Stefan Bradl: Vertrag mit Forward-Team gekündigt

Von Günther Wiesinger
Bester Open-Fahrer im Assen-Qualifying: Jubel nach Startplatz 13 bei Forward Racing, ganz links Giovanni Cuzari

Bester Open-Fahrer im Assen-Qualifying: Jubel nach Startplatz 13 bei Forward Racing, ganz links Giovanni Cuzari

Stefan Bradl hat seinen Ein-Jahres-Vertrag mit dem Forward-Team nach den jüngsten Vorkommnissen aufgelöst. Er will trotzdem in Indy oder Brünn wieder nach WM-Punkten jagen.

Das war ein höchst abwechslungsreicher Monat für Stefan Bradl. Am Samstag, 27. Juni, erlitt er in der sechsten Rennrunde bei der Dutch-TT in Assen einen Kahnbeinbruch.

«Ich habe mir das Video inzwischen mehrmals angeschaut. Das Kahnbein ist gebrochen, als es mir bei diesem Hinterradrutscher vor dem Highsider den Lenker voll gegen die Hand geschlagen hat», erzählte Bradl.

Zwei Tage später wurde der Forward-Yamaha-Pilot im Klinikum Augsburg von Dr. med. Stefan Krischak operiert, es wurde eine Herbert-Schraube eingesetzt.

Sechs Tage danach sagte Bradl die Teilnahme am Heim-GP auf dem Sachsenring (12. Juli) ab.

Dort fanden danach einige Gespräche und Verhandlungen für die Saison 2016 statt, neben Pramac-Ducati und Aprilia Racing hatte auch Forward-Teambesitzer Giovanni Interesse, er wollte bis zum Indy-GP eine Offerte für die kommende Saison unterbreiten. Francesco Guidotti, Teammanager von Pramac-Ducati: «Stefan Bradl ist bei uns eine Option für 2016.» In diesem Fall müsste Yonny Hernandez Platz machen, er könnte zu Avintia-Ducati wechseln.

Aber bei Pramac haben sich auch andere Fahrer angeboten – Pol Espargaró, Bradley Smith, Cal Crutchlow und Johann Zarco beispielsweise.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Einen Tag Tag nach dem Deutschland-GP wurde Giovanni Cuzari verhaftet.

Damit war klar: Die Sommerpause bis zum Indy-GP würde sich für Stefan Bradl nicht gerade gemütlich und harmonisch gestalten.

Der siebenfache GP-Sieger wartete täglich auf Neuigkeiten von Forward Racing, vor allem was die plötzlich fraglich gewordene Teilnahme am Indy-GP (9. August) betraf. Die Informationen von Forward sickerten spärlich und waren alles andere als beruhigend. Athinà habe sich als Hauptsponsor zurückgezogen, man werde vorläufig im besten Fall in neutralem Design von Forward Racing fahren wie bei den zwei Sepang-Tests, war aus dem Tessin zu hören.

Am vergangenen Freitagabend (24. Juli) verbreitete sich die Nachricht, die Flüge des Forward-Teams nach Amerika seien storniert worden. Diese Neuigkeit sollte sch bald bestätigen.

Denn am Montag um 9.30 Uhr erhielt Bradl ?durch Teammanager Marco Curioni Gewissheit: Auf Indy wird verzichtet, wurde ihm in einem Telefonat mitgeteilt, Brünn am 16. August sei ungewiss. Später folgte ein offizielles Statement des Teams – mit höchst fadenscheinigen Äusserungen, was die Zukunft betrifft.

Curioni sprach von Schulden, er erwähnte finanzielle Schwierigkeiten, denn es fehlt an Vollmachten des Forward-Teambesitzers Giovanni Cuzari, der angesichts schwerer Beschuldigungen (Verdacht auf Steuerhinterziehung, Bestechung und Geldwäsche) in Haft sitzt – für mindestens 30 Tage.

Stefan Bradl liess trotzdem zuerst am Montag (27. Juli) einen Medical Check vornehmen; Dr. Wolfgang Streifinger gab nach der Röntgenkontrolle grünes Licht für Indy.

«Ich kann inzwischen sogar Liegestütze machen, ?wenn auch noch nicht perfekt. Aber ich werde bis zum ersten Training in Indy am übernächsten Freitag wieder einsatzfähig sein», stellte der Bayer heute fest.

Nach ausführlichen Gesprächen mit dem Rechtsanwalt kündigte Stefan Bradl im Laufe des Dienstags den Vertrag mit der Firma Forward Team S.A. in Lugano/Schweiz.

Bei Durchsicht des Vertrags kamen zwei namhafte Rechtsanwälte zur festen Überzeugung, Forward hätte Bradl in mehreren Punkten berechtigten Anlass zu einer sofortigen Vertragsauflösung gegeben.

Durch die schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen Firmenchef Cuzari und dessen Verhaftung sei der Ruf des Teams, der Sponsoren und der Fahrer beeinträchtigt und aufs Spiel gesetzt worden, der Verzicht auf den Indy-GP sei ein weiterer Kündigungsgrund. Es seien völlig veränderte Umst?ände gegeben, dazu hersche Ungewissheit die Zukunft betreffend, wurde geltend gemacht. Als am gestrigen Montag auch noch der ehemalige Cuzari-Paratner Mario Rezzi (er war Finanzchef bei Cuzaris Frma Media Action) aus seiner Villa in Paradiso/Tessin in Handschellen abgeführt wurde, klingelten bei vielen Teammitglieden endgültig die Alarmglocken.

Inzwischen sind auch WM-Vermarkter Dorna Sports SL und die Teamvereinigung IRTA durch Forward von Stefan Bradls Kündigung in Kenntnis gesetzt worden.

Jetzt kann der 25-jährige Bayer getrost Verhandlungen für den Rest der Saison 2015 und 2016 führen.

In der MotoGP-WM ist momentan nur der Platz des entlassenen Marco Melandri bei Gresini Aprilia Racing frei. Testfahrer Michael Laverty steht als Notnagel für Indy bereit. Ob die Zeit für Stefan Bradl reicht, um rechtzeitig eine Vereinbarung bis Indy oder Brünn zu schliessen, lässt sich momentan nicht abschätzen.

Fakt ist, dass Stefan Bradl bei Aprilia Racing schon im Juni als Ersatz für Melandri ein Thema war. Deshalb waren Cuzari und Curioni beim Barcelona-GP etwas unruhig; es gab sogar eine Krisensitzung.

Bradl wischte damals alle Spekulationen vom Tisch. «Ich bin kein Typ, der mitten in der Saison irgendwo wegläuft.»

Inzwischen haben sich die Vorzeichen geändert, Bradl ist seit heute vertragslos. «Ich will so bald wie möglich wieder auf einem MotoGP-Bike sitzen», sagt Bradl, der sich für Indy einsatzbereit fühlt, «Ich werde bis dahin zu 95 oder 100 Prozent fit sein», ist er überzeugt.

Weder Aprilia Racing noch Bradl äussern sich momentan zur Frage, ob es konkrete Verhandlungen gibt und ob es zu einer Einigung kommen könnte.

IRTA und Dorna würden Bradl bei einem etwaigen Teamwechsel keine Steine in den Weg legen und einen Transfer nach einem Antrag Bradls im Selektions-Komitee befürworten.

«Es wäre gut für Stefan und gut für die Meisterschaft, wenn er bald wieder auf einer MotoGP-Maschine sitzen würde», erklärte Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta am Dienstag gegenüber SPEEDWEEK.com.

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