Über Valtteri Bottas
Valtteri Bottas sammelte seine ersten Rennerfahrungen zwischen 2001 und 2006 im Kart und wechselte 2007 in den Formelsport. Mit zwei Siegen wurde er Dritter der nordeuropäischen Formel Renault und gewann in der Winterserie der britischen Formel Renault drei von vier Rennen. Trotzdem wurde der junge Finne aber nicht Meister der Serie – da er die notwendige Lizenz nicht hatte. 2008 startete Bottas sowohl in der nordeuropäischen Formel Renault als auch im Formel Renault 2.0 Eurocup und holte sich mit insgesamt siebzehn Siegen in beiden Serien den Titel.
2009 wechselte Bottas zu ART Grand Prix und damit in die Formel-3-Euroserie. Am Ende des Jahres war er mit sechs zweiten Plätzen Meisterschaftsdritter und gleichzeitig bester Rookie. Das teaminterne Duelle gegen Jules Bianchi verlor er mit 62 zu 114 Punkten. Außerdem startete er beim Formel-3-Masters in Zandvoort und holte da seinen einzigen Sieg des Jahres.
2010 fuhr Bottas mit ART Grand Prix eine weitere Saison in der Formel-3-Euroserie, mit dem Meistertitel sollte es aber wieder nicht klappen. Am Norisring holte er im Sprintrennen seinen ersten Sieg in der Serie Formel-3-Euroserie. Mit einem weiteren Sieg in Oschersleben wurde Bottas wieder Dritter der Meisterschaft, setzte sich intern aber gegen seine Teamkollegen Alexander Sims und Jim Pla durch. Außerdem blieb ihm der Erfolg beim Formel-3-Masters in Zandvoort treu und Valtteri Bottas wurde der erste Fahrer, der dieses Rennen zweimal gewinnen konnte. Williams nahm ihn als Entwicklungsfahrer unter Vertrag.
2011 blieb Bottas bei ART Grand Prix und ging in der GP3 an den Start. Der Saisonbeginn war holprig und an den ersten vier Rennwochenenden holte der Finne nur drei Mal Punkte. Am Nürburgring startete er aber durch und stand in beiden Rennen auf den Podium, ein Mal als Dritter und ein Mal als Sieger. Und auch in den restlichen Saisonrennen lief es fast nach Wunsch. Mit Siegen in Ungarn, Belgien und Italien und einem zweiten Platz im Sprintrennen in Ungarn war Bottas am Ende des Jahres neuer GP3-Meister. Im November 2011 fuhr er für Williams einen Formel-1-Test.
Die Rolle des Test- und Ersatzfahrers bei Williams behielt Valtteri Bottas auch 2012 und gab sein Debüt im Rahmen eines Rennwochenendes im ersten freien Training zum Grand Prix von Malaysia.
2013 wurde er bei Williams zum Stammpilot befördert. Sein erstes Highlight setzte er im Qualifying zum Grand Prix von Kanada, wo er als Dritter ins Rennen ging. Erst in Austin, beim Grand Prix der USA, schaffte der Williams-Pilot es wieder unter die ersten Zehn in der Startaufstellung, und dieses Mal holte er als Achter auch seine längst fälligen ersten WM-Punkte. Am Ende der Saison belegte Platz 17 in der Fahrerwertung und setzte sich intern mit 4 zu 1 Punkten gegen seinen Teamkollegen Pastor Maldonado durch.
2014 blieb Valtteri Bottas bei Williams und bekam mit Felipe Massa einen neuen Teamkollegen. Den entzauberte Bottas gleich mal: Der Finne holte nicht nur mehr Podestränge als Massa, er platzierte sich auch in der WM vor dem routinierten Brasilianer. Bottas stand sechs Mal auf dem Siegerpodest und wurde WM-Vierter. Mit zweiten Rängen in England und Deutschland deutete er an – er ist bereit für höhere Aufgaben.
Doch 2015 folgte Stagnation: Ferrari erwog monatelang, Bottas für 2016 anstelle von Kimi Räikkönen nach Maranello zu holen. Die erforderliche Ablösesumme, die bei Williams hätte bezahlt werden müssen, sowie die Leistungen von Bottas gegen Massa sprachen dagegen. Der Brasilianer fuhr auf Augenhöhe mit Valtteri. Bottas wurde mit zwei Podesträngen (Dritter in Kanada und Mexiko) WM-Fünfter, einen Rang vor Felipe.
