Über Bob Bell
Für Robert Charles (Bob) Bell hat sich ein Kreis geschlossen: 2005 wurde der Nordire im Werksrennstall von Renault mit Fernando Alonso Formel-1-Weltmeister, ab 2016 hat er den Posten des leitenden Technikers bei den Franzosen wieder inne. Renault hat Ende 2015 vom Luxemburger Financier Gérard Lopez den Formel-1-Rennstall aus Enstone zurückgekauft (Lopez hat einen Minderheitsanteil behalten), nun soll es Bob Bell mit dem nächsten WM-Titel richten.
Bell kam mit seinem Doktortitel in Aeronautik von der Belfast Queen’s-Universität in den Rennsport, und seine Geburtsstadt sagte schon, wo der Weg hinführen würde – Bell fast.
Die Arbeit in der Formel 1 begann als Aerodynamiker bei McLaren, dort war Bell von 1982 bis 1997 tätig (in jener Phase wurden Niki Lauda, Alain Prost und Ayrton Senna mit McLaren Weltmeister), in den letzten beiden Jahre leitete er in Woking die Forschungs- und Entwicklungsabteilung.
Bell kam dann 1997 als Aerodynamiker nach Enstone, wo der Rennstall damals Benetton hiess. Er übernahm dort den Posten des leitenden Aerodynamikers, wechselte aber 1999 auf Einladung seines früheren McLaren-Kollegen Mike Gascoyne zu Jordan, als Leiter der Chassisabteilung. Heinz-Harald Frentzen kämpfte 1999 mit Jordan lange um den WM-Titel, am Schluss wurde der Deutsche Gesamtdritter.
Bell wechselte nach Enstone zurück, der Rennstall war inzwischen von der Familie Benetton in den Besitz von Renault übergangen. 2001 erhielt Bob dort den Posten des stellvertrenden Technikchefs. Ab 2003 arbeitete er bei Renault in jener Position, die er heute wieder inne hat – als technischer Leiter. 2005 und 2006 wurde Bell mit Renault bei den Marken und Fernando Alonso Formel-1-Weltmeister.
Als Teamchef Flavio Briatore wegen der Singapur-Affäre seinen Job verlor, (Nelson Piquet junior wurde angewiesen, bei der Nacht-GP-Premiere 2008 in die Mauer zu fahren, Teamgefährte Fernando Alonso gewann), wurde Bell übergangsmässig neuer Teamleiter.
Ab 2011 wirkte Bell bei Mercedes, er war einer der Baumeister jener Struktur, dank welcher Lewis Hamilton im Silberpfeil 2014 und 2015 Weltmeister wurde. Im Dezember 2013 kündigte Bell und verliess den Rennstall ein Jahr später. Vor der Rückkehr zum neuen Werksrennstall von Renault in Enstone arbeitete Bell ein halbes Jahr lang als Berater des Manor-Marussia-Teams.
Am 3. Februar 2016 wurde offiziell, was alle schon wussten: Bob Bell war der alte-neue Technikchef von Renault in Enstone.
Bob Bell definierte seine Rolle dort so: «Ich überwache die technische Verbindung zwischen dem Motorwerk in Viry-Châtillon und dem Chassiswerk in Enstone. Ich muss sicherstellen, dass wir hier eine kostante, strategisch identische Arbeitsweise haben, um das Maximum aus den Ressourcen zu schöpfen. In der Praxis werde ich wohl die Hälfte einer Woche in England verbringen und die andere Hälfte in Frankreich.»
Seine direkten Ansprechpartner: Motorenchef Rémi Taffin in Frankreich und Chassis-Chef Nick Chester in England.
Bob Bell weiter: «Ich weiss, dass in diesen Werken unheimliches Potenzial schlummert. Selbst wenn Enstone schwierige Jahre erlebte, so ist die generelle Struktur gesund. In Viry wollen wir die Strukturen straffen und beleben, Ressourcen sind hier nicht das Problem.»
«Das Ziel muss sein, dass beide Werke zu einer Einheit werden. Zur Zeit der V8- und V10-Motoren war eine Beziehung zwischen Motorpartner und Chassispartner möglich, auf Armlänge gewissermassen. Das ist vorbei. Heute muss schon beim Konzept der Motor komplett integriert sein.»
