Herlings-Monticelli: Die Kollision im Faktencheck
Ivo Monticelli (#128) sprang in Oss in den Rücken von Jeffrey Herlings
Die Videoaufnahmen der Helmkameras von Ivo Monticelli und Tim Gajser geben Aufschluss über die Ereignisse nach dem Start zum ersten MXGP-Lauf von Oss. Fakt ist: Jeffrey Herlings wurde bei dem Einschlag von Ivo Monticelli das linke Schulterblatt gebrochen und der Niederländer vollbrachte die unglaubliche Leistung, das Rennen trotzdem noch zu gewinnen. im zweiten Lauf jedoch konnte er nicht erneut antreten. Es ist derzeit noch ungewiss, ob Herlings am Wochenende in Loket wieder fit ist. Falls nicht, dann könnte der Zwischenfall von Oss schon eine Vorentscheidung in der WM 2021 sein.
Von Anfang an stellte sich die Schuldfrage: War Monticelli zu weit gesprungen, sodass er in den Rücken von Herlings krachte oder sprang Herlings zu kurz, sodass nachfolgende Fahrer keine Chance hatten?
Tatsache ist, dass der Starthaken der KTM von Herlings nicht ausgelöst hat. Fakt ist, dass an diesem Streckenabschnitt die Vordergabel längst ihren vollen Federweg hätte haben müssen. Herlings fuhr durch die erste Linkskurve, die folgende Rechtskurve und die Rhythmussektion vor dem Sprung mit steifer und zusammengedrückter Vordergabel und konnte seine Maschine natürlich nicht so kontrollieren, wie es notwendig gewesen wäre.
Deshalb strauchelte er und sprang er zu kurz. Das Statement von KRT Kawasaki fällt daher auch eindeutig aus: «Der Fahrer vor ihm [Jeffrey Herlings] sprang wegen eines technischen Defekts zu kurz. Monticelli sprang normal, kollidierte, stürzte und fiel an das Ende des Feldes zurück.»
Die Videobilder der Helmkameras von Monticelli und Gajser zeigen, wie sehr Herlings schon vor dem Absprung strauchelte, als er mit zusammengedrückter Gabel die Auffahrt zum Sprunghügel anfuhr und dabei auch noch die Spurrinnen verfehlte: Das Vorderrad ist an der Auffahrt in einer anderen Spurrinne als das Hinterrad, sodass er quer zur Fahrtrichtung abspringt.
Die GoPro-Bilder zeigen aber auch, wie Monticelli die erste Kurve ansteuert. Er kommt gut aus dem Startgatter heraus, geht als Erster in die erste Kurve, wird aber zu weit herausgetragen und hämmert seine Kawasaki hart gegen den rechten Anlieger am Streckenrand. Sein Fahrwerk wird dabei voll zusammengestaucht und er katapultiert sich zurück auf die Strecke. Dieses Manöver war riskant, hatte aber mit dem Problem wenige Sekunden später auf den ersten Blick nichts zu tun. Monticelli wähnte sich an der Spitze des Feldes. Durch seinen Fehler in der ersten Kurve huschten Coldenhoff, Febvre, Herlings und Seewer innen vorbei. Jetzt sah er seine Chance, diesen Fehler wieder wettzumachen und nahm den Bergaufsprung so wie immer. Der Rest ist Geschichte.
Monticelli war im Getümmel der ersten Runde - wie jeder andere Fahrer auch - mit sich selbst beschäftigt. Wir können uns die GoPro-Bilder immer und immer wieder anschauen, doch ein Fahrer muss in Sekundenbruchteilen reagieren. Die Videos zeigen übrigens auch sehr klar, dass selbst Febvre mindestens eine Motorradlänge weiter springt als Herlings. Wäre Herlings wenigstens so weit wie Febvre gesprungen, hätte Monticelli ihn nicht getroffen.
Das Drama von Herlings wurde durch den nicht ausgelösten Starthaken an Herlings' KTM verursacht. Monticelli trifft keine Schuld. Es war ein normaler, wenn auch tragischer Rennunfall. Traurig ist, dass es ausgerechnet wieder Jeffrey Herlings erwischt hat, der in den letzten Jahren immer wieder so viel Pech hatte. Es bleibt zu hoffen, dass 'The Bullet' bald wieder auf die Rennstrecke zurückkehren kann.
Helmkamera von Ivo Monticelli:
Helmkamera von Tim Gajser: