Wie veränderte Ken Roczen das Fahrwerk seiner Honda?
Ken Roczen war in Atlanta-2 mit einer neuen Umlenkung unterwegs - hier unter der Schwinge zu erkennen
Ken Roczen überzeugte in Atlanta-2 auf ganzer Linie. Besonders auffallend war aber sein Speed in den Whoops. In diesem Bereich war er deutlich schneller als alle anderen. In Atlanta-1 war das noch ganz anders. Schon am Abend nach seinem verkorksten Rennen und Rang 9, kündigte der deutsche HRC-Star an, dass er mit dem Team umgehend am Fahrwerks-Setting arbeiten wolle.
Diese Veränderungen gingen offensichtlich in die richtige Richtung und selbst in der offiziellen Honda-Pressemitteilung war nach seinem Sieg von Atlanta-2 von verbesserten Fahrwerks-Settings die Rede.
Was die Techniker aber genau herausgetüftelt hatten, ließ die Pressemitteilung offen. In der Pressekonferenz nach dem Rennen von Atlanta-2 verriet der Deutsche Details: Das Team hat eine andere Umlenkung verwendet. Die Umlenkung ist eine Hebelkonstruktion unter der Schwinge, an der das Zentralfederbein der Hinterradfederung montiert ist. Diese Hebelkonstruktion hat die Aufgabe, das Fahrwerk progressiv zu machen. Das bedeutet: Je tiefer das Hinterrad einsinkt, desto überproportional mehr wird die Feder zusammengedrückt. Wie viel und welche Kennlinie die Progression hat, wird durch genau dieses Hebelsystem definiert. Viel Progression ist aber nicht automatisch besser. Es kommt auf die Balance an. Speziell in den Whoops geht es darum, die Wellen optimal auszugleichen, so dass das Motorrad mit möglichst wenig Bewegung, viel Traktion und maximal möglicher Geschwindigkeit durchkommt. Das wiederum hängt (neben anderen Faktoren wie Motorleistung, Drehmoment, Traktion...) natürlich auch vom Fahrer selbst ab, seiner Position - also vom Schwerpunkt des Massensystems.
Eine einfache Überlegung zeigt: Mit höherer Geschwindigkeit in den Whoops steigt proportional auch die Frequenz der Hubbewegung des Federbeins. Diese Hubfrequenz hat einen Eigenwert. Der optimale Frequenzbereich sollte dem Wert entsprechen, den der Fahrer maximal erreichen kann. Es nützt nicht, den Wert zu erhöhen, wenn der Fahrer bzw. das Motorrad diesen mit seinen Möglichkeiten gar nicht erreicht. Liegt er zu niedrig, wird er «eingebremst». Die Herausforderung der Fahrwerkstechniker besteht aber besonders auch darin, das Fahrwerk nicht nur für die Whoops zu perfektionieren, sondern gleichzeitig auch für alle anderen Streckenteile. Ein Fahrwerks-Setting ist also stets - negativ formuliert - ein Kompromiss. Positiv formuliert ist es das Optimum zur Abdeckung aller möglichen Anforderungen: Startgerade, kleine Unebenheiten, Spurrinnen, mittlere Sprünge, große Sprünge, Kurven und eben die Whoops. Es ist die Suche nach dem Optimalwert, der dem Fahrer am Ende maximale Unterstützung zur Erzielung minimaler Rundenzeiten bietet.
Ken Roczen erklärte in der Pressekonferenz nach dem Rennen, dass er über die gesamte bisherige Saison im Wesentlichen mit einem vor Saisonbeginn entwickelten Fahrwerks-Setup unterwegs war, das auch gut funktioniert hat - bis Atlanta-1. Bei diesem Rennen kamen dann mehrere Faktoren zusammen: Das Zeittraining mit nur einer Session bot kaum Möglichkeiten zum Experimentieren. Die Strecke hat sich dann von Session zu Session stark verändert. «Diese Situation war natürlich für alle Fahrer gleich, aber bei uns hat es sich eben ausgewirkt.»
Kleine Veränderungen an dieser Stelle können Großes bewirken: Fühlt sich der Fahrer wohl, steigert es automatisch das Selbstvertrauen. Der Angriff von Cooper Webb in der ersten Runde von Atlanta-2 konnte Roczen diesmal nicht beeindrucken, obwohl er auch kurz mit den Füßen von den Fußrasten musste. Kleine Details - große Wirkung.