Über Gene Haas
Ob als Geschäftsmann, Rennstallchef oder Menschenfreund – das Vorgehen von Eugene (Gene) Francis Haas ist immer das Gleiche gewesen: Finde eine Herausforderung, suche nach gesunden und kosteneffizienten Lösungen. Wiederhole das Ganze.
Gene Haas hat 2016 in der Formel 1 etwas geschafft, was in einigen Anläufen 30 Jahre lang nicht passiert ist: ein US-amerikanisches Grand-Prix-Team an den Start zu bringen. Sein Vorgänger war ausgerechnet Carl Haas, mit Gene nicht verwandt.
Eugene Haas wurde in der Industriestadt Youngstown (Ohio) geboren. Vielleicht war damit sein Weg als Unternehmer vorgezeichnet, denn die Region gilt als führende Industrieregion von Nordamerika. 50 Jahre später sollte Haas mit Haas Automation den grössen, auf Computer gestützten Werkzeugmaschinenbetrieb von Nordamerika besitzen.
Die Familie von Haas zog nach Los Angeles um, als Gene noch ein kleiner Junge war. Die Mutter eine Lehrerin, der Vater ein Designer mit Spezialgebiet Elektrik für den Flugzeughersteller Hughes, genau, die Firma des rätselhaften Unternehmers Howard Hughes (dessen Leben später in Hollywood mit Leonardo DiCaprio verfilmt wurde, «The Aviator»).
Auch dem zweitältesten von vier Kindern wurde in der Familie Haas mit auf den Weg gegeben: Arbeite hart und übernehme Verantwortung. Haas’ erste Jobs: Zeitungen ausliefern und in einer Schlosserei den Boden wischen. Noch während er die High School durchlief, tüftelte Haas bereits an Werkzeugmaschinen.
Mit einem Abschluss in Buchhaltung und Finanzwesen ging Haas vom College ab und wurde zunächst Programmierer. Aber nach drei Jahren (wir haben inzwischen 1978) gründete er seine erste eigene Firma – Proturn Engineering. Zusammen mit zwei Mitarbeitern stand Haas an der Werkbank und stellte Metallteile für die Luft- und Raumfahrtindustrie her.
Haas entwarf seine erste Computer-gesteuerte Maschine, um die Arbeitsabläufe zu beschleunigen, die Haas 5C. Die Maschine legte Werkteile ans richtige Ort, um sie dort zu bearbeiten. Das konnte sie viel schneller und akkurater als ein Mensch. Die 5C verkaufte sich so gut, dass der aufstrebende Gene 1983 Haas Automation Inc. gründen konnte, mit drei Angestellten. Jahr für Jahr brachte er neue Maschinen heraus. Haas zog zwei Mal um, heute arbeitet die Firma mit Hauptsitz Oxnard (Kalifornien) mit 1500 Angestellten und einem globalen Neezt von 170 Kundenzentren. Dank der Formel 1 will Gene Haas seine Stellung ausbauen, vor allem auf Wachtumsmärkten.
Noch heute stammen 95 Prozent aller neuen Produktideen vom Chef selber. Eine neue Maschine entsteht in der Regel (von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt) in zwölf Monaten.
2007 baute Haas den Windkanal Windshear, schon im September 2008 war das erste Formel-1-Team in der Anlage zu Gast. Die Passion für den Motorsport entstand aber viel früher. Haas hat sich schon immer für Racing begeistert und begann in der Szene als Sponsor – im IndyCar-Sport und bei den Stock-Cars von NASCAR. Natürlich stehen bei vielen Rennställen CNC-Maschinen von Haas.
2002 entschloss sich Gene Haas zur Gründung eines NASCAR-Teams, zunächst mit technischer Hilfe von Rick Hendrick. Nach ersten Rennen 2003 bestritten die Neulinge 2003 ihre erste volle Saison, nun mit einem neuen Werk in Kannapolis (North Carolina).
Haas begann, zwei Fahrzeuge einzusetzen und tat sich im Juli 2008 mit NASCAR-Star Tony Stewart zusammen. Ab 2012 wurde aus dem Zweiwagen- ein Dreiwagen-Team, mit Danica Patrick. Zu diesem Zeitpunkt hatte Tony Stewart für Stewart-Haas Racing den ersten Titel geholt. Seit 2014 setzt Stewart-Haas vier Autos ein. Kevin Harvick holte den zweiten Titel für den Rennstall.
