Sebastian Vettel (Ferrari): So schwer wiegen Fehler
Sebastian Vettel trottet nach seinem Hockenheim-Fehler davon
In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Valerie Zeller aus St. Gallen wissen: «Die meisten Experten haben Sebastian Vettel die Schuld für den Zwischenfall in Monza gegeben. Ich möchte gerne wissen, wie eine Weltmeisterschaft aussehen würde, in welcher Seb keine Fehler gemacht hätte.»
Sky-GP-Experte Martin Brundle ist nicht der einzige Insider, der festhhält: «Vettel macht derzeit zu viele Fehler, um den WM-Titel zu holen. 2018 ist er in Baku bei einer Attacke auf Bottas geradeaus gerutscht, in Frankreich mit Valtteri zusammengestossen, in Österreich hat er wegen Blockierens von Sainz eine Strafe erhalten, in Deutschland hat er 25 Punkte weggeworfen. Und nun das in Monza.»
Schauen wir uns mal im Einzelnen an, was Martin Brundle erwähnt hatte. In Aserbaidschan führte Vettel in der Anfangsphase, dann wurde das Rennen durch eine Safety-Car-Phase durcheinandergebracht, wegen der Kollision zwischen den beiden Red Bull Racing-Piloten Daniel Ricciardo und Max Verstappen. Vettel hatte da schon frische Reifen geholt, Bottas noch nicht. Nach dem Neustart warf sich der Ferrari-Star mutig auf Bottas, doch mit kalten Reifen rutschte Vettel geradeaus. Valtteri Bottas büsste später einen sicher scheinenden Sieg wegen eines Reifenschadens ein. Lewis Hamilton gewann, Vettel wurde Vierter, das heisst 25:12 für Hamilton. Im besten Falle aber hätte Vettel gewonnen und Hamilton wäre Zweiter geworden.
In Frankreich legte sich Vettel kurz nach dem Start mit Bottas an. Sebastian wurde zu einer Aufholjagd gezwungen, obendrein gab es eine Fünfsekundenstrafe. Nach dem Rennen gab er zu, dass gegen die Mercedes wohl nichts auszurichten gewesen wäre. Real siegte Hamilton vor Bottas, Vettel wurde Fünfter, das heisst zwischen Hamilton in diesem Rennen ging es 25:10 aus. Wenn wir annehmen, dass Hamilton auch ohne Vettels Patzer gegen Bottas gewonnen hätte, wäre Sebastian realistisch wohl Dritter geworden. In Le Castellet hat er also zehn Punkte liegenlassen.
Hockenheim schmerzt am meisten. Ein Aufschrei ging durch die Menge: Sebastian Vettel, Ferrari-Star, WM-Leader, Hockenheim-Lokalheld, hatte eben sein Auto in der Sachskurve in die Pistenbegrenzung gesetzt. Nicht hart, aber hart genug. Wir haben während des Rennens den Funk des Heppenheimers verfolgt. Vettel hämmerte aufs Lenkrad und schimpfte: «Oh, Scheisse, oh-nee, so ’ne Kacke!» Der Ärger ist verständlich. Vettel hat nicht nur den so sehr erhofften ersten Formel-1-Sieg in Hockenheim weggeschmissen, aus einem Acht-Punkte-Vorsprung gegen Hamilton nach dem Sieg in Silverstone ist auch ein 17-Punkte-Rückstand geworden. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Dann würgte Vettel noch ins Mikro: «Sorry, guys», bevor seine Stimme in einem Schluchzer endete und er wie ein geprügelter Hund davontrottete.
Vettel nach dem Rennen: «Meine Reifen waren nicht die frischesten, also hatte ich es schwerer als andere Fahrer. Aber das darf keine Ausrede sein. Ich liess nur ganz kurz ein Vorderrad stehen und schon ging es geradeaus, dann blockierten die Hinterräder, und an diesem Punkt mehr gibt es kein Weg zurück. Es war gewiss nicht der grösste Fehler, den ich in der Formel 1 je gemacht habe, aber es ist bestimmt einer, der mich am teuersten zu stehen kommt. Ich stand im Kiesbett und wusste – hier komme ich nicht mehr heraus.»
Hamilton liess sich nicht zwei Mal bitten und gewann, 25:0 gegen Vettel. Andersrum hätte es 25:18 gegen Hamilton geheissen.
In Italien wäre das zwischen Vettel und Hamilton eine ganz enge Kiste geworden: In einer idealen Welt hätte sich Kimi Räikkönen so positioniert, dass Vettel in Führung gezogen wäre. Gehen wir davon aus, dass die Ferrari-Fahrer mit einer Doppelführung ihren Reifen nicht so viel hätten zumuten müssen wie im wahren Rennverlauf, wäre ein Doppelsieg drin gewesen, Hamilton wäre dann bestenfalls Dritter geworden. Real hiess es am Ende zwischen Sieger Hamilton und dem erneut zu einer Aufholjagd gezwungenen, viertplatzierten Vettel 25:12. Durch die Ferrari-rote Brille hätte es 15:25 gegen Hamilton enden können.
In der Fahrer-WM steht es zwischen Hamilton und Vettel derzeit 256:226. Gehen wir vom günstigen Fall für Vettel aus, könnte der Heppenheimer heute bei 287 Punkten stehen und Hamilton käme lediglich auf 232. Anders gesagt: Sebastian Vettel hätte ein Punktepolster von mehr als zwei Rennsiegen auf seinem Konto!
Aber es ist Sebastian Vettel selber, der in den letzten Jahren immer wieder betont hat: «Mit Hätte, Wenn und Aber gewinnst du keine Rennen und Titel.»