Formel 1: FIA spricht Urteil

Carlos Sainz Jr. Steckbrief

Carlos Sainz Jr.

Carlos Sainz Jr

Rennfahrer
  • Vorname: Carlos
  • Nachname: Sainz Jr.
  • Spitzname: Chili
  • Webseite: www.carlossainz.es/
  • Twitter: Carlossainz55
  • Nationalität: Spanien
  • Geburtsdatum: 01.09.1994 in Madrid, Spanien (30 Jahre, 2 Monate und 13 Tage)
  • Familienstand: Ledig
  • Wohnort: Madrid
  • Größe: 177 cm
  • Gewicht: 66 kg
  • Hobbys: Alle möglichen Sportarten (Tennis, Wakeboard, Fussball, Skifahren, Radfahren etc.) und die Jagd
  • Lieblingssportart(en): Alles mögliche
  • Lieblingsstrecke: Silverstone, Spa-Francorchamps
  • Lieblingsspeise(n): Pasta
  • Lieblingsmusik: Kings of Leon, The Killers

Über Carlos Sainz Jr.

Letzte Aktualisierung:

Carlos Sainz hat früh mit dem Rennfahren angefangen. Seinen ersten großen Titel erreichte er im Jahr 2008 mit dem Asia-Pacific KF3 Cup in 2008. Im gleichen Jahr wurde er spanischer Vizemeister. 2009 wurde Carlos europäischer Vizemeister, und er gewann den renommierten Monaco-Cup. Sein Weg war vorgegeben, aber er führte nicht in die gleiche Richtung wie damals bei seinem Papa gleichen Namens. Carlos junior: «Ich wusste immer, dass ich Formel 1 fahren wollte, nicht Rallyes wie Papa.»

2010 wechselte Carlos die Disziplin und fuhr von nun in der europäischen Formel BMW. Carlos gewann das Rennen in Silverstone, und bei der EM wurde er Vierter. Den Rest der Saison fuhr Carlos in der Formula BMW Pacific. Obwohl dort seine Siege für ihn keine Punkte einbrachten, gewann er drei von neun Rennen.

Die Saison 2011 bedeutete den nächsten Schritt in Carlos' steiler Karriere mit dem Wechsel in die Formula Renault 2.0, bei der er in beiden Rennserien der Saison, dem Eurocup und dem Northern European Cup, für das Koiranen Bros. Team an den Start ging. Carlos gewann zehn Rennen der Serie, mit acht Pole-Positions und zwölf Rundenbestzeiten.

Nach dem Zwischenstop bei der Formula Renault 2.0 fuhr Carlos 2012 für das Carlin-Team in der britischen Formel 3. Sein neuer Rennstall hatte hohe Erwartungen an den jungen Fahrer. Immerhin hatte das Team vier Jahre in Serie den Titel gewonnen. Nach einer guten, aber nicht berauschenden Saison (sechster Schlussrang) wechselte Carlos 2013 in die GP3-Serie, um für das MW Arden Team zu fahren. Dort wurde er Meisterschaftszehnter, zugleich schnuppete er Luft in der Formel Renault 3.5.

2014 war ein fantastisches Jahr für Carlos: Er gewann als jüngster Fahrer aller Zeiten die World Series by Renault 3.5. Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko hatte von Sainz den Titel verlangt, und der Madrilene lieferte Leistung.

Aber das Beste sollte erst noch kommen: Carlos wurde als neuer Fahrer für 2015 bei der Scuderia Toro Rosso vorgestellt, als Teamkollege von Max Verstappen, zusammen bildeten sie eines der jüngsten Teams in der Geschichte der Formel 1, Sainz als 20-Jähriger, Max als 17-Jähriger. Bedenken, wonach zwei unerfahrene Piloten die Entwicklung nicht voran treiben könnten, waren schnell vom Tisch.

Sainz fuhr meist auf Augenhöhe mit Verstappen, hatte aber in den Rennen erheblich mehr Pech als der Niederländer. Höhepunkt für Carlos: Rang 7 in den USA. Tiefpunkt: Das Rennwochenende direkt davor in Sotschi, wo Sainz im Training einen schweren Unfall hatte und sein Auto unter einem Prallschutzstapel feststeckte. Tags darauf fuhr der Spanier aber tapfer den Russland-GP.

