MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Der Coup: Wie Hans Heyer von Ford zu Lancia wechselte

Von Uwe Mahla
​Der Wegberger Hans Heyer (81) gehört ohne jeden Zweifel zu den besten Tourenwagen-Fahrern der 70er und 80er Jahre. Und er bewies immer wieder, dass er über den Tellerrand hinausdenken kann.

Hans Heyer – die Zahl seiner Siege und Meisterschaften ist hinlänglich bekannt, sie aufzuzählen würde hier den Rahmen sprengen. Wer in diesem Metier zur absoluten internationalen Spitze gehören wollte, musste sich an dem Porsche-, BMW-, Ford-, Mercedes-, Lancia- und Jaguar-Piloten vom Niederrhein messen lassen.

Zu gern wäre ich deshalb Mäuschen gewesen an jenem grauen Herbsttag ziemlich genau vor 45 Jahren, als Hans Heyer beim damaligen Ford-Motorsportboss Michael Kranefuss vorstellig wurde.

Einem kleinen Erdbeben gleich hatte sich nämlich herumgesprochen, dass nach der langen gemeinsamen Erfolgsstrecke nicht er – Heyer – wie allgemein als selbstverständlich erwartet das erfolgversprechende Projekt Super-Capri als Zakspeed-Geheimwaffe in der DRM-Saison 1980 betreiben würde. Sondern ausgerechnet sein Intimfeind Klaus Ludwig.

Das Gespräch war sicherlich nicht witzig. Das Ergebnis ist noch heute bekannt: Heyer schmiss den Krempel hin, schwor Rache – und entwickelte einen wilden Plan.

Lancia wollte damals mit dem Modell Beta Montecarlo Turbo Gruppe 5 gerne in die DRM, und Heyer brauchte nach dem Ausscheiden bei Ford ein neues Auto.

Doch nach zehn Stunden Marathonbesprechung mit Lancia-Sportchef Cesare Fiorio und dem ganzen Führungsstab auf der einen, Heyer-Manager Domingos Piedade und Heyer selbst auf der anderen Seite näherte sich die Stimmung dem Nullpunkt.

Heyer erinnert sich: «Bereits mehrfach, fast wie in einem italienischen Spielfilm, hatte ich die Besprechung verlassen, weil die von uns vorgegebenen grundsätzlichen technischen Forderungen nicht erfüllt waren. Ich wurde zwar jedes Mal wieder eingefangen, aber es stand nicht gut um das Projekt.»

«Ich verstand zwar ganz gut Italienisch, konnte es aber nicht gut sprechen, so dass Domingos übersetzen musste. Irgendwann riss mir der Geduldsfaden und ich gab Domingos auf: ‘Sag den Idioten wörtlich, wir machen nur weiter, wenn unsere Bedingungen erfüllt sind.’ Der übersetzte dann diplomatisch: ‘Der liebe Hans meinte, er hätte da noch einen Wunsch.’ Ich dann wieder: ‘Was heißt Idiot auf Italienisch?’ Schlussendlich wurde auf den nächsten Morgen vertagt.

Am nächsten Morgen waren auf wundersame Weise alle nächtlichen Probleme gelöst. Und so konnte das Abenteuer Heyer/Lancia/DRM beginnen.

Heyer: «Unser Part war, mit deutscher Gründlichkeit für die DRM einen Lancia Gruppe 5 aufzubauen und einzusetzen. Dafür würden wir ohne Kostenstelle alles bekommen, was dazu nötig war. Darüber hinaus gehörte ich neben Riccardo Patrese, Michele Alboreto, Piercarlo Ghinzani, Mauro Baldi und Rolf Stommelen zur Werksmannschaft für die Marken-Weltmeisterschaft.»

Die deutsche Basis sollte möglichst nicht mehr als vier Autostunden von Turin entfernt sein. Deshalb fiel die Wahl auf das erfahrene GS Sport Team von Gerhard Schneider in Freiburg.

In knapp zwei Monaten wurde dann der erste deutsche Lancia Gruppe 5 in Italien von einer kleinen deutschen Spezialtruppe, darunter Heyers geniale Mechaniker Ali Strasser und Ignazio Dinotto, aufgebaut.