Die Saison 2016 schloss Bottas auf WM-Rang 8 ab, da war es auch kein Trost, den erfahrenen Felipe klar geschlagen zu haben. Der Rücktritt von Nico Rosberg gab dann Bottas die grosse Chance: Am 16. Januar wurde er als neuer Mercedes-Pilot verkündet.
Der Finne enttäuschte nicht: Er stand 13 Mal auf dem Siegerpodest, stellte den Silberpfeil in Bahrain, Österreich, Brasilien und Abu Dhabi auf die Pole-Position, gewann in Russland seinen ersten Grand Prix, weitere Siege in Österreich und Abu Dhabi folgten. Das ergab am Ende WM-Rang 3. Zur Belohnung gab es einen weiteren Mercedes-Vertrag für die Saison 2018.
Doch die Saison 2018 wurde zu einer einzigen Enttäuschung: Bottas konnte keinen einzigen Grand Prix gewinnen, obschon er acht Mal auf dem Siegerpodest stand. Nicht alle entgangenen Siege gingen auf seine Kappe. In Baku hatte er kurz vor Schluss einen Platten, in Russland musste er für WM-Anwärter Hamilton Platz machen. Bottas wurde nur WM-Fünfter.
Es musste sich etwas ändern bei Valtteri Bottas. «Es ist kein Geheimnis, dass ich von der Saison 2018 enttäuscht gewesen bin. Aber ich hatte einen guten Winter, um mich aufs kommende Jahr neu einzustellen.»
Nicht wenige Experten waren der Ansicht: Der Finne ist als Teamgefährte zu willfährig und zu nett, um eine echte Gefahr für Lewis Hamilton zu sein. Aber Bottas selber wähnte sich nicht auf Kuschelkurs: «Diese Einschätzung der Leute ist falsch. Wir haben einfach verstanden – wenn wir bei der Entwicklung des Autos am selben Strang ziehen, dann haben beide etwas davon. Gleichzeitig will ich vor ihm ins Ziel kommen. Das weiss er auch. Wir gehen da ganz offen miteinander um, ohne Mätzchen.»
«Ich finde, ich habe in der Formel 1 noch nichts erreicht. Beweisen muss ich niemandem etwas ausser mir selber. Das Team weiss genau, was ich kann. Ich muss das abrufen können. Jedes Mal. Ich spürte Ärger über mich selber. Du hast in der Regel nur eine Formel-1-Karriere, ich fahre jetzt sechs Jahre lang, und ich bin nicht dort, wo ich gerne sein würde. Ich will so antreten, dass ich Ende 2019 sagen kann: Ich habe alles getan, ich hätte nichts besser machen können. Um einen besseren Job zu machen, geht es nur um Details. Die muss ich alle auf die Reihe bekommen. Nur wenn ich das Beste aus mir selber hole, kann ich mit Lewis auf Augenhöhe fahren. Mein Ziel für 2019: Ich will so viele Rennen als möglich gewinnen und um den WM-Titel mitfahren.»
Auf die Frage, ob Bottas jemanden um Hilfe gebeten habe, um sich für 2019 mental neu aufzustellen, grinste Valtteri: «Ich habe nur mit einem gearbeitet – dem Mann im Spiegel.»
Valtteri Bottas wirkt tief entschlossen, das Glück zu erzwingen. Dazu passt auch ein neuer Look. «Ich fand, der Bart passt sehr gut dazu, wie es in mir aussieht. Um meine Ziele zu erreichen, bin ich dieses Jahr bereit zu tun, was nötig ist. Wenn ich dafür an einigen Stellen härter agieren muss, gehört das dazu.»
«Ich war immer Teamplayer, aber ich habe realisiert: In diesem Sport hat alles seine Grenzen. Du musst auch an dich selbst denken. Du kannst zwar auch gleichzeitig Mannschaftsspieler sein, und ich plane das weiter zu sein, weil man mit gutem Teamgeist und zusammen mit der Mannschaft langfristig die besten Ergebnisse erreicht. Aber ich habe nur eine Karriere im Leben und wenn ich immer unterstütze anstatt selbst zu attackieren, erreiche ich meine Ziele nie.»
Dazu gehört auch, dass er seinem Teamkollegen Lewis Hamilton nicht mehr so einfach den Sieg schenken würde – wie in Sotschi 2018. Bottas: «In dieser Situation, wenn ich da noch einmal wäre, würde ich anders handeln.»
