Dovizioso & Ducati: Gibt's ein Nachspiel vor Gericht?
Andrea Dovizioso
Findet die achtjährige Zusammenarbeit zwischen Andrea Dovizioso und Ducati Corse ein Nachspiel vor Gericht. Dovis Manager Simone Battistella beschäftigt seit einigen Wochen die Frage, ob die Topmanager schon vor der Saison den Plan ausgeheckt haben, einen Titelgewinn des dreifachen MotoGP-Vizeweltmeisters 2020 zu verhindern. Denn es hat sich beim Saisonstart längst abgezeichnet, dass der Zwist mit dem 15-fachen MotoGP-Sieger zu weit eskaliert und an einen neuen Vertrag nicht mehr zu denken war.
Deshalb engagierte Ducati hurtig neue Fahrer wie Jorge Martin und Enea Bastianini, dazu wurden die Verträge mit Jack Miller und Pecco Bagnaia verlängert. Der 23-jährige Italiener wurde bereits nach den zwei Jerez-GP als neues Vorbild dargestellt, der begriffen habe, wie man mit der Ducati Desmosedici umgehen muss, wenn man Topzeiten fahren will.
Mit Dovizioso hingegen wurden die Verhandlungen bis Ende August auf Eis gelegt. Dovi brachte aus Jerez einen dritten und einen sechsten Platz heim, er klagte aber weiter über die üblichen Schwächen der GP20. Im Dovizioso-Camp wurden später auch ein paar technische Vorkommnisse dokumentiert, die den Verdacht nährten, Ducati sei an einem Titelgewinn durch die Nummer 04 nicht mehr besonders interessiert.
Denn die Ducatisti und italienischen Medien hätten nicht verstanden, wenn Dovi den Roten endlich den ersten Titel seit 2007 (Casey Stoner) beschert und dann im Streit Reißaus genommen hätte.
Es ist sogar der Verdacht zu hören, Ducati habe sich wegen der Budgetknappheit zu Zeiten von Corona den teuren WM-Bonus sparen wollen.
SPEEDWEEK.com hat dieses traurige Kapitel schon vor zwei Wochen thematisiert.
Es bekam jetzt durch den Ventil-Skandal bei Yamaha neue Nahrung.
Denn das Dovizioso-Lager stellt sich jetzt die Frage: Warum hat Ducati nicht gegen das milde Urteil protestiert, bei dem das «MotoGP Stewards Panel» für den Spanien-GP Yamaha und den zwei betroffenen Teams Monster und Petronas nur die Punkte der Marken-WM und Team-WM, nicht aber der Fahrer-WM aberkannt hat.
Wären Sieger Quartararo und dem Zweitplatzierten Viñales die Fahrer-WM-Punkte aberkannt worden, wäre «Dovi» beim Spanien-GP am 19. Juli im nachhinein vom dritten auf den ersten Platz vorgerückt. Er hätte dann 25 statt 16 Punkte bekommen und hätte sich nach dem Sieg in Spielberg als klarer Titelfavorit etabliert. Und er wäre jetzt WM-Dritter statt WM-Sechster!
Das Dovizioso-Lager erhebt den Vorwurf, Ducati hätte in der Teamvereinigung MSMA ein härteres Urteil durchsetzen können.
Schließlich haben Domi Aegerter in Misano 2017 und Fabio Quartararo in Motegi 2018 ihre Moto2-Siege durch wesentlich harmlosere technische Fehler ihrer Teams verloren.
Andrea Dovizioso wollte zu dem Thema gestern nicht Stellung nehmen. «Wenn ich etwas dazu sage, bringt mich mein Manager um», befürchtete er mit einem vielsagenden Schmunzeln.
Warum haben sich also die fünf gegnerischen Hersteller in der MSMA nicht für rigorosere Strafen ausgesprochen?
Pit Beirer, Motorport-Direktor von KTM, hat dafür eine einleuchtende Erklärung.
