Was tun, wenn man den Start fahren will?
Le-Mans-Sieger79: Klaus Ludwig, Bill & Don Whittington auf Kremer-Porsche 935 K3
Schauplatz Le Mans, man schreibt das Jahr 1979. Der Kremer-Porsche von Klaus Ludwig sowie den Gebrüdern Bill und Don Whittington, die sich für dieses Rennen bei dem Kölner Rennstall eingekauft haben, steht auf dem dritten Startplatz.
Nur noch wenige Minuten bevor die Einführungsrunde beginnt. Klaus Ludwig steht als Startfahrer bereit. Der Roisdorfer, zu dem Zeitpunkt der dominierende Mann mit dem Porsche 935 K3 in der deutschen Rennsportmeisterschaft, war im Training 10 Sekunden schneller als Don Whittington und 18 Sekunden schneller als Bill. «Es war klar, dass der Klaus den Start fährt, die Whittingtons waren gute Pay-Driver, aber der Klaus war ein Vollprofi. Also nur logisch, dass er den Start fahren sollte», erinnert sich Manfred Kremer, der in der letzten Woche seinen 72. Geburtstag gefeiert hat.
Doch Bill Whittington sah das anders, er wollte gern den Start fahren, doch Manfred Kremer, der für die Betreuung des Autos zuständig war, lehnte ab. Bis Bill fragte: «Wie viel kostet das Auto?» Manfred Kremer sprach sich mit Bruder Erwin ab und erwiderte: «290.000 Dollar!» Whittington drehte sich um und ging – und kam kurz darauf wieder mit einem Koffer: Darin befanden sich 290.000 US-Dollar in bar. «Da war ich platt. Ich sagte Bill, er kann einsteigen, erklärte Klaus die Situation und liess das Geld zählen. Es waren exakt 290.000 Dollar.»
Fortan hatten die Whittingtons mehr Einfluss als ursprünglich geplant, Klaus Ludwig absolvierte weniger Stints als angedacht. Dennoch lagen die drei nach dem Ausfall der beiden Werks-Porsche 936 haushoch in Führung. Bis rund drei Stunden vor dem Ende Don Whittington mit gerissenem Zahnriemen liegenblieb. Einen Ersatzriemen hatte man dabei, am Freitag zuvor gab es im Kremer-Zelt ein kleines Reparatur-Training, und der Amerikaner wechselte somit im strömenden Regen den Riemen. Der Motor sprang an, Don fuhr los und kurze Zeit später flog der Riemen wieder davon.
Frust an der Kremer-Box. «Und ein paar Meter weiter in der Boxengasse lachte der Paul Newman», sagte Manfred Kremer. Der Schauspieler lag zu dem Zeitpunkt mit Dick Barbour und Rolf Stommelen auf Rang 2. Man überlegte, einen weiteren Zahnriemen zum Auto zu bringen und ihn ins Gras fallen zu lassen. Doch wegen dem gleichen Grund, also Inanspruchnahme fremder Hilfe, war vorher bereits der 936 von Ickx/Redman disqualifiziert worden. Die ACO-Leute wollten einfach nicht glauben, dass passende Zahnriemen an der Sarthe auf den Bäumen wachsen. Manfred Kremer: «Wir hatten einen Reservemotor an der Box. Dann hab ich den mir angeschaut und gedacht, vielleicht geht was mit dem Keilriemen der Lichtmaschine.» Die Anweisung ging an Don Whittington, der den Keilriemen abmontierte und mit Hilfe von Klebeband irgendwie passend für die Einspritzanlage machte. Und das doppelte Wunder geschah: Der Motor sprang an, wenn auch aufgrund nicht genau passender Steuerzeiten sehr unruhig laufend, und schaffte es im Schritttempo sogar bis an die Box, wo die Mechaniker alles wieder in den Ursprungszustand versetzten. Eine fast unglaubliche Geschichte, aber es ist überliefert, sowohl von Herrn Kremer als auch aus den offiziellen Protokollen des ACO. Alles in allem dauerte die Prozedur mehr als eine Stunde, und dennoch blieb der Kremer-Porsche mit der Nummer 41 in Führung und gewann das Rennen.
Es war der erste und einzige Sieg für Porsche Kremer bei den 24 Stunden von Le Mans. Für Klaus Ludwig der erste von drei Siegen, ’84 und ’85 siegte er im 956 für Joest.
Für die Whittington-Brüder gab es kein Happy-End, denn legal war ihr Reichtum wohl nicht erwirtschaftet gewesen. Wegen Drogen- und Steuervergehen verbüssten beide Haftstrafen. Der jüngste der Brüder, Dale, der 1980 und 1981 ebenfalls in Le Mans am Start war, starb 2003.