Valtteri ging stark in die Saison – nach vier Rennen konnte er zwei Siege und zwei zweite Ränge vorweisen, so wie Lewis Hamilton. Aber dann legte der Brite mit vier Siegen in Folge nach, und die Titelhoffnungen des Finnens lösten sich einmal mehr in Rauch auf.
Wie viel Frust in ihm steckte, wurde auf der Auslaufrunde des Australien-GP klar, den Bottas gewonnen hatte. Als sein Renningenieur Riccardo Musconi andeutete, der dominante Sieg sei eine Wiedergutmachung für die sieglose 2018er-Saison, antwortete der sonst so stille Bottas frech: «Wen immer das auch angeht: F… you!» Später erklärte er keck: «Ich wollte nur meine besten Grüsse senden.»
«Das kam einfach so heraus», erzählte er später. «Natürlich gibt es auch viele Leute, die mich unterstützen und ich schätze das sehr. Im Sport erlebt man aber Höhen und Tiefen und dabei erkennt man schnell, auf wen man sich wirklich verlassen kann. Aber wenn man durch schwierige Zeiten geht, erlebt man den anderen Teil, und der ist sehr viel negativer. Aber das ist deren Schwäche, nicht meine. Ich wollte nur, dass die Betroffenen in den Spiegel schauen und darüber nachdenken, warum sie so agieren.»
Hamilton zog mehr und mehr weg, Bottas konnte von Baku bis Suzuka in zwölf Rennen nicht gewinnen, etwas dürftig für einen Mercedes-Fahrer. Am Ende wurde Valtteri WM-Zweiter und musste erneut um seinen Vertrag zittern.
Dennoch sagt auch Hamilton: «Das ist der beste Valtteri Bottas, den wir in der Formel 1 je gesehen haben.» Lewis hat auch wiederholt davon gesprochen, wie gut die Zusammenarbeit mit dem Finnen läuft, das ist ganz anders als die permanente Elektrizität wie damals zwischen Hamilton und Nico Rosberg.
Aber wie sieht das Bottas? Hat sich das Verhältnis zu Hamilton verändert, jetzt, wo Valtteri mehr Gegenwehr bietet? Der Finne sagte im Fahrerlager des Circuit Gilles Villeneuve: «Das wird jetzt langweilig. Denn ihr werdet daraus keine interessante Geschichte machen aus dem einfachen Grund – es hat sich überhaupt nichts geändert.»
«Wir sind uns vom ersten Tag mit grossem Respekt begegnet. Und so ist es noch heute. Ja, wir liegen dichter beisammen, was die Ergebnisse angeht, aber nichts hat sich geändert. Wir arbeiten noch immer gemeinsam mit den Technikern, alle Daten liegen offen auf dem Tisch. Ich habe keine Probleme damit, er hat keine Probleme damit. Gleichzeitig hat sich auch für mich nichts geändert – wenn ich mein Ziel erreichen will, Weltmeister zu werden, dann muss ich alle Piloten hinter mir lassen, auch Lewis.»
Das klappte auch 2020 nicht. In der auf 17 Rennen verkürzten Corona-Saison konnte Bottas nur zwei Mal siegen (in Österreich und Russland), und wo die Reise von Mercedes hingehen würde, zeigte sich, als Lewis Hamilton wegen des Virus’ flachlag und durch George Russell ersetzt wurde – der junge Engländer tanzte Bottas auf der Nase herum.
Russell verpasste im Zweikampf mit Valtteri Bottas die Pole-Position nur knapp, danach führte er den Grossen Preis von Sakhir überlegen an, der Finne hingegen wirkte blass. Schnell machte die Runde, dass der neunfache GP-Sieger sogar um seinen Platz für 2021 zittern müsse, Vertrag hin oder her.
Klar kam von Mercedes-Teamchef Toto Wolff postwendend ein Dementi: «Wir fahren nächstes Jahr mit Lewis und Valtteri. Wo wir 2022 sein werden, hängt davon ab, wie unsere Saison 2021 verläuft, und nicht davon, was George in Bahrain macht.»
Bottas wurde erneut WM-Zweiter, aber 2021 war die letzte Saison für die Marke mit dem Stern: Im Spätsommer war klar – 2022 wird er durch Russell ersetzt. Bottas zog als Kimi Räikkönen-Nachfolger zu Alfa Romeo-Sauber.
Bottas über die Zeit bei Mercedes: «Ich bereue nichts. Ich habe immer versucht, so hart zu arbeiten, wie ich kann. Auch wenn ich bisher jedes Jahr von Lewis geschlagen wurde, habe ich immer versucht, weitere Wege zu finden, um stärker zurückzukommen.»