«In Spielberg wurde bei zwei MSMA-Meetings das Ventil-Thema von Yamaha besprochen», hält Beirer fest. «Es wurde nie über die Art möglicher Penaltys diskutiert. Die Mitbewerber von Yamaha wollten immer nur Fakten zu den Ventilen und Beweise dafür, dass es sich wirklich um eine schadhafte Lieferung gehandelt habe.»
Diese Beweise konnte Yamaha aber nicht liefern, weil beim ersten Jerez-GP illegale Ventile eines anderen Herstellers eingebaut waren. Sie führten zu drei Motorschäden und unterscheiden sich deutlich von jenen Ventilen, die in der homologierten «sample engine» zu finden waren.
Pit Beirer verweist auf das Aufgabengebiet der MSMA. «Alle sechs MotoGP-Werke sind Mitglied der Motorcycle Sports Manufacturer‘s Association. Wir sind für das Technische Reglement und dessen Einhaltung zuständig – und nicht für Penaltys. Bei technischen Verfehlungen ist die FIM und der Stewards Panel für die Strafen zuständig. Wir MSMA-Mitglieder wollten nur den Vorgang verstehen, warum ein Werk mitten in der Saison in versiegelten Motoren andere Ventile einbauen will.»
Ganz klar: Ducati, Honda, Suzuki, KTM und Aprilia hatten den Verdacht, die neuen Ventile würden der Performance-Steigerung dienen.
Da sich die Yamaha-Truppe immer wieder in Widersprüche verwickelten, blieben die anderen MSMA-Mitgleder in dieser Angelegenheit hartnäckig.
Zu recht. Denn inzwischen wurden bei den angeblich identischen Ventilen deutliche Unterschiede beim Material und der Geometrie festgestellt.
Viñales brauchte einen sechsten Motor und musste in Valencia aus der Boxengase starten. So einen «engine penalty» wollten die Gegner durch ihr stures und berechtigtes Nachbohren erreichen.
Pol Espargaró landete beim GP Spanien auf Platz 6. Er wäre auf Platz 3 vorgerückt, wenn Quartararo, Viñales und Morbidelli (Platz 5) die Punkte in der Fahrer-WM verloren hätten.
«Aber in der MSMA hat sich niemand mit den Strafen befasst», versichert Pit Beirer. «Wir als KTM hatten zu keiner Zeit Interesse an einem Protest gegen die Artz und Höhe der Strafen.»
Die Österreicher wollen ihre Erfolge auf der Rennstrecke erringen, nicht auf dem grünen Tisch.
Stand Fahrer-WM nach 12 von 14 Rennen:
1. Mir, 162 Punkte. 2. Quartararo 125. 3. Rins 125. 4. Viñales 121. 5. Morbidelli 117. 6. Dovizioso 117. 7. Pol Espargaró 106. 8. Nakagami 105. 9. Miller 92. 10. Oliveira 90. 11. Petrucci 77. 12. Binder 76. 13. Zarco 71. 14. Alex Márquez 67. 15. Rossi 58. 16. Bagnaia 42. 17. Lecuona 27. 18. Aleix Espargaró 27. 19. Crutchlow 26. 20. Bradl 16. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.
Konstrukteurs-WM nach 12 von 14 Rennen:
1. Suzuki 188. 2. Ducati 181 Punkte. 3. Yamaha 163. 4. KTM 159. 5. Honda 130. 6. Aprilia 36.
Team-WM nach 12 von 14 Rennen
1. Team Suzuki Ecstar, 287 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 205. 3. Ducati Team 194. 4. Red Bull KTM Factory Racing 182. 5. Monster Energy Yamaha MotoGP 159. 6. Pramac Racing 138. 7. LCR Honda 131. 8. Red Bull KTM Tech3, 117. 9. Repsol Honda Team 83. 10. Esponsorama Racing 81. 11. Aprilia Racing Team Gresini 39.