Bahnsport-Ikone Egon Müller sorgte für goldene Ära
Egon Müller war immer ein Geschenk für die Medien und Fans
Viermal Weltmeister, dreimal auf der Langbahn, als einziger Deutscher auf der kurzen Speedwaybahn. Pokale bei internationalen Rennen hat er zu Tausenden geholt. Und eines hat Egon Müller in seiner Laufbahn immer geschafft: im Gespräch zu bleiben. In seiner aktiven Zeit überraschte er oftmals mit bunten Outfits, sang sich durch die Discotheken und jettete durch die Fernsehstudios der Republik. Es gab keinen Sender, auf dem Egon nicht präsent war. In den Redaktionen der Zeitungen und Radiosender war er Dauergast.
Viel diskutiert wurde über Egon Müller, der in der Nacht vor einem Rennen als Amadeus Liszt als Sänger auftrat, am folgenden Tag auf der Bahn Topleistung ablieferte und erneut die Massen begeisterte. Oftmals mit den Leuten im Publikum, die aus den Discotheken direkt an die Rennstrecke gepilgert waren. Man kann über diese Tatsache, und viele andere Dinge, die Egon gemacht oder auch nicht gemacht hat, diskutieren wie man will. Dass diskutiert wurde zeigt, dass Egon es immer wieder aufs Neue verstand, für Gesprächsstoff zu sorgen.
In Deutschland gab es in den 1970er- und 80er-Jahren kaum einen Bürger, der mit dem Namen Egon Müller nichts anfangen konnte. Selbst heute erinnern sich noch viele Sportfans an ihn, weil er auch nach seinem Karriereende 1997 immer ein gefragter Gesprächspartner blieb und sich dank seiner Videoproduktionen und Präsentation in den sozialen Medien bis heute hervorragend darauf versteht, sich in Szene zu setzen. Egon ist wie kein anderer verantwortlich für die Blütezeit des Bahnsports in Deutschland.
Während der Bahnsport sich im Winterschlaf befand, liefen in den Wohnzimmern der Fans die zahlreichen Jahresvideos, Rückblicke, und was es sonst noch alles vom «Raketenmüller» gab, auf den Bildschirmen. Oder man entdeckte Egon Müller als Studiogast bei den verrücktesten TV-Shows. Auch heute noch ist er immer wieder als Co-Kommentator im Fernsehen oder an der Rennstrecke im Einsatz.
Müller, der als jüngstes Kind aus einer Kieler Artistenfamilie mit zwölf Geschwistern stammt und sein hervorragendes Gleichgewichtsgefühl in die Wiege gelegt bekam, erkannte schon früh, dass sportlicher Erfolg allein nicht genügt, um auch im öffentlichen Ansehen ein Großer zu werden.
Von selbst kam das nicht, betonte er immer wieder: «Das ist immer eine Kettenreaktion. Wenn ich beim NDR auf dem roten Sofa sitze, dann sehen das andere Medienvertreter und melden sich nach und nach. Ich hake dann auch immer mal wieder nach, ob man was machen kann, von allein läuft nichts. Es ist ganz wichtig, immer dranzubleiben.»
«Heute habe ich immer das gleiche Problem, wenn ich mit den Journalisten rede», ist dem 75-Jährigen aufgefallen. «Denen muss ich allen von vorne bis hinten erklären, was Bahnsport ist. Was ist Speedway, was ist Langbahn, warum haben die kein Getriebe im Speedway und warum keine Bremse. Ich mach diese Pionierarbeit bei der Presse und dann pissen mich einige Leute an, ich hätte eine Profilneurose. Ich mach das doch nicht für mich allein. Mein Herzblut ist immer noch der Bahnsport, denn damit bin ich groß geworden. Früher waren die Zeitungen tagelang von den Rennen voll. Wenn ich früher im aktuellen Sportstudio war und am nächsten Tag in Rastede Rennen gefahren bin, dann waren 3000 oder 5000 Menschen da, weil sie das gesehen haben.»
Müller hatte schon immer ein Händchen dafür, Menschen zu begeistern und mitzunehmen, dafür braucht es im richtigen Moment auch mal eine große Klappe oder einen flapsigen Spruch. «Ich bin ja auch interessanter als irgendeine Blumenforscherin», sagte er vor Jahren in einem Interview von SPEEDWEEK.com.
Dem Norddeutschen war aber auch bewusst, dass er nur ernst genommen wird, wenn er seine Sprüche mit sportlichen Leistungen untermauert. Dass er 1983 als einziger Deutscher Speedway-Weltmeister wurde, hat an seiner Bekanntheit maßgeblichen Anteil – dadurch wurde Egon unsterblich.
Nach vier Durchgängen hatte Müller im Motodrom Halbemond in Norden in Ostfriesland die maximale Punktzahl 12, im letzten Durchgang hätte ihm Platz 2 gereicht, um Champion zu werden.
Gegen Mitch Shirra, Tony Kasper und Hans Nielsen hatte er von Startplatz 2 einen miserablen Start, fuhr aber in der ersten Kurve an der Innenlinie an Kasper und Shirra vorbei. Ende der dritten Runde fiel der souverän in Führung liegende Nielsen mit Kettenriss aus und Müller war als einer von wenigen Fahrern mit Maximum Weltmeister.
«Für mich hat keiner die Bahn gemacht, sie war einfach ein bisschen loser als sonst, weil sie neuen Belag draufgebracht hatten und der nicht fest wurde», erzählte der Champion. «Der Einzige, der nachts um 22 Uhr noch mit dem Schraubenzieher um die Bahn gelaufen ist und alle Flecken abgestochen hat, das war ich. Ich habe in mein Buch eingetragen, wo die weichen Stellen sind und ich mir Antrieb suchen kann – und wo ich auf keinen Fall hinfahren darf. Das Buch habe ich heute noch. Wenn du die Zeichnung der Bahn siehst, wo ich den Griff eingetragen habe, dann siehst du eine unmögliche Ideallinie – aber sie hat funktioniert.»
«Ich habe mein Ding gemacht, war über zehn Jahre lang auf der Sand- und Grasbahn unschlagbar», unterstreicht Müller. «Dann wurde ich auch noch Weltmeister im Speedway. Die werden mir aber noch 100 Jahre lang vorhalten, dass ich die Bahn gekauft habe, dass sie die Bahn für mich gebaut haben. Das wird heute noch in England gelabert. Damals gab es mit Michael Lee, Billy Sanders, Erik Gundersen und Hans Nielsen wirklich hochkarätige Titelanwärter. Sie mussten aber alle anerkennen, dass sie an diesem Tag nicht schnell genug waren – so einfach ist das.»
Lieber Egon, wir gratulieren dir von Herzen zu deinem 75. Geburtstag, wünschen dir Glück und Gesundheit und eine weiterhin lose Zunge.