Seine erste Saison in der Formel 1 schloss Sainz auf WM-Rang 15 ab, drei Plätze hinter Max Verstappen.

2016 schien Sainz ein wenig auf der Strecke zu bleiben: Verstappen wurde von Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko vor dem Spanien-GP zu Red Bull Racing geholt, der Niederländer bedankte sich mit einem sensationellen Sieg. Verstappen etablierte sich in der Weltspitze, als hätte er nie etwas Anderes getan. Sainz blieb bei Toro Rosso, und zum Glück erkannten Fans und Fachleute zugleich, welch bärenstarke Rennen der Madrilene fuhr. Ergebnis: WM-Rang 12, mit den sechsten Rängen in Barcelona, Austin und São Paulo als Highlights.

Im Frühling wurde Sainz von den einfallsreichen spanischen Medien in einen Ferrari geschrieben. Im Herbst wurde er Richtung Renault-Werksteam geschubst. Fakt aber ist, was Dr. Marko wiederholte: «Wieso sollen wir einen jungen Piloten ausbilden und dann der Konkurrenz schenken? Sainz bleibt bei uns.» Carlos selber meinte: «Das Interesse von Renault empfinde ich als Ehre. Ich glaube, jeder Rennfahrer findet es toll, wenn sich ein Werksrennstall für ihn interessiert. Aber jeder weiss – Red Bull führt dich durch eine Karriere. Sie haben über fünf Jahre viel Geld in meinen Aufstieg in Nachwuchsklassen investiert, ich rede hier von Millionen von Euro, also ist es nachvollziehbar, dass sie wenig Lust haben, mich gehen zu lassen.»

«Meine Ziele sind mittelfristig. Ich will mit Red Bull Racing eines Tages um den WM-Titel kämpfen können, also sehe ich hier die besten Chancen.»

Sainz verneinte, dass ihn die ständigen Gerüchte um Ferrari und dann Renault ablenken: «Wenn mich das destabilisieren würde, dann würde ich bestimmt nicht so freimütig darüber reden. Für mich ändert sich an meinem Job durch solche Geschichten nichts.»

Toro Rosso baute für 2017 ein gutes Auto – erst im letzten Rennen wurde die Scuderia vom sechsten Schlussrang verdrängt. Aber da war Carlos Sainz nicht mehr im Team.

Der Madrilene spürte im Sommer, dass mittelfristig für ihn bei Red Bull Racing kein Platz sein würde. Als ihm eröffnet wurde, dass er auch 2018 in einem Toro Rosso sitzen soll, wurde Carlos zickig.

Ausgerechnet vor dem Red-Bull-Heimrennen in der Steiermark meinte der Spanier: «Die Saison ist noch lang, und offensichtlich kursieren einige Gerüchte, die zu diesem Zeitpunkt der Saison immer die Runde machen. Wie jeder weiss, steht Red Bull Racing für mich an erster Stelle. Sollte das nicht passieren, dann ist ein viertes Jahr mit Toro Rosso wohl eher unwahrscheinlich, deshalb halte ich mir alle Optionen offen.»

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost reagierte so: «Es liegt nicht an Carlos zu entscheiden, wo er fahren wird. Er hat einen Vertrag mit Red Bull, und Red Bull entscheidet, was er in Zukunft machen wird. Die ganze Diskussion finde ich ein wenig verwirrend. Red Bull hat die komplette Karriere von Carlos finanziert – in der Formel BMW, in der Formel Renault, in der Formel 3, in der GP3, in der Formel Renault 3.5, dann drei Jahre lang in der Formel 1. Wieso sollte Red Bull ihn einem anderen Team hergeben? Manchmal ist Loyalität auch wichtig.»

Noch deutlicher wurde Dr. Helmut Marko, Motorsportchef von Red Bull: «Vielleicht ist Sainz derzeit ein wenig verwirrt, ich sehe das an seiner Fahrweise. Er hat in dieser Saison schon ein paar dumme Fehler gemacht. Der Vertrag ist glasklar. Und in Österreich sagen wir – du beisst nicht die Hand, die dich füttert. Es waren Didi Mateschitz und ich, welche Sainz in einen Toro Rosso gehievt haben. Niemand sonst hätte ihm eine solche Chance gegeben. Wir haben ihm einen Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, dass wir unsere Option auf ihn einlösen. Und so lange ich bei Red Bull bin, hat noch nie der Fahrer entschieden, was mit seinem Vertrag passiert. Das ist Chefsache.»

