Tom Lüthi: «Ich brauche einen frischen Wind»
Tom Lüthi mit Crew-Chief Alfred Willeke
Auf dem Ricardo Tormo Circuit in Valencia möchte Tom Lüthi am kommenden Sonntag seinen fünften WM-Rang gegen Jonas Folger erfolgreich verteidigen. Der Bayer aus dem AGR-Team ist ihm bis auf zwei Punkte nahegerückt.
Kalex-Pilot Lüthi seinerseits könnte noch Sam Lowes überholen, der zwölf Punkte vor ihm auf dem vierten WM-Rang liegt.
Für die Saison 2016 hat der Schweizer Routinier bereits die Weichen gestellt. Er trennt sich von seinem treuen Crew-Chief Alfred Willeke und übernimmt den Crew-Chief seines Teamkollegen und Landsmanns Domi Aegerter, den Franzosen Gilles Bigot.
Lüthi gewann die 125-ccm-Weltmeisterschaft 2005 auf Honda. 2007 stieg er mit einer Werks-Aprilia in die 250er-WM auf, seit 2010 bestreitet er die Moto2-WM. Ernsthafter Titelanwärter war er in dieser Kategorie noch nie – trotz regelmässiger GP-Siege.
Deshalb strebt der 29-jährige Routinier jetzt nach einer Veränderung.
Tom Lüthi hat jetzt bald neun Jahre in der mittleren Hubraumklasse hinter sich. Aber es hat nie mit dem Titelgewinn geklappt.
Besonders in der Moto2-Klasse mit den Einheitsmotoren, Einheitsreifen und den 22 Kalex-Bikes schaffen es nur wenige Fahrer, eine konstante Saison hinzukriegen.
Beispiel Saison 2015: Platz 3 beim Auftakt in Katar, dann Sieg in Le Mans Mitte Mai – dann erst in Malaysia Ende Oktober mit Rang 2 wieder auf dem Podest.
Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com sucht Tom Lüthi nach Erklärungen.
Tom, warum fehlt es bei dir immer an der Konstanz? Liegt es am Crew-Chief? Oder mangelt es am technischen Verständnis des Fahrers? Wie lassen sich diese Schwankungen im Lauf der Saison erklären? Jetzt wird der Crew-Chef gewechselt, der Fahrer kann ja nicht so leicht getauscht werden...
Da ist so, ja.
Rossi hat vor zwei Jahren Jeremy Burgess entlassen. Vor einem Jahr haben sich Pedrosa und Mike Leitner getrennt. Haben dich diese Beispiele ins Grübeln gebracht?
Ja, auf jeden Fall. Die Gedanken sind immer da gewesen. Aber es war nicht der Gedanke im Vordergrund: Ich will Alfred durch einen besseren Mann ersetzen. Das war nie das Thema. Es ist schwierig, einen besseren zu finden, denn Alfred ist ein Genie.
Aber die Gedanken sind bei mir gekommen, auch in diesem Jahr. Wir haben mehr Konstanz gefunden, aber trotzdem diese Löcher gehabt.
Wir müssen diese Konstanz herbringen, wie Tito im letzten Jahr und Zarco in dieser Saison. Wir brauchen die Konstanz, bei allen Rennen ganz vorne sein zu können.
Ich habe dann überlegt: Was kann ich machen? Was muss ich ändern? Was muss ich von meiner Seite besser machen? Ich werde sicher meine Vorbereitung ein bisschen ändern. Ich werde anders trainieren.
Gleichzeitig stellte sich die Frage: Brauche ich ein etwas anderes Umfeld?
Mit dem Team und den Sponsoren war alles frühzeitig klar. Es hat Sinn gemacht, so weiter zu arbeiten, damit ich auch die Unterstützung dieser Sponsoren habe, wenn es mal raufgeht in die MotoGP-Klasse.
Ich habe also überlegt: Brauche ich einen frischen Wind in Sachen Crew-Chief?
Ich habe mich dann früh mit dem Alfred unterhalten. Er hat auch gemeint: Vielleicht brauchen wir nach sechs gemeinsamen Jahren beide etwas Neues, etwas Anderes, einen Tapetenwechsel.
Ich habe nicht einen Besseren gesucht, sondern jemand anderen.
Das habe ich dann mit meinem Manager Dani Epp und Teamchef Fred Corminboeuf so vereinbart.
Es war schon vor einem Jahr fraglich, ob Alfred Willeke bei deinem Wechsel zu Technomag als Cheftechniker mitkommt.
Ja, ich habe damals gepusht, dass er mitkommt. Denn ich bin in eine Struktur gekommen, die ich nicht gekannt habe. Deshalb wollte ich möglichst viele Leute mitnehmen, die ich kenne. Also habe ich Alfred mitgenommen und Mechaniker Achim.
Alfred Willeke hat sich im Oktober 2014 zum Beispiel bei Forward-Yamaha beworben. Er hätte dort Crew-Chief von Stefan Bradl für 2015 werden können.
Ja, der Alfred hat sich damals umgesehen. Es stand ja erst beim WM-Finale 2014 fest, dass er ins neue Team mitkommen kann.
Reicht es, um frischen Wind zu erzeugen, wenn man aus der ganzen Technikmannschaft nur einen Mann austauscht? Ändert das so viel?
Der Crew-Chief ist der Crew-Chief. Er ist der wichtigste Mann. Er muss die Entscheidungen treffen. Mit Gilles zusammen wird es vielleicht eine andere Arbeitsweise geben, eine andere Richtung. Er hat so viel Erfahrung. Die Sprache ist kein Thema. Wir unterhalten uns auf Englisch. Gilles spricht sehr gut Englisch, meines ist auch gut.