Am 11. April 2014 erhielt Gene Haas vom Autoverband FIA die Erlaubnis, ab 2016 Formel-1-Sport zu betreiben. Haas arbeitet dabei ganz eng mit Ferrari zusammen. «Im Grund verwenden wir von Ferrari alle Teile, die das Reglement erlaubt», sagt der Chef. Hauptsächlich sind das Motor, Getriebe und Aufhängungen. Die Überlebenszelle wurde bei Dallara in Italien gebaut, gewartet werden die Rennwagen im eigenen Werk von Banbury (England), Hauptsitz bleibt jedoch Kannapolis, wo für die Formel 1 ein neues Werk mit mehr als 11.600 Quadratmeter aus dem Boden gestampft wurde.
Gene Haas durfte schon beim Saisonauftakt 2016 in Australien feiern: Rang 6 für Romain Grosjean. In Bahrain kam es noch besser: Der Genfer wurde Fünfter. Der US-Amerikaner warnte: «Wir sind bodenständig genug zu wissen – wir haben Einiges richtig gemacht, wir haben aber auch vom Pech der Gegner profitiert. Wir wissen, dass es nicht ewig so weitergehen kann.» Ging es auch nicht: Grosjean konnte danach nur noch drei Mal punkten, der Mexikaner Esteban Gutiérrez blieb ohne auch nur einen mickrigen Zähler. Das kostete ihn einen Platz für 2017, der ging an Kevin Magnussen.
Der Unternehmer gründete 1999 die Gene Haas-Stiftung, welche sich für zahlreiche Projekte in der Gemeinde, im Staat North Carolina, landesweit und auch international einsetzt. Seit 1999 wurden mehr als 22 Millionen Dollar für Hilfsprojekte aufgewendet, mit Schwerpunkt Jugendarbeit, Erziehung, Ernährung und Medizin.
2017 wiederholte Haas den achten WM-Rang, dieses Mal sammelten die Amerikaner 47 Punkte – damit lag Rang 6 durchaus im Bereich des Möglichen. Renault wurde mit 57 Punkten WM-Sechster, Toro Rosso errang mit 53 Punkten Schlussrang 7.
Gene Haas: «Ich hoffe, dass wir einen Weg finden werden, mindestens im Mittelfeld dauerhaft konkurrenzfähig zu sein. Danach geht es darum, sich die Erfolgsleiter empor zu kämpfen. Wir werden einen Schritt nach dem anderen nehmen. Und ich denke, wir sollten in zehn Jahren in der Lage sein, ein Rennen zu gewinnen. Wenn uns das nicht gelingt, haben wir versagt.»
2018 gelang Haas ein toller Schritt: Die US-Amerikaner lagen lange auf WM-Rang 4, nur Fahrfehler vor allem von Romain Grosjean und eigene Defekte führten dazu, dass ein Duell mit Renault letztlich verloren wurde. Gene Haas spürt: Sein Team ist angekommen. Der erfolgreiche Unternehmer hatte einst den Schritt in den GP-Sport gewagt, um weltweit für seine Produkte zu werben. Ist diese Botschaft angekommen? Haas schmunzelt: «Der Name Haas ist bekannter geworden, am meisten kann ich das in Übersee feststellen. Ich war vor kurzem in Tunesien, und nachdem ich aus dem Flieger gestiegen war, sagt ein Passant zu mit: „Sie arbeiten in der Formel 1, nicht wahr?“ Ich fand das bemerkenswert für Nordafrika. Die Marke wird erkannt, auch wenn ich nicht behaupten könnte, dass alle Menschen wissen, was wir genau machen.»
Das Fernziel von Gene Haas: einen Formel-1-WM-Lauf gewinnen. Das letzte US-amerikanische Team, dem das gelungen ist, das waren die American Eagles von Dan Gurney, aber dazu müssen wir schon nach Belgien 1967 zurückblättern! Gene Haas weiss: So lange es in der Formel 1 nicht den Ausgleichsfaktor Budgetdeckel gibt, wird es kaum möglich sein, die Bastion der besten drei Rennställe zu knacken – Mercedes, Ferrari und Red Bull Racing.
Haas spottet: «Manchmal geht mir durch den Kopf, dass wir eigentlich gar nicht in der Formel 1 antreten, sondern eher in der Formel 1,5. Wenn wir die WM 2018 als Vierter abschliessen, wäre das für mich wie ein Sieg. Es gibt Rennen, da sehe ich den Speed der besten drei Rennställe und denke: „Wow! Wie können wir um so viel langsamer sein? Was machen wir falsch?“»
«Dann rede ich mit unserem leitenden Ingenieur Ayao Komatsu, und er sagt mir: Eine halbe Sekunde beim Gebrauch der Reifen, eine halbe Sekunde beim Chassis, eine halbe Sekunde bei der Aerodynamik, und schon hast du diesen Rückstand beisammen. Aus heutiger Sicht weiss ich nicht, wie wir 1,5 Sekunden auf ein Top-Team aufholen wollen.»