Marko fiel dann aber ein genialer Schachzug ein. Renault war mit dem überforderten Jolyon Palmer unglücklich, also lieh Marko den jungen Sainz an Renault aus. Dort kann Carlos in Ruhe mit einem grösseren Rennstall als Toro Rosso lernen, zugleich gab dies die Möglichkeit, bei Toro Rosso Brendon Hartley und Pierre Gasly fahren zu lassen.

Sainz fuhr in Texas sofort in die Punkte und wurde Siebter. In Quali und Rennen war hier ein ganz anderer Fahrer als der blasse Palmer am Werk. Nico Hülkenberg freute sich: «Ich denke, Carlos und ich, wir sind eine gute Fahrer-Paarung, um so viel Leistung wie nur möglich aus unserem Paket zu holen. Wir kommen gut miteinander aus, er ist ein netter Kerl, ziemlich entspannt. Und wir haben auch eine gute Arbeitsatmosphäre, denn er macht auch sehr viel Druck und treibt das Team an. Er ist genau das, was Renault braucht.»

Renault-Sonderbotschafter Alain Prost: «Es ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden, während der laufenden Saison das Aufgebot zu ändern. Aber wir wollten Carlos unbedingt so bald als möglich im Auto haben.»

Sainz selber bilanzierte nach dem neunten WM-Schlussrang, mit Rang 4 in Singapur als Highlight: «Es war eine gute Saison und mit Renault ein solider Anfang. Ich habe viel zu lernen, weil ich mitten in der Saison in ein Werks-Team gekommen bin. Aber ich glaube, ich habe diese Herausforderung nicht übel gemeistert. Ich sehe mich aber auch für 2018 noch immer in einer Lernkurve.»

2018 stand Sainz im Schatten von Nico Hülkenberg. Der Deutsche wurde sehr guter WM-Siebter, der Madrilene schloss die WM auf Platz 10 ab. Der grösste Coup gelang Carlos nicht auf der Rennstrecke: Er unterzeichnete einen Vertrag bei McLaren als Nachfolger von Fernando Alonso.

Sainz: «Erstmals überhaupt habe ich einen Vertrag unterschrieben, der mir die nächsten zwei Jahre lang GP-Sport zusichert. Ich gehe meine neue Aufgabe bei McLaren überaus optimistisch an, so bin ich einfach. Darüber hinaus stimmt mich die Tatsache positiv, dass McLaren 2018 sehr viel gelernt hat. Dadurch, dass sie die gleiche Antriebseinheit wie Red Bull Racing und Renault einsetzten, haben sie viel verstanden. Sie haben gesehen, dass sie in vielen Bereichen umfassende Änderungen vornehmen müssen. Und seit sie das begriffen haben, sind sie dabei, das Blatt zu wenden. Ich hoffe, dass sich diese Änderungen 2019 bemerkbar machen.»

«McLaren war für mich immer ein spezieller Rennstall. Ich meine, schaut euch an, wer alles für McLaren gefahren ist – Fittipaldi und Hunt, Senna und Prost, Häkkinen und Alonso. McLaren ist etwas ganz Besonderes.»

Carlos Sainz zeigte bei McLaren zwei starke Jahre – er wurde 2019 und 2020 jeweils WM-Sechster, wurde in Interlagos Dritter und in Monza 2020 Zweiter.

Über sein erstes Jahr im Papaya-farbenen Renner meinte Carlos: «Ich hatte mit McLaren ein gutes Bauchgefühl. Auch wenn es in den vergangenen Jahren nicht gut ausgesehen hatte für die Engländer und sie 2018 lediglich Sechste geworden waren. Aber ich habe mich damals sehr lange mit Ingenieuren unterhalten, und das Projekt für 2019 und darüber hinaus fühlten sich einfach richtig an.»

