MotoGP: VR46-Team ist nicht einverstanden

Erinnerungen an Mateschitz: «Es gibt Sie wirklich?»

Von Gerhard Kuntschik
Didi Mateschitz mit Max Verstappen

Didi Mateschitz mit Max Verstappen

Für einen Journalisten aus Salzburg mit dem Schwerpunkt Motorsport war es seit 35 Jahren unvermeidlich, gute Kontakte zu Red Bull zu pflegen. Am Anfang stand eine Begegnung mit dem Boss, die heute undenkbar wäre.

Dietrich Mateschitz stellte sich zu Beginn der Red-Bull-Ära einmal selbst der Presse vor. Es war ein schöner Sommertag vor 35 Jahren, als Mateschitz seinen ersten (und vielleicht auch letzten) Medienauftritt in einem Salzburger Vorstadt-Wirtshaus absolvierte – in einer Zeit, als sein neues Produkt gänzlich unbekannt war. Der Eishockey-Bundesligist Salzburger EC lud am 28. August 1987 zur Saisoneröffnungs-Pressekonferenz in den Lieferinger Hartlwirt.

Die Clubführung präsentierte neben der Mannschaft mit den Sowjetstars Viktor Schalimow und Sergej Kapustin auch den neuen Sponsor: «Herr Mateschitz von der Firma Red Bull.»

Der Unternehmer, am 20. Mai 1944 in St. Marein im Mürztal geboren, war tatsächlich persönlich anwesend. Er stellte seine bis dahin unbekannte Firma und sein Produkt, kein Mensch wusste mit dem Begriff «Energy Drink» 1987 etwas anzufangen – und sich selbst vor.

Die Handvoll Salzburger Journalisten in dieser kleinen Medienrunde konnte nicht abschätzen, wen sie da eben kennengelernt hatten – und was dieser Herr noch bewegen würde.

Die Red Bull GmbH war erst drei Jahre davor gegründet worden, aus einem Büro in der Salzburger Alpenstraße. Mateschitz selbst bestätigte viele Jahre später seine Loyalität zu «seiner» ersten Sportart: «Dem Eishockey gehört mein Herzblut.»

Das ist bis heute so geblieben. In Salzburg. In München. Und wieder in Liefering, diesmal nicht im Wirtshaus, sondern in der Nachwuchsakademie für Eishockeyspieler und Kicker, die weltweite Beachtung findet.

Mateschitz: Kaum öffentliche Auftritte

Es war wohl Didis bekannteste Marotte, aus Prinzip keine Interviews vor TV-Kameras zu geben. Die Auftritte in der Öffentlichkeit wurden bei Dietrich Mateschitz über die Jahre immer noch seltener. Wenn, dann nur im kleinen Kreis von Freunden oder Geschäftspartnern und wenn es unbedingt erforderlich war.

Die Liste abgelehnter (TV-)Interviews ist endlos. Für Print machte er seltene Ausnahmen. Und einmal, ein einziges Mal, ließ er sich «überrumpeln», was der Euphorie des Augenblicks geschuldet war.

Am 14. November 2010 hatte eben Sebastian Vettel in einem verrückten Finale gegen Red Bull Racing-Kollege Mark Webber und Ferrari-Star Fernando Alonso seinen ersten Formel-1-Titel auf dem Yas Marina Circuit von Abu Dhabi gewonnen. Mateschitz, ausnahmsweise zu einem Rennen außerhalb Europas angereist (sonst kam er nur nach Barcelona, Monza, einmal Sotschi und Spielberg), war so begeistert, dass er seine Emotionen über Vettels und Red Bull Racings bis dahin größten Erfolg vor den ORF- und Sky-Kameras auslebte, eine kurze Wortspende inklusive. Ein einmaliger Ausrutscher.

Immerhin stand Mateschitz der österreichischen Sportjournalisten-Vereinigung (SMA) zwei Mal zu Diskussionsrunden zur Verfügung. Die jeweils weit länger dauerten als die vorher vereinbarte Zeit und in seinem Wahlheimat-Bundesland Salzburg stattfanden.

