Mein erstes Mal in Woking
Elegante Perfektion: Das McLaren Technology Centre in Woking
Das Reinkommen gestaltet sich jedoch nicht so einfach, wie es die blanken Glas-Fassaden des futuristischen Bauwerks vermuten lassen. Selbst den adrett in schwarz gekleideten McLaren-Mitarbeiterinnen wird nicht immer und überall Einlass gewährt: Wie mein betont freundliches Gegenüber nach einem gezielten Wedeln aus dem Handgelenk feststellen muss, bietet nicht jede Plastikkarte Zugang zum High-Tech-Tempel.
Zehn Minuten und einige hektische Telefonate später naht auf der anderen Seite des Glases eiligst Rettung: Mit rotem Kopf und ausser Puste begrüsst uns der Sicherheitschef persönlich. Wir müssen verstehen, wir seien etwas spät dran, erklärt er verlegen. Mein Verständnis hält sich in Grenzen, schliesslich lag ich trotz flugfeindlicher Winde, einem Stau im Luftraum über London (ja, das gibt’s tatsächlich) und Bus-Unfall (kein Scherz) ganz gut im Rennen – bis mir McLaren in die Quere kam.
Denn schon der Shuttle-Transport vom Busbahnhof ins Werk dauerte länger als nötig. «Vielleicht warten wir noch fünf Minuten, kann sein, dass noch jemand kommt», brummte der Fahrer nach einer knappen Begrüssung. «Vielleicht nicht, auf der Einladung steht, dass die Hauptstrasse in fünfzehn Minuten geschlossen wird», erwiderte ich so freundlich, wie es nach fast drei Stunden Flug mit den schlimmsten Vertretern der Eidgenossenschaft im Rücken nur geht, und fügte mit gequältem Lächeln an: «Ich bin heute Morgen um halb fünf Uhr auf, um das nicht zu verpassen.»
Den zweifelnden Blick, den er mir durch den Rückspiegel zuwarf, quittierte ich mit einem schiefen Grinsen und entschuldigte mich: «Wissen sie, das ist mein erstes Mal hier.» Sein Zweifel schlug sogleich in Mitleid um, der Motor wurde angeschmissen und wir bewegten uns – allerdings nur bis auf den Firmenparkplatz. Dort wechselte ich auf Geheiss Fahrzeug und Fahrer, der mich dann ganze vier Mal um den Parkplatz kutschierte, nur um mich zehn Minuten später exakt an der gleichen Stelle wieder rauszulassen. «Sorry, aber die Hauptstrasse ist jetzt geschlossen», erklärte mein neuer Chauffeur, der sich nicht auszukennen scheint: Fast hätte er mich durch die Unterführung in den Technologie-Tempel gelotst, im letzten Augenblick stoppte ihn ein wild fuchtelnder Kollege, der ihn anbrüllte: «DIESE Gäste dürfen nicht unten durch.» Als ob wir das nicht schon wären...
Einmal drin vergisst man sämtliche Umwege und Unterwürfigkeiten, die dazu von Nöten waren, denn was sich dem Besucher hier eröffnet, macht alles wieder wett. Das Traditionsteam, das – nicht zuletzt wegen der mittlerweile 23 Jahre währenden Partnerschaft mit dem Modelabel Hugo Boss – oft als Sinnbild für Stil und guten Geschmack angesehen wird, macht seinem Ruf alle Ehre: Nichts ist zu viel, alles steht an seinem Platz und glänzt makellos vor sich hin. Wir bemerken, dass sich selbst Staubkörner anmelden müssten, um hier reinzukommen, und offenbar darauf verzichten.
Durch die Schmach der Verspätung wird uns (mittlerweile sind wir zu Dritt) ein ganz besonderes Privileg zuteil: Wir dürfen den ersten Teil der Präsentation aus der Vogelperspektive mitverfolgen, weil die Presseränge bis auf den letzten Platz besetzt sind. Das hat den Vorteil, dass man den ganzen riesigen Eingangsraum, dessen Glasfront an einen kleinen, künstlichen See grenzt, im Blick hat. Und mit ihm ein ganzes Rudel McLaren-Renner aus den vergangenen Jahrzehnten: Ein Sammelsurium automobiler Leckerbissen, die man am liebsten streicheln würde, wenn es denn erlaubt wäre... So hat selbst die Parkplatz-Odyssee ihr Gutes, und ich muss nicht einmal lügen, als ich meinem Shuttle-Chauffeur auf dem Rückweg bestätige: «Ja, das ist mit Abstand die schönste Rennwagenschmiede der Welt.»