Bell plädierte für Geduld, was die Erwartungen der Fans betrifft: «Mindestens im vergangenen Jahr ist das Team in Sachen Ressourcen ins Verdursten geraten. Das hatte seine Gründe, ich sage das nicht als Kritik. Als Folge davon ist die Anzahl Mitarbeiter gesunken, alles wurde heruntergefahren, Wartung, Werkzeugmaschinen, Prüfstände. Es war einfach nicht möglich, das höchste Niveau zu halten. Also müssen wir nun daran gehen, all diese Ressourcen wieder schrittweise hochzufahren.» Bis Ende 2016 stockte Renault auf 650 Mitarbeiter auf.
Bob Bell weiter: «Renault hat sich auf lange Zeit verpflichtet, wir lassen uns beim Aufbau bewusst Zeit. Wir engagieren nicht einfach den Nächstbesten, sondern erwägen sorgfältig, wie eine Fachkraft ins Team passt. Wir wollen einige der besten Leute der Branche, und wenn das bedeutet, dass wir auf jemanden warten müssen, dann werden wir das auch tun. Für 2018 streben wir dann einen erheblichen Schritt nach vorne an, das ist ein glaubwürdiges Ziel für den Rennstall, um zu zeigen, dass mit uns zu rechnen ist.»
«Das ist ein aufregendes Projekt für mich. Ich hatte immer schon massiven Respekt vor der Aufgabe der Motorhersteller. Nun habe ich mehr Einfluss auf beide Seiten, das ist eine Ehre und eine Herausforderung zugleich. Ich freue mich auf den Aufbau des Teams, auf diese gemeinsame Reise. Wir streben alle danach, hier etwas auf die Beine zu stellen, auf das wir eines Tages stolz sein dürfen.»
2016 wurde das Brot so hart wie befürchtet: Renault-Renner fuhren nur drei Mal in die Punkte. Bob Bell blieb gelassen: «Es war von Anfang an klar, dass wir in dieser Übergangsphase mässig konkurrenzfähig sein würden. Was wir wirklich können, das wird sich erst nach und nach zeigen.»
2017 ging es sachte aufwärts: Erst im letzten Rennen konnte Renault die Rivalen von Toro Rosso überholen und sich beim WM-Finale von Abu Dhabi den sechsten Schlussrang in der Weltmeisterschaft sichern. Bob Bell: «Wir sind als Team in einer erheblich besseren Verfassung als vor einem Jahr. Wir sind aber nicht, wo wir hätten sein können. Wir bewegen uns in die richtige Richtung, Schritt um Schritt. Doch wir haben aus unseren Möglichkeiten zu wenig gemacht.»
Das lag auch an einem Fahrer: Der Engländer Jolyon Palmer war ein glatter Ausfall und wurde nach dem Japan-GP gegen Red-Bull-Leihgabe Carlos Sainz ersetzt. Palmer hatte nur einmal punkten können (Sechster in Singapur), alle anderen WM-Zähler hatte Nico Hülkenberg eingefahren.
2018 konnte Renault WM-Schlussrang 4 erringen. Bob Bell orientierte sich neu: Nach 36 Jahren Formel 1 hatte er den Wunsch, ein wenig kürzer zu treten. Er arbeitet teilzeit als technischer Sonderberater und an strategischen Projekten. Renault-Teamchef Cyril Abiteboul: «In nur zweieinhalb Jahren hat Bob dazu beigetragen, Renault zu einem echten und respektierten Punktesammler zu machen. Er ist auch ein grosser Teil des Herzens und der Seele des Teams und ein echter Motivator für alle, um gemeinsam das Beste aus sich selbst und den anderen herauszuholen.»
Der Franzose weiter: «Im Rahmen dieses geplanten Übergangs in der Geschäftsleitung des Teams wird Bob nun prüfen, wie wir mit unseren Partnern, aber auch mit den verschiedenen Anteilseignern der Formel 1 und der Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz zusammenarbeiten können, damit wir sicherstellen können, dass wir noch weiter nach oben kommen.»