«Ob ein Budgetdeckel hilft? Vielleicht dann, wenn die Top-Teams nicht mehr so viel in Forschung und Entwicklung stecken können. Wenn sich bei uns ein Spezialist um eine gewisse Aufgabe kümmert, dann tun das bei einem Top-Team fünf Leute. Ich persönlich finde es verwirrend, wenn sich fünf Menschen auf den gleichen Job stürzen, aber das scheint zu funktionieren. Aber letztlich ist es so: Im ganzen System Formel 1 stimmt etwas nicht, wenn wir eine solche Zweiklassengesellschaft haben.»
2019 kam der Absturz – nur WM-Rang 9. Haas schaffte es nur selten, dass der Rennwagen und die Pirelli-Reifen harmonierten. Teambesitzer Gene Haas: «Ich hoffe, dass wir mit dem VF-20 zur Form von 2018 zurückfinden können, als wir die Saison auf dem fünften Tabellenrang der Team-Wertung beenden konnten. 2019 war ein hartes Lehrjahr, das alle F1-Teilnehmer einmal durchlaufen müssen.»
«Aber ich bin zuversichtlich, dass wir unsere Lehren gezogen haben und dieses Wissen in die Entwicklung des VF-20 haben einfliessen lassen», erklärte der US-Unternehmer aber auch. «Es ist wichtig, dass wir wieder konstant Punkten und im Mittelfeld vorne mitkämpfen können, denn wir haben sicherlich das Zeug dazu und als Organisation auch schon bewiesen, dass wir das schaffen können.»
Aber 2020 wurde alles noch schlimmer: Romain Grosjean und Kevin Magnussen konnten nur drei Punkte einfahren, nur Williams war noch schlechter. Dazu hätte Haas um ein Haar einen Piloten verloren – dass der Genfer Grosjean die Feuerhölle von Bahrain 2020 überlebte, grenzt an ein Wunder.
2021 der Tiefpunkt: null Punkte, das schwächste Auto im Feld, die jungen Mick Schumacher und Nikita Mazepin am Lenkrad. Es gab genau ein Evo-Paket, für das Rennen in Imola, danach stellten die US-Amerikaner die Entwicklung des Rennwagens ein, um sich ganz auf das neue Flügelauto 2022 zu konzentrieren.
Und dieser Schachzug ging voll auf: Formel-1-Rückkehrer Kevin Magnussen (der für Nikita Mazepin einsprang) wurde beim WM-Auftakt von Bahrain sensationeller Fünfter. Haas wurde Achter im Konstrukteurs-Pokal, aber am Ende nur 16 Punkte hinter Rang 6 (Alfa Romeo).
Ausgerechnet am 70. Geburtstag von Teambesitzer Gene Haas ging sein Pilot Magnussen beim Sprint von São Paulo vom besten Startplatz ins Rennen, nach einer sensationellen Fahrt zur Pole-Position im Regen vom Freitag.
Im Sommer 2022 deutete sich an – die Lage von Mick Schumacher wird ungemütlich. Der junge Deutsche hatte in Saudi-Arabien ein Auto zerlegt und auch in Monte Carlo. In Japan tat er sich keinen Gefallen, als er während der Auslaufrunde eines freien Trainings, auf der Rückkehr an die Box, erneut einen Wagen in die Leitschiene setzte.
Noch waren vier Rennen in der Formel-1-WM 2022 zu fahren, und die Vorgabe des US-amerikanischen Werkzeugmaschinenherstellers Gene Haas war klar: «Es liegt an Mick Schumacher, wie es weitergeht. Er muss punkten.»
Das war in Japan wegen einer missglückten Rennstrategie von Haas nicht möglich, aber Gene Haas sagte ohne Umschweife: «Mick kostet ein Vermögen und hat viele Autos zerstört, die uns viel Geld gekostet haben; Geld, das wir nicht haben. Wenn du Verstappen bist und regelmässig Punkte einfährst, können wir damit umgehen. Aber wenn du hinten bist und Autos kaputt machst, ist das sehr schwierig.»
Als Schumacher auch bei den Läufen von Texas und Mexiko ohne Punkte blieb und in der Brasilien-Quali Letzter wurde, während Kevin Magnussen zur Pole flitzte, war das Fass voll. Gene Haas war sich mit Teamchef Günther Steiner einig – was der Rennstall im hart umkämpften Mittelfeld nun braucht, das ist Erfahrung. Also wurde neben Kevin Magnussen der Deutsche Nico Hülkenberg verpflichtet.