Da alle Fiat-Transporter im Einsatz und die eigenen noch nicht lackiert waren, begab man sich eine Woche vor dem DRM-Auftakt in Zolder mit dem ebenfalls noch unlackierten weißen Rennauto wie die Amateure mit Pkw und Anhänger nach Misano.

Dort stieß die deutsche Truppe auf das Roll-out der italienischen WM-Mannschaft, die auf dem winkligen Kurs schon seit Tagen testete. Heyer: «Unser Auftritt war mir peinlich, ich wäre am liebsten im Boden versunken, als ich das Auto sah.»

Was den Motor anging, so hatte Heyer auf einigen Änderungen gegenüber der original-italienischen Version bestanden, die sich auf die Erfahrungen mit Erich Zakowskis Capri-Motoren stützten.

Statt von Magneti Marelli kam die Einspritzung von Kugelfischer, die Zündung von Bosch. «Aus Zeitgründen hatte ich sogar einen auf den Ford abgestimmten Raumnocken aus Zakspeed-Beständen mit einer Feile selbst angepasst.»

Da der Motor unten herum viel zu fett lief, konnte er wie zu Vorkriegszeiten nur mit Warmlauf-Kerzen gestartet werden. Erst wenn er warm war, kamen dann die richtigen Kerzen zum Einsatz. Im hermetisch abgeriegelten Misano waren rund 80 Leute anwesend, und Heyer hatte den Eindruck, dass ihn alle mitleidig lachend anstarrten. «Ich wäre am liebsten sofort wieder nach Hause gefahren.»

Heyer weiter: «Doch schon in der ersten Runde dachte ich, hallo, das geht aber gut.» Offensichtlich zahlte sich aus, dass die ganze Erfahrung aus drei Jahren Turbo-Capri in ein Auto eingeflossen waren, das nach dem gleichen Reglement aufgebaut war.

Nach einem kurzen Check an der Box nahm Heyer die nächsten Runden in Angriff: «Ich konnte wegen der schlechten Gasannahme und dem Turboloch des Motors überhaupt nicht langsam fahren. Plötzlich liefen alle Leute bei einer meiner nächsten Vorbeifahrten an die Boxenmauer. Ich dachte an Feuer oder einen Defekt am Auto und fuhr sofort an die Box. Dort erfuhr ich, dass ich soeben die Bestzeit geknackt hatte, obwohl die WM-Truppe dort schon tagelang ihre Runden gedreht hatte.»

Am Abend war klar: Bis auf die fehlende Farbe (die auch bei den ersten beiden Rennen noch fehlte) waren Auto und Team Spitze.

Noch vor der Rückreise von Misano präparierte Heyer drei Briefumschläge, auf denen er vermerkte, wann sie geöffnet werden sollten. Diese übergab er samt Inhalt den Lancia-Verantwortlichen.

Auf dem Zettel im ersten Umschlag stand: In Zolder stehe ich in der ersten Startreihe.

Nach Öffnen des zweiten Umschlags war zu lesen: Ich gewinne die Meisterschaft.

Auf das Papier im dritten Umschlag hatte Heyer geschrieben: Wenn die Vorhersagen eins und zwei eintreten, bekomme ich von euch ein Auto für mein privates Museum.

Das Verfahren wurde sogar von der obersten Fiat-Heeresleitung gegengezeichnet, und so rief Giovanni Agnelli höchstpersönlich während der erfolgreichen Saison ein paar Mal an, um zu fragen: «Was habe ich denn da eigentlich unterschrieben?»

Übrigens: Nach Ende der Gruppe 5-Ära rollte eines Tages ein Transporter aus Italien bei Heyer auf den Hof, voll beladen mit drei Lancia Gruppe 5 samt Ersatzteilen.

Fast erübrigt es sich, darauf hinzuweisen, dass Heyer die beiden ersten Voraussetzungen (erste Startreihe beim Auftaktrennen und Gewinn der Meisterschaft) erfüllt hat.

Da war Punkt drei – wie geschehen - nur noch reine Ehrensache.


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