«Ich spüre frischen Wind bei McLaren, einen neuen Ansatz, wir haben die Team-Struktur erheblich umgebaut. Ich bin sehr zufrieden. Ich spüre enorme Motivation und einen grossen Hunger.»

Über seine teilweise herausragenden Rennen 2019 meinte Sainz: «Ich glaube, ein Grund für die guten Leistungen ist die Tatsache, wie wohl ich mich bei McLaren fühle. Ich weiss, welches Vertrauen mir entgegengebracht wird, ich sehe, was alles für die Zukunft aufgegleist ist, mein langjähriger Vertrag bedeutet, dass ich mich ganz in die Arbeit vertiefen kann und nicht darüber grübeln muss, was aus mir wird. Diese Sicherheit und diese Zufriedenheit haben es mir erlaubt, noch mehr aus mir herauszuholen. Ich habe 2019 Überholmanöver gezeigt, zu welchen ich früher vielleicht nicht fähig gewesen wäre.»

Noch vor Beginn der GP-Saison 2020 kündigte Ferrari an: Sebastian Vettel erhält keinen neuen Vertrag mehr. Natürlich war da Carlos Sainz längst im Gespräch, und im Mai wurde von Ferrari verkündet – der Spanier fährt ab 2021 an der Seite von Charles Leclerc in Rot.

Carlos Sainz wurde zum fünften Ferrari-Werksfahrer aus Spanien – nach Alfonso Antonio Vicente Eduardo Ángel Blas Francisco de Borja Cabeza de Vaca y Leighton, Carvajal y Are, Conde de la Mejorada, Marquis de Portago, kurz «Fon» de Portago (1956/1957), Marc Gené, Pedro de la Rosa (beide nur als Testfahrer) und Fernando Alonso (2010 bis 2014).

Carlos Sainz wusste, was die Tifosi von ihm erwarten: «Ich verstehe, dass die Leute mich um Podestplätze und Siege kämpfen sehen wollen, sobald ich in Rot auftrete. Mit 17 Jahren war ich naiv-optimistisch. Ich war komplett davon überzeugt, dass ich es in die Formel 1 schaffen würde. Erst später wurde mir klar, wie schwierig das ist. Wenn mir damals einer gesagt hätte, dass ich eines Tages in einem Ferrari sitze, dann hätte mich das glatt aus den Socken gehauen.»

«Es fühlte sich seltsam an, mitten in einer Pandemie einen Vertrag zu unterzeichnen. Ich kann die Begeisterung um Ferrari nachvollziehen, aber es liegt in meiner Natur, meine Dinge gründlich und gut zu machen. Ich mag die ganze McLaren-Truppe sehr und bin sehr dankbar dafür, was sie alles für mich getan haben. Als klar wurde, wo mein Weg hinführt, haben mir bei McLaren alle mit aufrichtiger Freude gratuliert. Das werde ich nie vergessen.»

Klar machte die Runde, dass Sainz als zweite Geige neben Charles Leclerc verpflichtet worden sei, aber Sainz sagte: «Ich habe nichts unterzeichnet, das mich zum zweiten Fahrer machen würde. In meinem Vertrag steht, so wie in all meinen Abkommen davor, dass der Rennstall über den Fahrern steht. Aber es ist nichts darüber definiert, dass ich jemanden unterstützen muss.»

«Ich kann nur sagen, dass ich für Ferrari alles geben werde, um Rennen zu gewinnen. Aber ich behandle alle Fahrer als Rivalen, und die Farbe des gegnerischen Autos spielt dabei keine Rolle. Sollte eine komplizierte Situation entstehen, dann werden wir die richtige Entscheidung treffen, darüber mache ich mir keine Sorgen.»

Gab es eigentliche ein Antrittsgeschenk bei Ferrari? Carlos Sainz: «Nein, Ferrari hat mir einfach den Vertrag zum Unterzeichnen geschickt, mehr nicht. Ich habe das Abkommen mit einem Lächeln unterzeichnet, wie ihr euch vorstellen könnt. Ob ich einen Rabatt erhalte, wenn ich einen Ferrari haben will, ist vermutlich Verhandlungssache, ich habe mir das bisher nicht angeschaut. Wenn ich in Maranello bin, werde ich mich mal danach erkundigen. Bei McLaren ist es so, dass ich ein Auto geliehen erhalte, das ich alle sechs Monate wechsle. Was die Farbe angeht – ich mag dunkle Fahrzeuge, denn ich falle nicht gerne auf.»