Der Steirer entwickelte sich nicht nur zum erfolgreichen Multiunternehmer und größten Sportförderer in Österreich und weltweit, sondern auch zu einer Persönlichkeit des nicht-öffentlichen Lebens. Marotte oder gezielte Strategie, wer weiß es schon, warum sich Mateschitz als persönliches Credo den Auftritt vor TV-Kameras versagte. «Die Marke ist wichtig, ich bin es nicht», erklärte er mehr als einmal.

Im November 2004, nach zehn F1-Saisonen mit der Red Bull-Werbung auf dem Heckflügel bei Sauber, setzte Mateschitz in der Formel 1 den lang erwarteten Schritt zum eigenen Team: Mit dem Kauf von Jaguar Racing.

Als er die Fabrik in Milton Keynes wenige Wochen später erstmals persönlich besuchte, wurde der neue Big Boss vielen Mitarbeitern vorgestellt. Eine ältere Dame in der Rezeption bekam leuchtende Augen, als der damalige Teamchef Tony Purnell Mateschitz vorstellte: «Jesus Christ, you are real?», staunte die Dame.

Interessant war es, den rasanten Aufstieg des Produkts in diversen Märkten zu beobachten. Gespräche mit «Didi» in den 1990er-Jahren beinhalteten auch das Dauerthema «In welche Ländern expandierst du demnächst?», nicht nur die Formel 1 und MotoGP.
Ich war im Herbst 1998 in Kalifornien unterwegs: FIA-GT-Finale in Laguna Seca (u. a. mit Karl Wendlinger), eine Woche später IndyCar in Fontana (u. a. mit Phillip Peter in den Indy Lights).

Dazwischen gab es eine Fahrt durchs Death Valley. Mit Wasserfassen im letzten Kaff, das bezeichnenderweise Lone Pine heißt. In einer Kühlbox standen Red Bull-Dosen. Das Getränk wurde damals gerade in Testmärkten in Kalifornien und Colorado erprobt. Ich erstand zwei Dosen und fragte die Dame an der Kasse: «Kennst du diesen Drink?» Sie antwortete: «Ich habe keine Ahnung, was es ist. Aber es verkauft sich höllisch gut.»

Jeans, karierte Hemden und Lederjacke

Die Bekleidung von Mateschitz darf man getrost als «casual» bezeichnen. Sie musste bequem sein und bestand überwiegend aus Jeans, kariertem Hemd und Lederjacke. Anzüge oder gar Smokings für gesellschaftliche Auftritte mochte er so wenig wie diese Feierlichkeiten.

Einmal gab es eine Ausnahme, als er Mitte der 1990er meinen Vorschlag aufgriff, Peter Sauber samt Fahrern zu den Salzburger Festspielen einzuladen. Jawohl, Festspielhaus, schwarzer Anzug, Feierstimmung.

Die fast traditionellen Tagesausflüge zu den F1-Wintertests nach Barcelona oder Jerez nützte der Pilot D.M. oft zum Sammeln von Flugstunden. Das war für mitreisende, neugierige Journalisten (ja, es gab einige Gelegenheiten) natürlich unpassend, denn mit dem Passagier Mateschitz hätte man während des Flugs schöne Gespräche führen können.

Viel weniger beachtet als seine Aktivitäten im Sport und in der Medienbranche waren die karitativen Bestrebungen. Für «Wings for Life», der in Salzburg beheimateten Stiftung zur Unterstützung der Rückenmarksforschung, für die medizinische Privatuniversität Paracelsus und manchmal für Menschen in Not da draußen flossen Millionen.

Sie waren für Mateschitz nicht Marketing, sondern Bedürfnis. Es wurde kein Aufheben darum gemacht.

Dietrich Mateschitz hinterlässt bei vielen Mitarbeitern, Partnern und unterstützten Sportlern die bange Frage, wie es nun weitergehen wird.

Seine Antwort fiel immer wieder beruhigend aus. «Macht euch keine Sorgen; es ist alles geregelt.»

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