Formel 1: Verspielt Norris so den WM-Titel?

Charles Leclerc (Ferrari) in Monza: Fast wie Schumi

Von Mathias Brunner
​Der Monegasse Charles Leclerc hat in Monza den drittschnellsten aller Grands Prix gewonnen. Er ist der 21. Fahrer mit mehr als einem Sieg in Monza, für Ferrari ist dies der 20. Monza-Triumph.

Ein Pilot hat während des Italien-GP von Monza vergeblich auf einen Einsatz gewartet: Safety Car-Fahrer Bernd Mayländer. Es gab auf der Traditionsstrecke keine Renn-Neutralisierung, und so preschte Charles Leclerc mit dem dritthöchsten Durchschnittstempo eines Formel-1-WM-Laufs Richtung Zielflagge – 246,421 km/h.

In noch höherem Speed wurden in 75 Jahren Formel 1 nur zwei Monza-GP absolviert, jener von 2003 (Michael Schumacher im Ferrari, 247,586 km/h Schnitt) und von 2005 (Juan Pablo Montoya im McLaren-Mercedes, 247,097 km/h Schnitt).

Ferrari hat nun zum 20. Mal in Monza gewonnen, kein Rennstall kann mehr Siege auf einer einzelnen Rennstrecke vorweisen.

Das Band zwischen der weltberühmten Scuderia Ferrari aus Maranello und der Rennstrecke von Monza reicht weit zurück. Ferrari gewann 1933 erstmals in Monza, mit Luigi Fagioli in einem Alfa Romeo P3. Die 1947 gegründete Autofirma Ferrari debütierte 1949 in Monza und gewann sowohl in der offenen als auch in der geschlossenen Kategorie.

Das erste Rennen war die Coppa Inter-Europe am 29. Mai 1949, die Bruno Sterzi auf einem 166 S gewann. Im selben Jahr gewann Alberto Ascari auf einem 125 S den Grossen Preis von Italien und überholte das gesamte Feld, einschliesslich des zweitplatzierten Franzosen Philippe Etancelin auf einem Talbot.

Der erste Sieg bei einem Grossen Preis von Italien, der zur Formel-1-Weltmeisterschaft zählte, gelang 1951, als das Team mit Alberto Ascari und José Froilán González mit den 375 F1 einen Doppelsieg errang.

Der Mailänder Ascari schaffte den Sieg auch im darauf folgenden Jahr, doch dann gab es eine Pause bis 1960, als Ferrari mit Phil Hill, Richie Ginther und Willy Mairesse die Podiumsplätze unter sich ausmachte.

Es war ein leichter Sieg, denn die britischen Teams boykottierten damals die Veranstaltung, da sie mit der Nutzung des 1955 erbauten Hochgeschwindigkeitsovals unzufrieden waren, das sie für zu gefährlich hielten.

1961 trat ein komplettes Feld an, doch die WM-Entscheidung endete tragisch, als Wolfgang Graf Berghe von Trips’ Ferrari mit dem Lotus von Jim Clark kollidierte. Der deutsche Fahrer und 14 Zuschauer kamen ums Leben.

Phil Hill siegte im 156er F1 und wurde damit der erste amerikanische Formel-1-Weltmeister, aber es gab keine Feierlichkeiten, nur Tränen.

1964 kehrte die Scuderia Ferrari mit einer dominanten Leistung von John Surtees im 158 F1 auf die Siegerstrasse zurück, nachdem er die Angriffe von Dan Gurney abgewehrt hatte. Das Ergebnis brachte den Engländer zurück ins Rennen um den Titel, den er beim Finale von Mexiko in aufregender Weise gewann.

Zwei Jahre später gelang ein ebenso wichtiger Sieg, als Ludovico Scarfiotti am Steuer des 312 F1 vor seinem Teamkollegen Mike Parkes triumphierte. Es ist bis heute der letzte Ferrari-Sieg eines italienischen Fahrers in Monza.

Nach drei unfruchtbaren Jahren konnte die Marke aus Maranello 1970 mit Clay Regazzoni ein weiteres Mal siegen, der Tessiner liess in den letzten Runden einer aufregenden Windschattenschlacht Jackie Stewart im March hinter sich. Es war erst der fünfte Grand Prix des Schweizers, der von den Italienern als einer der ihren angesehen wurde.

Fünf Jahre später schaffte es der Südschweizer an einem grossartigen Tag für die Scuderia erneut, während ein dritter Platz Niki Lauda reichte, um die Fahrerkrone wieder nach Maranello zu holen, elf Jahre nach Surtees’ Titel.

1979 war es Jody Scheckter, der das Rennen gewann und sich damit die Fahrermeisterschaft sicherte, während sein Teamkollege Gilles Villeneuve für einen Doppelsieg sorgte.

Zwölf Mal ist die Formel-1-WM in Monza entschieden worden, mehr als auf jeder anderen GP-Rennstrecke: 1950 (zu Gunsten von Giuseppe Farina), 1956 (Juan Manuel Fangio), 1960 (Jack Brabham), 1961 (Phil Hill), 1963 (Jim Clark), 1966 (Jack Brabham), 1969 (Jackie Stewart), 1972 (Emerson Fittipaldi), 1973 (Jackie Stewart), 1975 (Niki Lauda), 1978 (Mario Andretti), 1979 (Jody Scheckter) – seither aber nie mehr.