Sainz zeigte 2021, wieso ihn Ferrari holen wollte: In jedem der 22 Rennen im Ziel, 20 Mal in den Top-Ten, Dritter in Ungarn, Russland und Abu Dhabi, Zweiter in Monaco, in der WM als Fünfter vor seinem höher eingeschätzten Stallgefährten Charles Leclerc – eindrucksvoll!

Der erste Arbeitstag von Carlos Sainz für Ferrari begann ziemlich früh: «Der Wecker klingelte um 6.30 Uhr morgens. Aber ich war schon vor elf zu Bett gegangen, von daher hatte ich genügend Schlaf. Ich brauche in der Regel zwischen sieben und acht Stunden.»

«Als ich daran dachte, dass nun der Tag gekommen ist, endlich einen Formel-1-Ferrari zu bewegen, bekam ich Gänsehaut. Was dann passierte, dafür fehlen mir die Worte. Ich glaube nicht, dass ich angemessen erklären kann, was in mir vorgegangen ist. Du kommst auf das Ferrari-Testgelände von Fiorano und siehst zum ersten Mal einen Ferrari mit deinem Namen an der Seite und mit deiner Startnummer. In diesem Moment wurde mir klar – das passiert wirklich. Es klingt nach wenig, aber das waren magische Momente.»

«Wenn du den Helm aufsetzt, das Visier herunterklappst und auf die Bahn fährst, bist du ganz auf die Arbeit konzentriert. Alles fühlte sich bald vertraut an. Der Wagen lief gut, ich machte keine Fehler.»

Carlos Sainz wurde von seinem Vater begleitet, das bedeutet ihm viel. «Vor einer Woche sassen wir zuhause zusammen, und ich sagte zu ihm: ‚Schau, das ist für mich ein ganz besonderer Tag, und ich möchte, dass du an meiner Seite bist.’ Er war sehr glücklich, dass ich diesen Moment mit ihm teilen wollte. Und Ferrari hat das möglich gemacht, Mattia Binotto und Laurent Mekies haben ihm sogar eine VIP-Tour gegeben. Ich glaube, Papa war vor dem Test nervöser als ich!»

Was Sainz auch nicht entgangen ist: «Die Fans haben zwei Transparente aufgehängt, auf einem stand ‚Vamos, Carlos!’, auf einem anderen ‚Smooth Operator’.» Hintergrund: Sainz pflegt am Funk den Sade-Song zu singen, wenn ihm eine besonders gute Leistung gelungen ist. Carlos lacht: «Offenbar kennen die Tifosi meine kleinen Macken schon sehr gut. Nach dem Test war es mir wichtig, mit dem Privatwagen zum Pistenrand zu fahren und mich bei den Zaungästen für ihre Unterstützung zu bedanken. Ich glaube, sie fanden es schön, dass wir die gleiche Leidenschaft teilen.»
Nach der Saison fasste Sainz seine Erlebnisse so zusammen: «Es war ziemlich hektisch, wir hatten viele Rennen, aber wir haben viele gute Momente erlebt und ich konnte mich verbessern. Ich bin nun stärker als am Anfang der Saison und wir konnten auch als Team einen wichtigen Fortschritt verbuchen. Einige Änderungen innerhalb der Mannschaft gehen in die richtige Richtung und das lässt mich auch zuversichtlich aufs Nächste Jahr blicken.»

Auf die Frage, ob er alles erreicht habe, was er sich vorgenommen hat, antwortet Sainz: «Ich denke, das Schwierigste habe ich erreicht. Ich wollte mich schnell ans Team anpassen und ohne viel Vorbereitung auf Touren kommen. Das ist mir gelungen. Natürlich gibt es ein paar Details, bei denen ich es mir gewünscht hätte, dass sie besser geklappt hätten. Aber man kann sicherlich von einer anständigen Leistung sprechen.»

