Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Kisses from Budapest

Kolumne von Peter Hesseler
Ungarn

Ungarn

Formel 1 in Budapest – und immer noch in einer anderen Welt.

Budapest ist schön. Punkt.

Und verlässlich. Die Leute heissen in der Regel Zsolt mit Vornamen, gefolgt von Kiss. Kein Witz. Kisses from Budapest hat hier also eine ganz andere Bedeutung als Kisses from – beispielweise – London.

Die Strassen in der Stadt an der Donau nennt man Ut. Andrassy Ut, Karoly Ut. Wir warten noch auf das Schild «Ut Ut». Die schöne blaue Donau ist übrigens nicht blau. Wir haben es gesehen und sind drübergefahren. Eher brackig, braun-grau-grün. Aber wenn man darüber hinweg sieht, erblickt man schöne Ufer, atemberaubende Brücken, Zinnen und Türme – und abends glitzernde Hügel, Schlösser, Zitadellen. Die Hotelzimmer sind noch vier Meter hoch. Und Klimaanlagen etwas für Degenerierte, die das wahre Leben nicht aushalten. Es gibt noch echte Badeanstalten, die so gross sind, dass man sich drin verlaufen kann.

Auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt liegen einfachste Betriebe am Wegrand, wie Traktor-Reparatur-Werkstätten, verträumte Bauernhöfe, auch das ein oder andere Gespann pflügt noch durch die Felder. Esel haben wir (jedenfalls abseits der Strasse) keine ausgemacht. Vorstadtleben ohne westlich geprägte Hektik. Grundsätzlich fragt man sich im Ausland ja immer: Wie leben die Leute hier (und wieso scheinen alle ihren Dingen in einem ruhigeren Rhythmus nachzugehen als wir Deutschen)?

Sie leben offensichtlich nicht schlechter. Simpel zu erklären anhand des folgenden Beispiels: Im Hotel werden die Parkplätze von weiss livrierten Pagen wie selbstverständlich vor der Tür unter der Hand vergeben, in Euro. Forinth scheinen unbeliebt zu sein. Kein Wunder: Für 100 Euro bekommt man 28000 Einheiten der ungarischen Landeswährung. Wenn man den Parkplatz offiziell über die Rezeption bucht, zahlt man jedenfalls das Doppelte. Also bitte… Pagen müssen auch leben.

Die Welt ist auch an der Kasse noch in Ordnung: Eine Päckchen Marlboro kostet umgerechnet 2,50 Euro. Ein vernünftiges Abendessen zehn bis zwölf Euro. Die Hauptstrassen sind breit wie in Los Angeles, nur eben von mehr als hundert Jahre alten Häusern umstanden. Die Geschäfte oft klein, wie damals, als es Tante Emma noch gab – mit den Originalschildern versehen – und nicht selten in deutscher Sprache. Lastwagen, teils beängstigend ächzende Monster, rauchen ungehemmt wie zu Kriegszeiten durch diese schöne, alte Stadt, die mit ihrem Charme an das frühere Berlin erinnert. Und in der man gerne draussen sitzt und geistige Getränke zu sich nimmt und das Leben geniesst.

Manchmal trifft man hier interessante, fast vergessene Automobile an: zum Beispiel Marke Trabant und Wartburg. Auch 124er Fiat sind noch reichlich unterwegs, als hätte es nie fünf oder sechs Modellreihen des VW Polo gegeben.

Und dann, ja dann kann es passieren, dass am helllichten Tag mitten auf der Hauptstrasse ein halbes Dutzend Hostessen in Bikinis aufmarschiert und den Verkehr lahm legt (vielleicht nicht die originäre Bestimmung dieser Damen), weil man ja schliesslich auf eine After-Race-Party aufmerksam machen muss. Dazu werden die Hinterteile geschwenkt und Hand-Kisses – pardon: Küsse – in die Menge geworfen. Budapest liegt zwar (noch) nicht wirklich im Formel-Fieber, aber immerhin ging manch einem bei diesem Anblick die Temperatur hoch, denn zur Freude der genervten Autofahrer handelte es sich bei den Mädels um Ungarinnen. Die kann man in der Regel durchaus etwas länger anschauen.

Nun (tatsächlich) zum Sport: Ungarn ist seit 1986 ununterbrochen im Rennkalender vertreten. Für ein wirtschaftlich nicht allzu kräftiges Land eine ziemlich eindrucksvolle Leistung. Die Strecke vor den Toren der Stadt hat es in sich, sie lässt den Fahrer mit ihren üppigen Kurven, die meist ineinander übergehen, keine Sekunde vom Haken. Wer hier gewinnt, muss dafür mit überdurchschnittlichem Einsatz bezahlen.

Um bei den Kurven zu bleiben: Der Sieger, wer auch immer es sein wird, sollte dann mal als Selbstbelohnung bei der After-Race-Party vorbeischauen…
Wir sind gespannt, was uns im Verlauf des Wochenendes noch so ins Auge fällt.

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