Valtteri verliess Mercedes als zehnfacher GP-Sieger.
Der Rennstall Sauber hatte es schon immer mit finnischen Piloten: In der ersten Saison, 1993, traten die Schweizer mit JJ Lehto an, neben ihm der Tiroler Karl Wendlinger. Lehto fuhr 1993 und 1994 für Sauber. Auf Vermittlung von Ferrari sass im Jahre 2000 Mika Salo im Sauber. Ein Jahr später debütierte Kimi Räikkönen für die Zürcher in der Formel 1, eine grosse Karriere begann.
Räikkönen kehrte 2019 von Ferrari zu Sauber zurück, die inzwischen unter dem Namen Alfa Romeo auftrat. Dann hatte der Weltmeister von 2007 keine Lust mehr.
Ein wichtiger Knackpunkt für Bottas: Bei Alfa Romeo bekam er einen mehrjährigen Vertrag. Bei Mercedes wurde immer von Jahr zu Jahr geschaut – eine Situation, die nicht einfach war, wie er zugibt.
«Das war wirklich wichtig für mich. In meiner gesamten Karriere bei Mercedes wurde ich immer unter Druck gesetzt, ich hatte immer nur einen Einjahresvertrag. Es ist gut, jetzt ein Projekt zu haben, bei dem man sich wirklich auf etwas Längerfristiges konzentrieren kann. Man muss sich nicht Jahr für Jahr den Kopf zerbrechen, wie es weitergeht. Ich kann mich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren und damit weitermachen», sagte Bottas.
Ein weiterer Vorteil des Wechsels: Bottas kannte bei Alfa Romeo bereits ein paar Leute. «Vor allem Teamchef Frederic Vasseur. Ich bin drei Jahre lang in der F3 und GP3 für sein Team gefahren. Nach allem, was ich von Alfa Romeo gehört habe, gibt es jetzt eine wirklich gute Chance, einen Sprung nach vorne zu machen.»
Bottas zeigte einen sehr guten ersten Saisonteil, mit sieben Punktefahrten in den ersten neun WM-Läufen (Fünfter in Imola), aber dann folgten neun Nullrunden in Folge. Am Ende der Saison wurde er WM-Zehnter, aber war war glücklicher als im Jahr zuvor als Dritter.
Bottas: «Fünf Jahre musste ich bei Mercedes mit einem Mega-Druck umgehen. Ich hatte die letzten Jahre immer nur einen Einjahres-Vertrag und wusste nie, ob es dort weitergeht oder nicht. Das schlaucht. Das Lebensgefühl bei Alfa Romeo ist anders, das ist ein mehrjähriges Projekt. Das gibt einem die notwendige Sicherheit und auch das nötige Vertrauen. Ich spüre die Verantwortung und das Vertrauen, das man mir hier gibt, um Auto und Team besser zu machen. Meine Rolle hier ist weit mehr als die, einfach nur das Auto zu fahren. Und ja, dieses Gefühl hatte ich bei Mercedes bei weitem nicht.»
Aber nichts ist unendlich. Alfa Romeo verlässt die Formel 1 auf Ende 2023, schrittweise übernimmt Audi Anteile am Rennstall, um 2026 in der Königsklasse zu debütieren. Mit Valtteri Bottas am Lenkrad?
Der Finne sagt: «Ich werde dann 37 Jahre alt sein, warum also nicht? Es rücken jetzt super-talentierte junge Leute nach, aber in der Formel 1 wurde schon immer Erfahrung geschätzt. Es wäre interessant, an diesem Prozess beteiligt zu sein, wenn es möglich ist.»
Grundsätzlich glaubt er, dass das neue Projekt ein voller Erfolg werden kann. «Ich sehe kein Hindernis für uns, das gleiche Niveau wie die besten Teams zu erreichen. Wenn man das grosse Ganze betrachtet, denke ich, dass die Zusammenarbeit zwischen Sauber und Audi ein enormes Potenzial hat. Ich denke, dass jeder Fahrer, vor allem ich, da ich ja schon hier bin, gerne Teil des Projekts sein möchte.»
Vieles hänge davon ab, wann und in welchem Umfang Audi das Team unterstütze, bevor es zum Werksteam werde, erklärte Bottas. «Ab 2024 wird ihre Unterstützung sehr entscheidend sein. Wenn Audi Sauber mehrere Jahre lang hilft und unterstützt, dann ist alles möglich.»