Als Ferrari-Pilot lastet besonders viel Druck auf den eigenen Schultern, bestätigte Sainz. «Das macht die Saison noch stressiger und härter, aber für mich war es nicht schwierig, mich daran zu erinnern, dass ich meinen Traum lebe. Ich wollte schon immer für das beste Team in der Startaufstellung arbeiten, und für mich ist das Ferrari. Sobald ich mir das in Erinnerung rufe, gehe ich gut gelaunt in jedes Rennwochenende.»
Beim Schritt zur neuen Flügelauto-Generation 2022 kam Carlos aus dem Tritt: Charles Leclerc zeigte deutlich stärkere Leistungen und wurde zum stärksten WM-Gegner von Max Verstappen, der Spanier geriet ins Grübeln. Zumal er sich in den ersten Rennen einige Fehler leistete, wie den Dreher in Australien oder die Kollision mit Daniel Ricciardo in Imola.

Ausgerechent der zweite Ausfall in Folge, nachdem Ferrari bestätigt hatte – Sainz bleibt mindestens bis Ende 2024 an Bord.

Sainz zur vorzeitigen Vertragsverlängerung: «Ich freue mich sehr über die Vertragsverlängerung mit Ferrari. Ich habe immer gesagt, dass es kein besseres Formel-1-Team gibt, für das man Gas geben kann. Und nach dem ersten gemeinsamen Jahr kann ich bestätigen, dass es unvergleichlich und einzigartig ist, dieses Team zu repräsentieren.»

«Meine erste Saison 2021 war solide und konstruktiv, wir konnten als Team nach vorne kommen. Die Früchte der harten Arbeit waren in der bisherigen Saison klar ersichtlich. Ich fühle mich durch diesen Vertrauensbeweis gestärkt und kann es kaum erwarten, wieder ins Auto zu steigen und mein Bestes zu geben, um den Fans viel Freude zu bereiten. Der F1-75 ist ein Spitzenauto, mit dem ich meine Ziele auf der Strecke erreichen kann, und das erste Ziel lautet, den ersten Formel-1-Sieg einzufahren.»

Das hätte in Montreal fast geklappt – in Kanada setzte Sainz den Sieger Verstappen gewaltig unter Druck, und der Niederländer musste sich sehr breit machen, um Erster zu bleiben. Dann kam Silverstone.

Carlos Sainz konnte im 150. Anlauf endlich seine erste Pole-Position in der Königsklasse eingefahren, nach drei zweiten Rängen in Abschlusstrainings von Sotschi 2021, Miami 2022 und Monte Carlo 2022. Der 27-jährige Spanier wurde zum 104. Fahrer, der in der Formel 1 eine Pole erobern konnte, der erste neue Mann auf Pole seit Sergio Pérez in Saudi-Arabien 2022.

Sainz ist der zweite Spanier nach Fernando Alonso, der in der Formel 1 eine Pole-Position herausgefahren hat. Es ist seine erste Pole im Einsitzer seit seiner Zeit in der Formel Renault 3.5 im Jahre 2014, damals eroberte er sieben Pole-Positions, die letzte davon Ende September in Le Castellet.

Carlos sagte: «Das geht schon ans Herz, auf einer Traditionsbahn wie Silverstone die erste Formel-1-Pole zu erringen. Es macht auch Freunde, dass ich das bei solch schwierigen Verhältnissen geschafft habe.»

«Wir hatten viel stehendes Wasser auf der Bahn. Ich versuchte, einen kühlen Kopf zu behalten. Es war schwierig da draussen. Die Verhältnisse haben sich ständig verändert, jede Runde war ein neues Abenteuer. Du konntest nie wissen, was auf dich zukommt, wie viel Wasser auf der Bahn ist, ob die Reifen auf guter Temperatur sind.»

«Die meiste Zeit über hatte ich Probleme, die hinteren Reifen auf Temperatur zu bringen. Aber in den letzten zwei Runden, ausgerechnet dann, als es um alles ging, konnte ich sie endlich ins beste Betriebsfenster bringen. Das war der Schlüssel zur Pole.»

Am Funk wirkte Carlos Sainz erstaunt, als ihm mitgeteilt wurde, er habe die schnellste Zeit gefahren. Der Madrilene bestätigt: «Ich war wirklich baff. Denn ich hatte null Ahnung davon, welche Zeit ich fahren muss, um die Bestzeit zu erringen. Ich wusste auch nicht, auf welchem Platz ich gerade liege. Ich wollte mich einfach auf meine Aufgabe konzentrieren.»

