MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Domi Aegerter krönte eine Karriere mit vielen Tiefen

Von Günther Wiesinger
Am Ziel: Dominique Aegerter ist Supersport-Weltmeister 2021

Am Ziel: Dominique Aegerter ist Supersport-Weltmeister 2021

Trotz vieler Rückschläge in 16 Jahren in verschiedenen Weltmeisterschaften verlor Dominique Aegerter nie den Mut und stand immer wieder auf. In der Supersport-WM 2021 erfüllte sich der Schweizer seinen Traum.

Dominique Aegerter hat am Sonntag mit dem Gewinn der Supersport-WM in San Juan seinen größten Triumph gefeiert, genau vor 15 Jahren kam er beim Portugal-GP in Estoril in die 125-ccm-Weltmeisterschaft. Nach den ersten Erfolgen in der IDM 125 hatte ihm der Schweizer Mäzen Olivier Métraux, Sohn des IRTA-Gründers und langjährigen GP-Teambesitzers Olivier Métraux, den GP-Einstieg im Aprilia-Team von Fiorenzo Caponera finanziert, kurz nach dem 15. Geburtstag, der damals noch als Alterslimit galt.

Seither hat der Schweizer viele Höhen und Tiefen erlebt. Zu den ganz schlimmen Schicksalsschlägen gehörte auch 2010 der Todessturz seines Teamkollegen Shoya Tomizawa im Moto2-Rennen in Misano, im ersten Jahr dieser neuen Viertakt-Kategorie.
Métraux hatte Aegerter damals nach drei 125-ccm-GP-Jahren in die Moto2 verfrachtet und war zu diesem Zweck bei CIP-Teamchef Alain Bronec mit seiner Firma Technomag als Hauptsponsor eingestiegen.

Bald darauf übernahm der Schweizer Fred Corminboeuf in einem «unfriendly takeover» diese beiden Startplätze und das Sponsorgeld von Métraux.

Dieses neue Schweizer CGBM-Team unterstützte neben Aegerter mit unterschiedlichen Firmen von Métraux wie Derendinger, GaragePlus und CarXpert der Reihe nach etliche Schweizer Fahrer wie Jesko Raffin, Robin Mulhauser und Tom Lüthi. Doch CGBM tanzte auf zu vielen Hochzeiten, das Geld ging zur Neige, die Schulden häuften sich. Ende 2018 ging das Team bei Eithan Butpul und American Racing in andere Hände über.

Domi Aegerter hatte sich im Herbst 2016 im Streit von Fred Corminboeuf getrennt, weil er 2017 statt der Kalex in der Moto2-WM eine Suter fahren wollte, was Métraux und der Teamchef strikt ablehnten.

Aegerter zeigte sich uneinsichtig, es war der größte Fehler seines Lebens, denn er verließ dann eines der reichsten Teams im Fahrerlager – und wurde gleich für die letzten vier Rennen beurlaubt. Dabei hatte ihn Olivier Métraux bis zum Eklat jahrelang wie einen eigenen Sohn behandelt.

Aegerter unterschrieb bei einem der ärmsten Teams, bei Kiefer Racing. Dort bekam der Rohrbacher zwar seine geliebte Suter MMX2, die jedoch jahrelang nicht ausreichend weiterentwickelt worden war, die Saison wurde ein Reinfall.

Domi siegte zwar im Regenrennen in Misano vor Tom Lüthi, aber der Sieg wurde ihm aberkannt – es waren unerlaubte Ölzusätze im Motor gefunden worden.

Doch die Tiefschläge setzten sich fort. Zuerst starb Teamteilhaber Stefan Kiefer im Oktober 2017 in Sepang an Herzversagen. Der geplante Verkauf von Kiefer Racing an den britischen Hochstapler David Pickworth scheiterte kurz vor Weihnachten. Erst am 8. Januar konnten Kiefer und Aegerter bei der IRTA zusagen, dass sie mit einem Ein-Mann-Team in der Moto2 antreten, mit einem Schmalspurbudget. Der als zweiter Fahrer vorgesehene Sandro Cortese wich in die Supersport-WM aus – und gewann sie im Kallio-Yamaha-Team.

Domi Aegerter und Bruder Kevin starteten eine Crowd-Funding-Aktion, um Geld für Kiefer zu finden, es kamen fast 400.000 Euro zusammen. Aber diese Aktion kostete den Schweizer viel Zeit und Energie, er konnte sich nicht mehr auf das Rennfahren konzentrierte, geriet an den Rand eines Burn-outs – und blieb auf der Rennstrecke viel schuldig und wirkte überfordert. Auch Teamchef Jochen Kiefer bemerkte, dass Domi manchmal mit den Kräften am Ende war. «Wir haben uns bessere Ergebnisse erwartet», gab Kiefer zu.

