Das grosse Formel-1-ABC: Rennbegriffe von E bis I
Sebastian Vettel hat rechts seinen HANS bereitgelegt
Allzu gerne verfallen die Kommentatoren bei Fernsehübertragungen in Fach-Chinesisch, ohne dabei an den Zuschauer zu denken. Denn nicht jeder, der sich einen Grand Prix anschaut, ist automatisch mit allen Begriffen sattelfest. Da helfen wir gerne. Nach dem ersten Teil mit den Begriffen A bis D folgt hier Teil 2, von E bis I, von ECU bis Intermediates.
ECU (electronic control unit)
Die elektronische Steuereinheit eines Rennwagens, ein Teil der modernen Antriebseinheit eines GP-Boliden.
Einführungsrunde (formation lap)
Wenn der Fahrer seinen Wagen vor dem Start zu einem Grand Prix aus der Box zur Startaufstellung fährt.
Endplatte
Seitlicher Abschluss eines Front- oder Heckflügels.
Energierückgewinnung
ERS (energy recovery system), besteht aus zwei Systemen: Ein ERS-K genanntes System zur Rückgewinnung kinetischer Energie mithilfe des elektrischen Generators MGU-K (motor generator unit kinetic) an der Bremse, und ein ERS-H genanntes System für die Rückgewinnung von Energie aus dem Abgasstrom mit dem Generator MGU-H (motor generator unit heat). Die elektrische Spannung ist auf 1000 Volt beschränkt. Die Energierückgewinnung erzeugt für einen Zeitraum von 33 Sekunden eine Leistung von bis zu 160 PS.
Fahrerbesprechung
Immer am Freitagabend vor einem Grand Prix setzen sich die Formel-1-Fahrer mit Rennleiter Michael Masi und dessen Kollegen zusammen, um aktuelle Vorkommnisse zu besprechen oder Einzelheiten zum anstehenden GP-Wochenende.
Fahrerlager
Der Bereich hinter der Boxengasse, in welchem sich die Lastwagen und Motorhomes der Rennställe befinden. Wird auch als «paddock» bezeichnet (wörtlich: Pferdekoppel), einer von vielen Begriffen aus dem Umgang mit Pferden, die den Weg von vier Beinen zu vier Rädern gefunden haben (wie Box, Pole-Position, Rennstall und so weiter).
FIA
Fédération International de l’Automobile – der Automobil-Weltverband mit Sitz in Paris ist die Sporthoheit für die Formel 1. Die FIA schreibt die Gesetze und ist für deren Einhaltung zuständig. Die kommerziellen Rechte an der Königsklasse wurden von der FIA im Jahre 2001 für eine Laufzeit von 100 Jahren an eine Firma des damaligen Formel-1-Promoters Bernie Ecclestone abgetreten.
Flap
Englisch für Klappe. Teil des Front- oder Heckflügels.
Flaggen
Signale der Streckenposten für verschiedene Nachrichten an die Fahrer. Gelb steht für: Achtung, Gefahr! Es herrscht Überholverbot. Rot heisst Abbruch von Training oder Rennen. Blau bedeutet überholen lassen. Weiss: langsames Fahrzeug auf der Strecke. Schwarz: Disqualifikation (meist mit der Startnummer des fehlbaren Piloten). Rot-gelb-gestreift: Rutschige Fahrbahn. Grün: Gefahr vorbei, freie Fahrt. Schwarz mit orangenem Kreis: sofort an die Box kommen (wenn etwa ein Fahrzeug beschädigt ist), auch hier zusammen mit der Startnummer. Schwarz-weiss diagonal: letzte Warnung (etwa, wenn ein Fahrer mehrfach das gleiche Vergehen begangen hat). Schwarz-weiss kariert: Ziel.
Fliegende Runde
Eine schnelle Trainingsrunde, zwischen Aufwärm- und Auslaufrunde.
Fliegender Start
Die Fahrer stellen sich nicht in der Startaufstellung auf und warten dort stehend ein Signal ab, sie rollen hinter dem Safety-Car, ehe das Führungsauto ausschert und die Piloten ab einer bestimmten Linie Gas geben dürfen. Der Leader bestimmt dabei das Tempo. Ein fliegender Start wird auch rollender Start genannt.
Flügel (wing)
Element, das an der Vorder- und Hinterachse Abtrieb erzeugt. Oft auch als «spoiler» bezeichnet, was streng genommen falsch ist. Ein Spoiler (wörtlich: Verderber) ist am Heck als Abrisskante, an der Front als Luftabweiser definiert, hier geht es nicht um die Erzeugung von Abtrieb, sondern darum, den Luftstrom zu optimieren und auf diese Weise die Bodenhaftung zu verbessern. Ein Flügel hingegen wird von oben und unten von Luft umströmt und macht am Rennwagen das Umgekehrte als ein Flügel an einem Flugzeug – beim Rennauto erzeugt er Abtrieb, beim Flugzeug Auftrieb.
