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Norbert Haug: «Erfolg für Mercedes, schönes Gefühl»

Von Mathias Brunner und Agnes Carlier
Interview, 1. Teil: Der frühere Motorsport-Chef von Mercedes-Benz über den Aufwärtstrend bei den Silberpfeilen, seine schönsten und schwierigsten Momente.

Norbert Haug, 60 Jahre jung, Mercedes-Urgestein mit mehr als 22 Dienstjahren als Motorsport-Chef von Mercedes-Benz, Nordschleifen-Kenner. Nichts wäre passender, als den früheren Journalisten ausgerechnet am Fusse der Nürburg wiederzusehen. Nach der Trennung vom grossen Stern ist es um Haug ruhig geworden. Es war höchste Zeit, zu hören, was der Vollblut-Racer zu erzählen hat.

Norbert, du warst für die meisten Rennsport-Fans monatelang auf Tauchstation. Was hast du in der Zwischenzeit getan?

Ich habe jetzt mehr Zeit für meine Freunde und mein Privatleben. Nach all den Jahren des Reisens war es auch schön, eine ruhigere Gangart einlegen zu können. Eine neue Phase hat begonnen, und darüber freue ich mich.

Ich habe mich angesichts deines Arbeitsprogramms oft gefragt: Wie und wann will dieser Mann ein Hobby pflegen? Für welches Steckenpferd nimmst du dir jetzt den Luxus Zeit?

Das hat sich immer stark auf den Winter und aufs Skifahren verlagert, im Winter gab's ja keine Rennen. Und ich hab jetzt mehr Zeit im Sommer, um für den Winter zu trainieren.

Wenn ich davon ausgehe, dass du als Mann mit Benzin in den Adern die Formel-1-Läufe schaust: Mit welchen Gefühlen sitzt ein ehemaliger Motorsport-Chef vor dem Fernsehgerät?

Mit grossen Interesse natürlich. Ich achte wie früher mehr auf Runden- und Sektorzeiten als aufs TV-Bild. Man sieht so, wie sich ein Rennen entwickelt.

Wie müssen wir uns das überhaupt vorstellen? Sitzt du mit Freunden da, gemütlich bei einem Bierchen, oder geniesst du das eher alleine, mit drei Bildschirmen vernetzt und quasi mittendrin?

Ich hab bisher immer alleine geschaut, aber ich schaue künftig sicher auch mit Freunden, je nachdem, wo ich gerade bin.

Wie schwierig war es, von Vollgas als Mercedes-Renndirektor auf ein gemächliches Tempo umzustellen? Vielen Menschen, weit über den Motorsport hinaus, fällt dieser Wechsel schwer.

Ich geniesse, was ich habe, es ist mir keineswegs langweilig, und sicher werde ich neue Herausforderungen haben.

Natürlich fragen sich die Fans, was bei dir überwiegt: Die Freude über den Aufschwung bei den Silberpfeilen oder der Schmerz, nicht mehr vor Ort zu sein?

Wenn das Team in Monaco und Silverstone gewinnt, wäre man sicher gerne vor Ort, um sich mitzufreuen und zu gratulieren. Generell habe ich keine Probleme damit, nicht mehr an der Rennstrecke zu sein. Ich bin zufrieden mit meinem Leben und freue mich fürs Team. Wenn die Silberpfeile nach der Aufbauzeit um die Spitze mitkämpfen, dann ist das sehr schön. Ich freue mich für alle im Team.

Viele Formel-1-Kenner glaubten, dass Hamilton bei Mercedes leichtes Spiel mit Nico haben würde. Das ist nicht passiert. Warum nicht?

Nico ist sehr gut, er und Lewis stacheln sich im besten Sinne an und bilden gemeinsam ein hohes Niveau.

Hand aufs Herz: Nach fast 23 Dienstjahren einen solchen Job an den Nagel zu hängen – wie viel Wehmut oder Bitterkeit ist damit verbunden?

Bitterkeit ist mir fremd. Ich schätze mich glücklich, so lange aktiv und verantwortlich gewesen zu sein. Zuletzt haben wir am Aufbau unseres Formel-1-Teams gearbeitet. Jetzt freut es mich sehr, dass die Früchte dieser Arbeit geerntet werden und die heute Verantwortlichen Toto Wolff, Ross Brawn und Niki Lauda machen ihre Arbeit gut.

Im letzten Spätsommer wurde klar: Es sollte ein Neu-Anfang gemacht werden, mit Niki Lauda als Vorsitzender des Aufsichts-Rats, mit Lewis Hamilton anstelle von Michael Schumacher, mit einem anderen Renndirektor. Was antwortest du Fahrerlager-Insidern, die dich in einer Art Opferrolle sehen – als Verantwortlicher von drei Jahren, die unter den Erwartungen geblieben sind.

Alles hat sich so entwickelt, wie es richtig ist. Keiner muss sich sorgen, dass ich ein Opfer bin, wie du fragtest.

Hat dich der neue Mercedes-Rennchef Toto Wolff je um deine Meinung gebeten?

Toto und ich kennen uns lange und haben in der DTM zusammengearbeiet und uns auch in Formel-1-Themen besprochen. Wir respektieren uns und kommen gut miteinander klar – aber ich habe heute bekanntlich keine Rolle im Team und bei Mercedes.

Wenn du zurückblickst – welches sind für dich die schönsten Momente?

Oh, da gibt es glücklicherweise viele. Vor allem bin ich sehr froh, dass schlimme Unfälle bei uns letztlich glimpflich ausgegangen sind. Ich erinnere da an Mika Häkkinen in Australien, an Karl Wendlinger in Monaco, an die Überschläge der Sportwagen in Le Mans. Ich weiss nicht, wie ich es verkraftet hätte, wenn einer unserer Fahrer schwer verletzt oder gar getötet worden wäre. Wir haben um die 80 Grands Prix und die WM-Titel mit Mika Häkkinen und Lewis Hamilton bei McLaren-Mercedes und mit Jenson Button bei BrawnGP gewonnen. Die Silberpfeile sind jetzt auch mit dem eigenen Team vorne dabei. Es gibt viele schöne Erinnerungen.

Gibt es auch etwas, das du gerne aus der Erinnerung streichen würdest?

Ich bin glücklich und zufrieden. Ich habe mich während meiner Arbeit nicht auf Unschönes konzentriert, selbst wenn es mich natürlich geschmerzt hat, dass wir 2012 nicht erfolgreicher gewesen sind. Wenn du es im Qualifying manchmal nicht unter die schnellsten Zehn schaffst, dann ist das sehr unbefriedigend. Allerdings bietet sich bei Problemen immer die Chance, daraus etwas zu lernen. Stärke zeigt sich erst in schwierigen Momenten. Wenn du die nicht überstehst und stärker daraus hervorgehst, dann hast du in diesem Sport auch nichts zu suchen.

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