Die ganze Familie Aegerter inklusive Mutter Beatrice und Vater Ferry, der sich von einem Schlaganfall gut erholt hat, halfen bei der Geldsuche kräftig mit.

Aegerter blieb in der Saison 2018 erfolglos, er heimste auf der KTM nur 47 Zähler ein, er wollte in die Top-5 – und wurde WM-Siebzehnter.

Für 2019 bekam Kiefer keinen Moto2-Platz mehr, Aegerter schaute sich bei NTS um und landete dann bei Forward. Inzwischen hatte er mit dem Musik-Experten Oliver Imfeld einen neuen Manager, der allerdings null Sachkenntnis im Motorsport hatte und seinen Schützling ins ominöse MV Agusta Forward Team transferierte.

«Beim Silverstone-GP wollte mir Forward noch 80.000 Euro Gage bezahlen, aber nachher kamen Mitgift-Forderungen, die von Grand Prix zu Grand Prix höher wurden», klagte Aegerter im Herbst 2018.

Er wollte aber von einem Umstieg in die Superbike- oder Supersport-WM damals noch nichts wissen, außerdem begann er dort zu spät nach aussichtsreichen Plätzen Ausschau zu halten.

Bei Forward setzte sich der Abwärtstrend in der Moto2-WM weiter fort. Das Bike mit dem übergewichtigen Gitterrohrstahlrahmen war damals nicht konkurrenzfähig und wurde es bis heute nicht.

Rückblickend lässt sich sagen, Aegerter war bei seinen Entscheidungen oft schlecht beraten. Manchmal hätte er eine strenge Führung gebraucht, aber er war zu oft und zu lange von Ja-Sagern umzingelt, die ihm kein Stoppschild vor die Nase hielten, als er 2016 die siegreiche Kalex fuhr, sich für 2017 eine Suter einbildete, für 2018 eine KTM (weil Miguel Oliveira drei Rennen gewonnen hatte) und dann noch eine MV Agusta bei Forward – unter anderem, weil das erste Stahlchassis bei Suter in der Schweiz gebaut wurde.

Doch Domi Aegerter entpuppte sich als Stehaufmännchen. Er fand zwar für 2020 nach der MV-Agusta-Schlappe kein Moto2-Team mehr. Er kämpfte aber dann bei Intact in der MotoE um den Titelm wurde Gesamtdritter und beendete den Weltcup 2021 an zweiter Stelle. Dazu wurde ein Deal mit Ten Kate Yamaha für die Supersport-WM eingefädelt. Vielleicht kam der Umstieg in diese Klasse zwei, drei Jahre zu spät, denn inzwischen sind die 31-Jährigen in der Superbike-WM als Neulinge nicht mehr stark gesucht.

Aber der leidenschaftliche Trainierer und ehrgeizige Rennfahrer Domi Aegerter hat beim 8-h-WM-Lauf in Suzuka mit drei Podestplätzen nachhaltig bewiesen, dass er auch mit 1000-ccm-Maschinen hervorragend umgehen kann.

Dazu hat er in seiner Zeit bei CGBM mehrmals die MotoGP-Claiming-Rule-Maschine von Akira Technology in Frankreich getestet, die mit einem Kawasaki-Superbike-Rennmotor ausgerüstet war.

Den zeitgerechten Wechsel in die MotoGP-WM hat Aegerter verpasst. Nach dem Moto2-Sieg auf dem Sachsenring 2014 gab es Interesse bei Tech3 Yamaha und später bei Forward Yamaha und sogar Pramac Ducati.

Aber Aegerter und sein Management wollten lieber ein großer Fisch im kleinen Moto2-Teich sein als ein kleiner Fisch im MotoGP-Meer.
Doch in der Moto2-WM reichte es nie für einen richtigen Titelfight, es stehen nur sieben Podestplätze in zehn Jahren auf dem Konto.

Der «Domi Fighter» hat bei weitem nicht immer das Maximum aus seinem Talent herausgeholt. Die langjährigen Domi #77-Supporter wurden oft auf eine harte Probe gestellt – bis zum versöhnlichen Titelgewinn in der SSP-Klasse.

Der 31-jährige Rohrbacher stand deshalb trotz seines unbestrittenen Könnens fast immer im Schatten von Landsmann Tom Lüthi, der zweimal Vizeweltmeister wurde und dazu 2005 die 125er-WM gewann.

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