FOA und FOM
Steht für Formula One Administration und Formula One Management. FOA ging aus der Teamvereinigung FOCA hervor (Formula One Constructors’ Association), gegründet vom damaligen Brabham-Rennstallbesitzer Bernie Ecclestone. Ecclestone wurde zum scheinbar allmächtigen Formel-1-Promoter der Rennserie, der sich um die kommerziellen Rechte an der Königsklasse kümmerte, mit Erlaubnis der (s.) FIA. Jahrelang verkaufte Ecclestone Anteile an verschiedene Investoren, darunter Investmentfirmen oder Banken. Im September 2016 erwarb das US-amerikanische Medienunternehmen «Liberty Media Corporation» des US-amerikanischen Unternehmers John Malone für 1,1 Milliarden Dollar jene 18,7 Prozent Anteile an der «Formula One Group», die von den Investoren von CVC Capital gehalten wurden. Liberty Media, 1991 vom Unternehmer John Malone gegründet, beschäftigt 4500 Menschen und setzt im Jahr rund 8 Milliarden Dollar um. Im Januar 2017 übernahm Liberty Media die F1-Gruppe vollständig, für 4,4 Milliarden Dollar, dazu übernahm Liberty Verbindlichkeiten in Höhe von 4,1 Milliarden Dollar. Bernie Ecclestone als Geschäftsleiter musste gehen, sein Nachfolger als Formel-1-CEO wurde Chase Carey. Ab 1. Januar 2021 tritt Carey ab, seinen Posten übernimmt der frühere Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali.
Formationsrunde
Der Fahrer kommt aus der Box und begibt sich zur Startaufstellung.
Formel 1
Wieso eigentlich Formel 1? Beim Automobil-Weltverband (s.) FIA wurde jahrelang darüber diskutiert, wie die versprenkelten Grands Prix in Europa zu einer Rennserie zusammengefasst werden könnten, um einen Weltmeister zu erküren. Formel A wurde diskutiert, auch «International Formula Number One», reichlich sperrig, denn wir hätte das heissen sollen – IFNO? Dem italienischen Grafen Antonio Brivio wird zugeschrieben, als FIA-Delegierter die 1 ins Spiel gebracht zu haben, das erste Autorennen mit dem Etikett Formel 1 fand 1946 in Turin statt. Der erste Lauf zur Formel-1-WM fand am 13. Mai 1950 in Silverstone statt.
Freies Training
In der Formel 1 bestehend aus drei Sitzungen: 90 Minuten am Freitagmorgen, 90 Minuten am Freitagnachmittag, 60 Minuten am Samstagmorgen. Die Fahrer erabeiten hier die bestmögliche Abstimmung fürs Abschlusstraining und fürs Rennen.
Freitagtest
Die Rennställe dürfen im ersten freien Training einen dritten Mann einsetzen, in der Regel handelt es sich um den offiziellen Ersatzfahrer für die beiden Stammpiloten oder um einen Nachwuchsfahrer.
Frontflügel
Der (s.) Flügel an der Vorderachse, an der Nase des Autos angebracht und als komplexer Mehrteiler ausgelegt. Durch Einstellung der Flügelwinkel wird der ideale Kompromiss gesucht zwischen Abtrieb und Windschlüpfigkeit.
Frühstart
Wenn ein Pilot zu früh losfährt. Sensoren, die am Startplatz in den Asphalt eingelassen sind, messen jedes Zucken des Fahrzeugs.
Gewicht
Das Mindestgewicht 2020 eines Formel-1-Autos beträgt 746 Kilogramm, gemessen mit dem Piloten und allen Betriebsflüssigkeiten wie Kühlwasser oder Öl für Motor und Getriebe, jedoch ohne Benzin.
g-force
Belastungen, die aufgrund starker Änderung von Richtung der Geschwindigkeit auf den menschlichen Körper oder ein Fahrzeug einwirken. Die Querbeschleunigung auf Piloten in Kurven können bis zu 5g betragen, als das Fünffache des eigenen Körpergewichts.
GPDA
Die Fahrervereinigung der Formel-1-Piloten, die Grand Prix Drivers’ Association. Derzeitiger Präsident ist ex-GP-Pilot Alexander Wurz, die anderen beiden Fahrer im Präsidium sind Sebastian Vettel und Romain Grosjean.
