Über Alexander Albon
Die Spatzen hatten es schon länger von den Dächern geträllert, Ende November 2018 kam nach einer wochenlangen Hängepartie endlich Bewegung in die Sache: Der thailändisch-britische Racer Alexander Albon fährt 2019 für Toro Rosso-Honda in der Formel 1. Zuvor musste ein Vertrag zwischen Albon und Nissan e.dams in der Formel E aufgelöst werden. Wieso fiel die Wahl auf Albon? Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost: «Alexander hatte 2018 eine beeindruckende Formel-2-Saison. Er gewann vier Mal und wurde Gesamtdritter. Die Art und Weise, wie er in den Rennen überholt, die zeigte uns, dass er bereit und gereift ist, den nächsten Schritt zu machen.»
Albon gehörte in der Vergangenheit bereits dem Red-Bull-Nachwuchsprogramm an, wurde aber entlassen, Rennchef Dr. Helmut Marko war von den Ergebnissen enttäuscht. Dann Ende 2018 die Rückkehr. Albon bedankte sich bei Red Bull für die zweite Chance: «Es gab in meiner Karriere bereits einige Höhen und Tiefen. Als ich 2012 aus dem Nachwuchsprogramm flog, wusste ich, dass mein Weg schwieriger werden würde. Ich habe hart gearbeitet und versucht, jedes Mal zu beeindrucken, wenn ich ins Auto durfte. Dass sich mein grosser Traum nun erfüllt hat, das ist einfach nur unglaublich.»
Albon wurde am 23. März 1996 in London geboren und durchlief die klassische Rennschule der Gegenwart: Karting (Landes- und Europameister), dann Formel Renault 2.0, das war die Saison, in welcher er überhaupt nicht zurande kam und von Marko wieder aus dem Red-Bull-Nachwuchsprogramm hinauskomplimentiert wurde.
2014 platzte endlich der Knoten: Dritter Schlussrang bei den Zweiliter-Renault, das freute auch seinen Vater Nigel Albon, der früher in der britischen Tourenwagenmeisterschaft antrat und im britischen Porsche Carrera Cup. 2015 wurde Albon EM-Siebter in der Formel 3, 2016 Gesamtzweiter der GP3 hinter einem gewissen Charles Leclerc, heute Ferrari-Werksfahrer.
2017 schloss er seine erste Saison in der Formel 2 als Zehnter ab, 2018 steigerte er sich auf den dritten Schlussrang hinter jene beiden Landsleute, die mit ihm den Schritt in die Formel 1 2019 machen – George Russell und Lando Norris.
Der Londoner Alexander Albon hat in der zweiten Saisonhälfte 2019 dermassen überzeugt, dass er auch 2020 an der Seite von Max Verstappen für Red Bull Racing-Honda fährt. Der 23-Jährige hat seine erste GP-Saison als solider Achter abgeschlossen. Nach dem Wechsel von Toro Rosso zu Red Bull Racing hat Albon im Anschluss an die Sommerpause in neun Rennen acht Mal gepunktet (in Brasilien wurde er nach einer Kollision mit Hamilton nur 14., statt als Zweiter auf dem Siegerpodest zu stehen, Alex vergoss bittere Tränen); er wurde Vierter in Japan, Fünfter in Belgien, Russland, Mexiko und den USA sowie Sechster in Italien, Singapur und Abu Dhabi.
«Manchmal musste ich mich daran erinnern, dass ich eigentlich noch immer ein Neuling bin», findet Albon. «Denn nach dem Wechsel in der Sommerpause fühlte sich das nicht mehr so an. Die Erwartungen bei Red Bull Racing waren natürlich grösser. Ich glaube, ich darf mit meiner ersten Saison wirklich zufrieden sein. Klar erinnere ich mich gerne an gute Momente, aber vor allem arbeite ich unermüdlich daran, mich zu verbessern.»
«Ich wollte es nie als Ausrede gelten lassen, ein Neuling zu sein. Ich erwarte von mir selber. Die Formel 1 ist Team-Sport, aber letztlich geht es darum, wie du als Einzelkämpfer das Beste aus dir herausholst. Die Art und Weise, wie du deine Aufgaben am Lenkrad löst, sind sehr individuell. Ich habe mich immer wieder selber in Frage gestellt. Eine meiner grössten Lehren besteht darin, es im freien Training ein wenig ruhiger angehen zu lassen.»
Mit der Erfahrung von 21 Grands Prix will Albon 2020 endlich den ersten Podestplatz einfahren. Gegenüber den Kollegen der britischen Sky meint Alex: «Klar will ich vorne mitmischen. Mir ist klar, dass ich dazu weiter hart an mir zu arbeiten habe. Ich habe noch lange nicht alles aus mir herausgeholt. Es gibt Bereiche, in welchen ich weiter zulegen muss.»
«Eine Saison Erfahrung zu haben, gibt mir das Gefühl zu wissen, was auf mich zukommt. Ich kenne alle Pisten. Ich habe ganz verschiedene Szenarien von Rückschlägen erlebt. Mit Max an meiner Seite kann ich dazulernen. Sein Speed steht wohl ausser Frage. Aber ich kann anhand der Daten nachvollziehen, wo er besonders gut ist. Danach liegt es an mir, meine Arbeit so gut zu machen, dass ich die Lücke zu ihm schliessen und ihn eines Tages überholen kann. Das wäre schön.»