«Ich verpatzte die dritte Kurve, dadurch war meine Linie in Kurve 4 hinein auch nicht gut. Mir schoss durch den Kopf: Daraus hätte ich mehr machen müssen! Dann ging mit in der Passage der Kurven 15 und 16 die elektrische Energie aus. Das alles war nicht ideal, umso überraschter war ich, als ich hörte, dass es dennoch gereicht hat.»

Auf der Wunschliste jedes Grand-Prix-Piloten: Der Sieg beim Heimrennen, gefolgt von einem Erfolg bei den grossen Klassikern, also Monte Carlo, Silverstone, Spa-Francorchamps oder Monza. Carlo stellte in England 24 Stunden nach seiner Pole seinen ersten Formel-1-Sieg sicher, mit einer interessanten Vorgeschichte: «Im Jahre 2010 holte ich hier in Silverstone in der Formel BMW meine ersten Pole-Position im Autosport und gewann anschliessend das Rennen. Heute ist mir das Gleiche in der Formel 1 gelungen. Ich bin überglücklich.»

Nur Sergio Pérez musste in der Formel 1 länger auf den ersten Sieg warten (190 Rennen) als Sainz: Im 150. Anlauf hatte es für den Ferrari-Fahrer endlich geklappt. Sainz war der 112. Sieger in der Formel 1 seit 1950, der erste neue Sieger seit Esteban Ocon in Ungarn 2021.

Sainz war damit der zweite Fahrer aus Spanien, der in der Formel 1 gewinnen konnte (nach 32 Siegen von Fernando Alonso). «Das ist ein Tag, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde! Zwischendurch habe ich an meinen Chancen fast etwas gezweifelt, denn die Fahrzeugbalance war im ersten Teil des Rennens nicht berauschend. Der Druck von Max war gross, ich musste ziemlich attackieren, um die Nase vorn zu behalten. Meine Vorderreifen haben ziemlich gelitten.»

Manchmal gewinnt in der Formel 1 nicht der schnellste Mann auf der Bahn, sondern jener, der im entscheidenden Moment auch die richtige Portion Glück hat. Und nachdem Carlos vom Glück einige Male die kalte Schulter gezeigt bekommen hatte, passte ausgerechnet im 150. WM-Lauf seiner Formel-1-Karriere alles.

«Ganz ehrlich – durch die Safety-Car-Phase wegen Ocon kam ich zurück ins Spiel. Das war ein hartes Stück Arbeit. Ich versuchte immer, positiv zu bleiben. Ich dachte – ich muss versuchen, mich in der Nähe der Spitze zu halten, um eine Chance zu wahren. Und dann habe ich diese Chance durch die Safety-Car-Phase erhalten. Der Re-Start nach dem Safety-Car war nervenaufreibend, aber dieses Mal hat alles geklappt.»

«Es war nicht einfach, an diesem Tag einen klaren Kopf zu behalten, mental eine ganz schwierige Aufgabe. Auch wegen des Zweikampfs mit Charles und den Problemen mit der Fahrzeugbalance. Ich bin aber froh, dass ich eine Chance packen und endlich in den ersten Sieg umsetzen konnte.»

«Ich wollte natürlich an Charles vorbei, aber ich wollte es auf eine saubere Art und Weise tun, im Wissen auch, dass von hinten noch andere Piloten auf ihre Chance lauern.»

So gut sollte es in den letzten Rennen nicht mehr laufen: Motorprobleme bei Ferrari, strategische Fehlentscheidungen, schwache Reifenwechsel. Sainz wurde Dritter in Belgien, Singapur und Brasilien, am Ende wurde der Madrilene erneut WM-Fünfter, aber er hatte so viele Punkte erobert wie noch nie – 246.

Der Spanier blickte so zurück: «Letztlich war das eine gute Saison für das Team. Man darf nicht vergessen, wo wir in den beiden Jahren davor waren. Dass wir in diesem Jahr um Siege und sogar um den WM-Titel kämpfen konnten, zeigt, dass es insgesamt ganz gut lief.»