Graining
Oder Körnen: Wenn ein Auto zu rutschen beginnt, können sich auf der Reifenlauffläche kleine Gummikörner bilden. Das ist für den Fahrer überaus unangenehm, weil sich das Auto anfühlt, als würde es sich auf Kugellagern bewegen. Das Körnen kann nach wenigen Runden wieder verschwinden, wenn der Pilot vorsichtig ist. Graining entsteht durch ein Zusammenspiel aus Fahrstil, Pistenoberfläche, Abstimmung, Benzinlast und Reifenmischung.
Grand Prix
Den Begriff Grand Prix (Grosser Preis) kennen Renn-Fans schon ziemlich lange – er tauchte erstmals 1863 im Zusammenhang mit Pferderennen in Frankreich auf.
Grid
Wörtlich Gitter oder Rost. In der Formel 1 oft verwendet für die Startaufstellung.
Grip
Die Haftung des Rennwagens auf der Fahrbahn. Es wird unterschieden zwischen aerodynamischem Grip, erzeugt von (s.) Flügeln oder Unterboden, und mechanischem Grip, durch Fahrwerk und Reifen.
Gurney Flap
Diese Abrisskante an einem (s.) Flügel wurde vom US-amerikanischen Rennfahrer Dan Gurney erfunden. Er fand heraus, dass eine L-förmige Leiste an der hinteren Kante des Flügels zusätzlichen Abtrieb erzeugt, ohne in Sachen Luftwiderstand einen grossen Schaden anzurichten.
Halo
Wörtlich Heiligenschein. Ein Titan-Schutzbügel an den Formel-1-Autos, welcher vor grösseren, herumfliegenden Teilen schützen soll. Es handelt sich um ein Einheitsbauteil. Es wiegt mit allen Anlenkpunkten rund 14 Kilogramm und wird von drei Spezialfirmen gebaut – bei CP Autosport in Deutschland, STT in England sowie VSystem in Italien.
Handling
Das Fahrverhalten des Autos.
HANS
Steht für «Head And Neck Support». Die steife, kragenförmige Kohlefaserkonstruktion ist eine Entwicklung des US-amerikanischen Biomechanik-Professors Robert Hubbard von der Universität Michigan. HANS wird mit Schultergurten am Oberkörper fixiert und durch weitere Bänder am Helm angebracht. Bei einem Aufprall wird die gefähliche Pendelbewegung des Kopfes gelindert. Das Tragen von HANS ist in den meisten Rennserien Pflicht.
Headrest
Die Kopfstütze im Rennwagen, gleich hinter dem Helm des Fahrers. Sie besteht aus einem Schaumstoff in drei verschiedenen Härtestufen, abhängung von der Umgebungstemperatur.
Heckflügel
Siehe auch Flügel und Frontflügel. Der Heckflügel besteht am GP-Renner aus zwei Elementen, das Hauptblatt ist fix angebracht, das obere Element kann flachgestellt werden, um als DRS (drag reduction system) das Überholen zu vereinfachen. Der Heckflügel ist über Streben am Chassis angebracht.
107-Prozent-Regel
Wer im Abschlusstraining eine Zeit erreicht, die mehr als 107 Prozent über dem Wert des Trainingsschnellsten liegt, darf nicht am Rennen teilnehmen. Es obliegt den Rennkommissaren, eine Ausnahmegenehmigung zu geben – wenn der Fahrer zuvor regelmässig innerhalb der 107 Prozent lag.
Hybridtechnik
Ein modernes Grand-Prix-Auto ist ein echtes Hybridfahrzeug, aufgrund der komplexen (s.) Energierückgewinnung.
Ideallinie
Der schnellste Weg um eine Rennstrecke.
Installationsrunde
Gemächliche Runde zu Beginn des Trainings, nach Änderungen des Fahrzeugs oder auf dem Weg zur Startaufstellung, um alle Systeme zu prüfen.
Interimsfahrzeug
Ein Rennwagen, der Elemente vom bisherigen Renner mit neuen Entwicklungen verbindet. Früher oft in der Kombination altes Chassis, neuer Motor. In jüngerer Vergangenheit eher mit Fahrzeugen, die von verschiedenen Rennställen gebaut zur Erprobung von Reifen gebaut wurden – etwa als Pirelli breitere Reifen einführte oder aktuell im Hinblick auf Niederquerschnittreifen, die auf 18-Zoll-Rädern 2022 mit einer neuen Modellgeneration kommen.
Intermediates
Formel-1-Alleinausrüster Pirelli liefert für die Königsklasse drei Typen Reifen: Trockenreifen (so genannte Slicks), Regenreifen (extrem profiliert) und eben Intermediates für Mischverhältnisse, wenn es nur leicht regnet oder eine Bahn abtrocknet, es für Slicks aber zu rutschig wäre. Intermediates sind an der Flanke grün markiert, Regenreifen blau, die Slicks weiss (harte Mischung), gelb (mittelhart) oder rot (weich).
Im nächsten Teil: Rennbegriffe von K bis Q.