Zum 2020er Renner von Red Bull Racing-Honda meint Albon: «Wir haben natürlich noch keinen Meter zurückgelegt, aber im Simulator haben wir einen ersten Vorgeschmack aufs Fahrverhalten bekommen. Wir kennen die Richtung, in welche wir uns bewegen, und die fühlt sich gut an. Ich spüre, wie aufgekratzt die Menschen im Werk sind, wir glauben an unsere Chance, 2020 Aussergewöhnliches zu leisten. Uns ist klar, dass die Konkurrenz mit Mercedes und Ferrari sehr stark ist. Alle werden sich verbessern. Die Frage ist nur, wer sich am meisten verbessern kann.»
Aber die Saison 2020 lief überhaupt nicht so, wie sich das Albon, Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner oder Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko vorgestellt hatten.
Der Thai-Brite war viel zu selten in der Nähe von Team-Leader Verstappen anzutreffen. Zwei dritte Ränge in Mugello und Bahrain waren zu wenig, um seinen Platz zu behalten. Nach WM-Rang 7 (105 Punkte) hatten Marko und Horner genug gesehen, denn Verstappen wurde mit 214 Punkten WM-Dritter, vor einem gewissen Sergio Pérez im Racing Point-Renner. RBR holte für 2021 den Mexikaner, Albon erhielt keinen Stammplatz mehr.
Dr. Marko rügte: «Wenn es im Training nicht ideal läuft, dann lässt sich Alex einfach zu oft aus dem Konzept bringen.»
Das führte zu mässigen Trainingsplatzierungen, wie der Durchschnitt zeigt. Verstappen erreichte im Qualifikationsschnitt eine Platzierung von 3,12, Albon hingegen nur eine 7,18; über die ganze Saison gesehen lag der Thai-Brite im Abschlusstraining 0,546 sec hinter dem Niederländer.
Der Thai-Brite erhielt bei Red Bull die Rolle des Ersatzfahrers, erledigte viel Arbeit im Rennsimulator kümmern und trat in der DTM an, wurde dort Gesamtsechster wurde (ein Sieg, vier Podestränge).
Albon: «Ich kann nicht lügen – es schmerzt. Ich habe da draussen alles gegeben, aber es hat nicht ganz gereicht. Ich gebe nicht auf, ich habe mich mit Leib und Seele dieser Karriere verschrieben, und die hört jetzt nicht auf. Ich habe mehr zu geben und richte meine Aufmerksamkeit ganz auf 2022, um die thailändische Flagge wieder hochhalten zu können.»
Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner sagte: «Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, und sie wurde durch den Umstand erschwert, dass Alex so ein liebenswerter Kerl ist.»
Im September 2021 stand fest – Alex Albon kehrt in die Formel-1-Startaufstellung zurück, als Williams-Fahrer. Was für Williams-Teamchef Jost Capito den Ausschlag gegeben hat: «Wir haben uns detailliert angeschaut, was Albon in den letzten Jahren gezeigt hat. Jeder weiss, wie schwierig es ist, an der Seite von Max Verstappen zu fahren; so wie es ganz schwierig ist, sich neben Lewis Hamilton zu behaupten.»
«Wir haben uns die Ergebnisse von Alex angesehen, wir haben mit den Menschen gesprochen, die mit ihm gearbeitet haben. Als wir das alles auflisteten, da kamen wir zum Schluss, dass er für uns der ideale Mann ist. Wir schliessen auch nicht aus, längerfristig mit ihm zu arbeiten.»
«Ein Aspekt, der uns bei Alex besonders gefallen hat – er ist jung, doch er ist auch erfahren. Er hat Höhen und Tiefen erlebt, er ist als Pilot reifer geworden. Wir glauben, dass er sein Talent in der Formel 1 noch lange nicht ausgeschöpft hat. Dieses Entwicklungspotenzial war einer jener Punkte, die am meisten für ihn gesprochen haben.»
Der Rennfahrer sagte: «Es war nicht einfach, an der Seitenlinie zu stehen und zuschauen zu müssen. Gleichzeitig war es aber auch aufregend, Teil der Erfolgsstory von Max zu sein. Ich habe das Gefühl, dass ich ein kleines Bisschen zum Erfolg beigetragen habe.»
Bei Williams hatte Albon 2022 den Kanadier Nicholas Latifi locker im Griff, der konnte nur zwei Punkte holen und erhielt für 2023 keinen neuen Vertrag mehr. Albon gelangen in einem weiteren schwachen Jahr von Williams aber auch nur vier Zähler (Zehnter in Australien, Neunter in Miami, Zehnter in Belgien).
Der dramatischste Moment des Jahres 2022 fand für Albon nicht auf der Rennstrecke statt. Im Rahmen des Italien-GP-Wochenendes von Monza erlitt er eine Blinddarm-Entzündung und musste notoperiert werden. Nach dem Eingriff ergaben sich Komplikationen wegen der Narkose – der Rennfahrer erlitt einen Atemstillstand und musste zwangsbeatmet auf die Intensivstation verlegt werden!
Zum Glück erholte sich Albon, in Singapur sass er wieder im GP-Renner. Dort erzählte er über den Monza-GP: «Ich bin ziemlich genau 30 Minuten vor dem Start des Rennens aufgewacht, damit ich es mir ansehen konnte. Es war frustrierend, zuzusehen. Der Puls stieg ein wenig an, während sie mich im Auge behielten, und irgendwann mussten sie den Fernseher abschalten.»
2023 fährt Albon an der Seite eines neuen Stallgefähren bei Williams, neben dem US-Amerikaner Logan Sargeant.