«Ich weiss, dass wir einige Fehler gemacht haben und in der Entwicklung nicht so erfolgreich waren wie Mercedes und Red Bull Racing, und das werden wir mit Blick aufs nächste Jahr auch berücksichtigen. Nun, da wir wieder vorne mitkämpfen, wissen wir, welche zwei oder drei Dinge wir verbessern müssen.»

«Red Bull Racing hatte klar das bessere Gesamtpaket, das auf allen Streckentypen gut funktioniert hat. Bei uns hing es speziell in der zweiten Saisonhälfte etwas mehr von der Piste ab, auf der wir unterwegs waren. In der ersten Saisonhälfte waren wir überall schnell, doch dann haben wir das Auto einfach nicht mehr so gut weiterentwickelt. So läuft es in der Formel 1 und das ist das erste Jahr nach einer schwierigen Zeit, in dem wir wieder um Siege kämpfen konnten. Wir müssen nun schauen, was wir tun müssen, damit wir Red Bull Racing schlagen können.»

«Der Saisonstart war ehrlich gesagt eine grosse Herausforderung, aber ich bin sehr stolz darauf, wie ich meine Motivation beibehalten und mich im Laufe der Saison verbessert habe. Wir konnten das Blatt wenden und nach so vielen Ausfällen bin ich nun wieder auf dem gewohnten Niveau unterwegs. So gesehen war das wohl die Saison, in der ich seit 2015 am meisten erlernt habe. Ich hatte härtere und einfachere Jahre, aber nie eine so schwierige Saison wie 2022.»

Max Verstappen ist zum zweiten Mal in Folge Formel-1-Weltmeister, und zahlreiche Tifosi wissen: Strategische Fehler bei Ferrari haben die WM-Chance ebenso zunichte gemacht wie mangelnde Zuverlässigkeit des roten Renners sowie Fahrfehler von Charles Leclerc und Carlos Sainz. Ebenfalls thematisiert wird: Hätte Ferrari die Chancen nicht eher wahren können, wenn konsequent auf Leclerc gesetzt worden wäre statt beiden Piloten freie Fahrt zu geben?

Sainz genervt: «Grundlegend kann ich diese Diskussion nachvollziehen, denn ich hatte keinen guten ersten Saisonteil, Charles war mir bei den ersten Rennen sowohl im Qualifying als auch im Renntempo einen Schritt voraus. Aber ich finde, zur Saisonmitte habe ich mich stark verbessert, und es war frustrierend, das Gefühl zu bekommen, dass mich einige Leute nicht da vorne im Mehrkampf sehen wollen.»

«Zunächst wurde ich kritisiert, weil ich nicht an der Spitze mitmischen konnte; dann wurde ich kritisiert, als ich es tat. Wo doch Charles alles gewinnen sollte. Was da teilweise von den Medien ausging, das war enttäuschend. Aber mit der Zeit wurde offenbar verstanden, dass ich nicht so sehr darauf achte, was über mich geschrieben wird.»

«Eine Saison mit zu vielen Höhen und Tiefen. Womit ich zufrieden bin – ich war in der Lage, das Ruder nach einem schwierigen Saisonbeginn herumzuwerfen und mich in einem Auto zurechtzufinden, das mir zunächst nicht lag.»

Konkret neigte der knackig einlenkende Ferrari zum Übersteuern, damit konnte Charles Leclerc besser leben als Sainz. Der Spanier zieht ein neutral liegendes Auto vor.

Sainz weiter: «Wir haben nicht das Maximum aus unseren Möglichkeiten gemacht, weder das Team noch ich als Fahrer, und das machte mich sehr wütend. Ich verstand auch nicht, was da passiert. Ich war immer ein Fahrer, der sich schnell an ein Auto anpassen konnte. Und ausgerechnet jetzt, wo wir einen so schnellen Rennwagen hatten, wollte mir das nicht gelingen. Das war schwer zu verdauen.»

«Ich liess mich jedoch nicht ermutigen, und durch viel Arbeit mit dem Team ist es mir gelungen, das Problem in den Griff zu bekommen und das Handling des Autos so zu verändern, dass ich mich im Wagen wohler fühle. Darauf bin ich stolz.»

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