Charles Leclerc: Auf selbem Niveau wie Lewis Hamilton
Jules Bianchi hätte eines Tages neben Sebastian Vettel für Ferrari Formel 1 fahren sollen. Das Schicksal meinte es anders – schwerer Unfall in Suzuka 2014, ins Koma gefallen, ein Jahr später verstarb der Franzose, ohne das Bewusstsein noch einmal zu erlangen. Nun steht ein anderes Mitglied der Ferrari-Fahrerakademie kurz vor dem Ritterschlag, Ferrari fahren zu dürfen: der 20jährige Monegasse Charles Leclerc. Ex-Ferrari-Teammanager Massimo Rivola, heute für das Nachwuchsprogramm der Italiener zuständig, freut sich. «Für die anderen Jungen ist es ein toller Ansporn zu sehen, wenn einer unserer Fahrer in die Formel 1 vorstösst. Das zeigt ihnen – es ist möglich.»
René Rosin, Direktor des Mailänder Prema-Rennstalls, erinnert sich daran, wie Leclerc in die Formel 2 gekommen ist. In der Gazzetta dello Sport sagt Rosin: «Er ist für uns damals einen Test in Abu Dhabi gefahren und hat die Reifen nur so verbrannt. Wir haben ihn damit ein wenig aufgezogen: „Wir haben wohl den falschen Piloten verpflichtet.“ Aber beim ersten Rennen war er bereit. Und dann lag er in der ganzen Saison vorne, mit wenigen Ausnahmen.»
«Charles ist nicht nur sauschnell. Was mir mehr Eindruck gemacht hat, ist seine Einstellung. Er hat die Ingenieure ständig gelöchert: „Wo kann ich noch schneller werden?“ Er hat sich fürchterlich aufgeregt, wenn er selber fand, er hätte nicht alles gegeben. Sein Lernwille ist vorbildlich, da ist er von allen Piloten, die für Prema gefahren sind, die Nummer 1. Sein Renningenieur Guillaume Capietto hat sich früher in der GP2 um einen gewissen Lewis Hamilton gekümmert. Leclerc fährt auf dem gleichen Niveau.»
Sauber-Teamchef Fred Vasseur stellt fest: «Klar wusste ich, wie begabt Leclerc ist. Und doch verblüffen mich seine Ergebnisse in der Formel 1. Denn ein junger Fahrer muss so viel lernen. Mir macht Eindruck, wie er eine Leistung auf den Punkt bringen kann. Er kann auch mit Druck sehr gut umgehen. Und er kann ein Team mitreissen.»
Rückschläge gehören dazu: Getriebewechsel vor dem Qualifying zum Grossen Preis von Österreich, Rückversetzung um fünf Ränge.
Vielleicht gelingt Leclerc eines Tages auch ein ganz besonderes Kunststück. Denn noch nie hat ein Monegasse einen Formel-1-WM-Lauf in Monte Carlo gewonnen.
Wenn wir einfach vom Grossen Preis von Monaco sprechen, dann gab es zwar einen Sieger – Louis Chiron gewann den Monaco-GP 1931 (mit einem Bugatti). Aber damals existierte die Formel-1-WM nicht (die gibt es erst seit 1950). An den 1979 verstorbenen Haudegen erinnert eine schöne Büste im Bereich des Schwimmbads von Monaco.
1950 wurde Chiron (nun also in der Formel-1-WM) beim Heimrennen Dritter: dies ist das beste Ergebnis eines einheimischen Fahrers im Rahmen der Formel-1-WM beim Rennklassiker in den Strassen des Fürstentums. André Testut wird von verschiedenen Statistika als Monegasse aufgeführt, wurde jedoch in Lyon geboren und konnte sich bei seinen zwei Einsätzen in Monte Carlo ohnehin nicht fürs Rennen qualifizieren (1958 und 1959). Olivier Beretta schliesslich wurde mit dem unterlegenen Larrousse 1994 stattlicher Achter beim Heimrennen. Leclerc schied 2018 aus – er rutschte mit kaputten Bremsen ins Heck von Brendon Hartleys Renner.