Der Sieg von Scheckter sollte für lange Zeit der letzte für die Scuderia in Monza sein. Beim Grossen Preis von Italien 1988 herrschte im Ferrari-Lager düstere Stimmung, denn es war das erste Rennen seit dem Tod des Firmengründers Enzo im August.

Die McLaren, welche die Saison dominiert hatten, besetzten die erste Startreihe, mit Alain Prost und Ayrton Senna. Prost schied mit einem mechanischen Problem aus, während Senna einem leichten Sieg entgegen zu fahren schien.

Doch drei Runden vor Schluss überholte das brasilianische Ass Jean-Louis Schlesser im Williams. Der Franzose zögerte und kollidierte dann mit dem McLaren, der aufgeben musste. Damit ging der Doppelsieg an Gerhard Berger und Michele Alboreto.

Es sollten weitere acht Jahre vergehen, bis ein Ferrari-Pilot auf der obersten Stufe des Podiums von Monza stand, als der grosse Michael Schumacher das 1996 schaffte. Er wiederholte dieses Kunststück 1998 mit einem brillanten Überholmanöver gegen Mika Häkkinen im McLaren (in der Variante della Roggia), im Jahr 2000, als er die Tränen nicht zurückhalten konnte, weil er mit seinem Sieg mit Ayrton Senna gleichzog, sowie 2003 und 2006.

Rubens Barrichello gewann 2003 und 2004, als das Ferrari-Duo durch das Feld fahren musste, nachdem sich der Brasilianer von einer falschen Reifenwahl erholt hatte und Michael nach einem Dreher in Roggia durchs Feld stürmte.

Fernando Alonso, der bereits 2007 mit McLaren auf dieser Strecke gewonnen hatte, schaffte 2010 seinen Sieg mit Ferrari nach einem langen Kampf mit dem McLaren von Jenson Button. Am Ende musste sich der Engländer der Entschlossenheit von Fernando und der Leistung des F10 geschlagen geben.

Der zweitletzte Monza-Sieg der Scuderia ging 2019 auf das Konto von Charles Leclerc im SF90. Der Monegasse schaffte es, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas in Schach zu halten, nachdem die beiden Mercedes-Piloten ihn von Anfang bis Ende verfolgt hatten und abwechselnd versuchten, an ihm vorbeizukommen.

Der Sieg kam nur eine Woche nach Charles’ erstem Triumph in der Formel 1, damals als jüngster Fahrer, dem zwei Siege in Folge gelangen.

Nun also hat Leclerc erneut gewonnen, und mehr Monza-Siege unter den Ferrari-Piloten kann nur Michael Schumacher vorweisen.

Ferrari-Siege in Monza

2024 Charles Leclerc (MC)
2019 Charles Leclerc (MC)
2010 Fernando Alonso (E)
2006 Michael Schumacher (D)
2004 Rubens Barrichello (BR)
2003 Michael Schumacher (D)
2002 Rubens Barrichello (BR)
2000 Michael Schumacher (D)
1998 Michael Schumacher (D)
1996 Michael Schumacher (D)
1988 Gerhard Berger (A)
1979 Jody Scheckter (ZA)
1975 Clay Regazzoni (CH)
1970 Clay Regazzoni (CH)
1966 Ludovico Scarfiotti (I)
1964 John Surtees (GB)
1961 Phil Hill (USA)
1960 Phil Hill (USA)
1952 Alberto Ascari (I)
1951 Alberto Ascari (I)

Italien-GP, Autodromo Nazionale di Monza

01. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:14:40,727 h
02. Oscar Piastri (AUS), McLaren, +2,664 sec
03. Lando Norris (GB), McLaren, +6,153
04. Carlos Sainz (E), Ferrari, +15,621
05. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, +22,820
06. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, +37,932
07. George Russell (GB), Mercedes, +39,715
08. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +54,148
09. Alex Albon (T), Williams, +1:07,456 min
10. Kevin Magnussen (DK), Haas, +1:08,302
11. Fernando Alonso (E), Aston Martin, +1:08,495
12. Franco Colapinto (RA), Williams, +1:21,308
13. Daniel Ricciardo (AUS), Racing Bulls, +1:33,452
14. Esteban Ocon (F), Alpine, +1 Runde
15. Pierre Gasly (F), Alpine, +1
16. Valtteri Bottas (FIN), Sauber, +1
17. Nico Hülkenberg (D), Haas, +1
18. Guanyu Zhou (RCH), Sauber, +1
19. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, +1
Out
Yuki Tsunoda (J), Racing Bulls, Kollisionsschäden

WM-Stand (nach 16 von 24 Grands Prix und 3 von 6 Sprints)

Fahrer
01. Verstappen 303 Punkte
02. Norris 241
03. Leclerc 217
04. Piastri 197
05. Sainz 184
06. Hamilton 164
07. Pérez 143
08. Russell 128
09. Alonso 50
10. Stroll 24
11. Hülkenberg 22
12. Tsunoda 22
13. Ricciardo 12
14. Gasly 8
15. Oliver Bearman (GB) 6
16. Magnussen 6
17. Albon 6
18. Ocon 5
19. Zhou 0
20. Logan Sargeant (USA) 0
21. Colapinto 0
22. Bottas 0

Konstrukteurspokal
01. Red Bull Racing 446 Punkte
02. McLaren 438
03. Ferrari 407
04. Mercedes 292
05. Aston Martin 74
06. Racing Bulls 34
07. Haas 28
08. Alpine 13
09. Williams 6
10. Sauber 0



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